Traumzeit – auf den Spuren des Jakobus. Anna Malou

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Traumzeit – auf den Spuren des Jakobus - Anna Malou

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bleibe ich in einem Lokal hängen, von dem aus ich einen traumhaften Blick auf das Hafengelände habe. Es riecht eindeutig nach salziger Meeresluft, der Hafenquai ist mit Palmen umsäumt, als rotviolett die Sonne so allmählich, mit Glitzerstrahlen untergehend, weiße Luxusjachten im Hafenbecken beleuchtet. Das ist ein so schöner, urlaubsnaher Anblick, der mich fast mein Rucksackproblem vergessen lässt. So genieße ich den Abend in lauer Luft in sicherer Gewissheit, sechs Wochen Zeit für mich zu haben, sechs Wochen zum Leben, zum Fühlen, zum Wahrnehmen, eine Auszeit für die Sinne.

      Schließlich ziehe ich mich gegen 22.00 Uhr in mein Zimmer zurück, um dort in einen tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen.

      Der nächste Morgen bringt mir zunächst nichts Neues. Als ich wiederum am Flughafen anrufe, weiß man noch nichts Neues, also warten, unsicher, wie es weitergehen soll.

      So schlendere ich durch die Altstadt, hole mir Tipps für die weitere Reise in der Touristeninformation und besichtige die alten Gassen, die sich rund um die Stadtmauer befinden, die mit mindestens sechs Metern Höhe sehr imposant ist. Die Altstadt ist doch größer, als ich gedacht habe, und so gibt es Vieles zu entdecken. Winkelige Gassen, mit gemustertem, abgetretenem Kopfsteinpflaster umlegt, so dass der Mensch auf krummem und unebenem Untergrund die Häuser, die überwiegend gut erhalten sind, bewundern kann. Altertümliche Laternen runden dieses Bild ab.

      Schließlich erreiche ich die Kathedrale, die mächtig den Vorplatz überragt. Hier kostet der Besuch drei Euro Eintritt, eröffnet jedoch die Möglichkeit, mit 78 Stufen auf den Glockenturm zu steigen. Von dort bietet sich eine phantastische Aussicht auf die Stadt Faro, auf das angrenzende Naturschutzgebiet und auf das Meer, das azurblau im Sonnenlicht glitzert. Ein Blick nur zum Träumen, in jeder Richtung schön. Das Innere der Kirche ist in meinen Augen nicht absolut sehenswert, da hier mehrere goldüberzogene Altäre mit Kacheldekoren im Wechsel stehen. Diese Kombination der Materialien ist für mich ungewohnt und auf jeden Fall befremdlich. Das Museum der Kathedrale zeigt sakrale Gegenstände und Kleidungsstücke, die durch ihre kunstvollen Applikationen auffallen.

      Hier in dieser Kathedrale von Faro bekomme ich nun meinen ersten Pilgerstempel, der mir in zweifacher Variante liebevoll im Nebenraum der Kirche präsentiert wird. Diese Pilgerstempel dienen mir als Nachweis, dass ich meine vorgesehene Strecke auch zurückgelegt habe, wobei der Pilgerpass zudem die Möglichkeit bietet, später in Pilgerherbergen zu übernachten. Diesen Pilgerpass hatte ich mir bereits in Deutschland per Internet bestellt, so dass ich ihn bereits mit auf meine Reise nehmen konnte. Da dieser Stempel vom Pastor erst gesucht werden muss, bin ich mir sicher, dass dieser hier nicht allzu häufig an Pilger vergeben wird.

      So allmählich gehe ich auf mein Zimmer zurück und telefoniere wieder nach meinem verlorenen Rucksack. Nun kommt für mich die größte Überraschung: Er ist da und inzwischen auf dem Weg zu meiner Pension! Offensichtlich war er in Palma verkehrt weitergeschickt worden, so dass er heute Morgen bereits von Ibiza zurückreisen musste. Mir fällt ein Stein vom Herzen, denn nun habe ich wieder die Hoffnung, dass meine Reise – wie geplant – vonstattengehen kann. Und wirklich, eine halbe Stunde später wird mein vermisster Rucksack angeliefert. Zuerst muss ich kontrollieren, ob es auch der Richtige ist. Er ist es, jedoch fehlen meine Walking-Stöcke komplett. Diese sind offensichtlich bei dem ganzen Durcheinander auf der Strecke geblieben. Außerdem vermisse ich noch ein paar weitere Kleinigkeiten, unter anderem meine Trinkflaschen und meine Tempotaschentücher, die offensichtlich den Mehrfachtransport nicht überlebt haben. Trotz allem bin ich froh, sehr sogar, und kann nun wieder in Ruhe planen.

      So erstehe ich nach vielem Nachfragen und einer endlosen Suche in der Stadt in einem Laden für Gesundheitsartikel das einzige Paar Walking-Stöcke, das es dort gibt. Um den Preis zu berechnen, benötigt die Verkäuferin sage und schreibe zwanzig Minuten. Offensichtlich gehen die Uhren hier in Portugal anders als in Deutschland.

      Den Abend verbringe ich wieder spazieren gehend in der Altstadt, die in einem unwirklichen Lichterglanz in gedämpfter Beleuchtung liegt. Schließlich finde ich ein gemütliches Lokal zum draußen Sitzen, in das ich einkehre. Dort genieße ich den guten, schweren, dunkelroten portugiesischen Rotwein, erfreue mich an der lauen Luft und an netter Gesellschaft. Denn am Nachbartisch sitzt eine Familie mit zwei kleinen Kindern, mit denen ich auf Englisch ins Gespräch komme. Es wird gelacht und geredet und im Nu ist es so spät, dass ich mit etwas Mühe, mich nicht zu verlaufen, in der Dunkelheit mein Zimmer wiederfinde.

      Heute reise ich weiter. Um zum Strand von Faro, der ca. sieben Kilometer von der Stadt entfernt liegt, zu kommen, kann ich mit dem Bus oder mit dem Schiff fahren. Von meinem Zimmer aus laufe ich nur zehn Minuten bis zum Schiffsanleger, löse für 1,50 Euro eine Fahrkarte, sortiere meinen Riesenrucksack und mich zwischen die anderen Badegäste, die schon in ihrer Strandkluft auf dem Boot Platz genommen haben. Viele Familien mit kleinen Kindern, aber auch frisch verliebte, turtelnde junge Pärchen sitzen erwartungsvoll da, um später den Strand zu genießen.

      Mit zehn Minuten Verspätung fährt das Schiff los, um sich langsam und behäbig einen Weg durch die Wasserstraßen des Naturschutzgebietes zu bahnen. Möwen schreien und die Luft duftet nach Salz. Ein kräftiger Wind weht vom Meer her, so dass der Sonnenschein herrlich warm, aber nicht zu heiß ist. Weiter tuckert das Boot zwischen den Kanälen entlang, bis es nach einer knappen halben Stunde in „Praia de Faro“, dem Strand von Faro, anlegt.

      Alle steigen aus und im Nu bin ich umzingelt von Touristenmassen jeden Alters, von Unmengen von Autos, die parken oder sich in rasantem, unheimlichem Tempo durch die Touristenströme hindurchschieben. Ich sehe wieder brackiges Wasser und wenig Sand, als ich den Fußweg, der mindestens zur Hälfte mit Autos zugeparkt ist, entlanggehe. Sollte das hier alles an Strand sein? Schließlich fällt mir auf, dass viele Kinder in eine andere Richtung laufen, und wirklich, auf der anderen Straßenseite, hinter einem deichartigen Wall befindet sich das Meer, das von der Straße aus gar nicht zu sehen war. Glitzernde Schaumkronen in gleißender Sonne, ein Puderzuckersand in hellem Weiß, wie er schöner nicht sein kann – und ich stehe hier, mit meinem Rucksack beladen – und suche ein Quartier. Nach mehreren Nachfragen und vielen vergeblichen Versuchen weiß ich, dass es hier keine Privatquartiere gibt, dass Pensionen ausgebucht sind und dass das Hotelzimmer 50,00 Euro kosten soll. Ich bin sprachlos, denn das hätte ich so nicht erwartet. Ich halte mit mir selber Krisenrat und muss so völlig umdisponieren. Mit einer gewissen Enttäuschung entscheide ich mich, für 1,60 Euro wieder mit dem Bus zurück nach Faro zu fahren, da ich hier so nicht weiterkomme. Inzwischen ist es Mittag und die Sonne brennt vom Himmel, es sind mindestens 35 Grad Celsius im Schatten und in der Sonne entsprechend mehr. Ich bin deprimiert und enttäuscht, denn so hatte ich mir den Beginn meiner Pilgerreise eigentlich nicht vorgestellt.

      Vom Busbahnhof aus habe ich jedoch Glück und kann sofort mit dem nächsten Bus weiter Richtung Albufeira fahren. Ich verstaue mein Gepäck unterhalb der Bussitze und sause los, um mir am Schalter eine Fahrkarte zu holen, in der Hoffnung, dass der Busfahrer so lange wartet, bis ich wieder da bin. Am Fahrkartenschalter spricht die Dame englisch, ich zahle für meine Fahrkarte 3,80 Euro und muss mehrmals nachfragen, weil ich nicht verstehe, was die Dame von mir will. Schließlich wird es mir klar, sie wollte wissen, wann ich fahren will, sofort, schnell, und ich renne los, um meinen Bus noch zu erwischen. Und wirklich, es klappt, ich sitze Schweiß überströmt im Bus und bin froh, diese Hürde genommen zu haben.

      Der Bus durchquert Faro, hält noch diverse Male und fährt dann über die Autobahn ca. sechzig Kilometer nach Albufeira. Ich bin müde, nicke immer wieder ein, bis ich schließlich aufwache, als der Bus den Busbahnhof von Albufeira erreicht hat. Auf geht es, ich nehme mein Gepäck und wandere in glühender Hitze – es ist erst 15.00 Uhr – in Richtung Zentrum. Nach fast vierzig Minuten Fußmarsch durch Vororte und Villengebiete erreiche ich das Zentrum

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