Knurr und das Amulett des Dämonenfürsten: Die Abenteuer der Koboldbande Band 6). Jork Steffen Negelen
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Eine Stunde später war Barbaron so in das Lesen vertieft, dass er die Ankunft von Jabo nicht bemerkte. Erst ein lautes Räuspern des Nekromanten ließ den kleinen König vom Buch aufblicken. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Du kommst mir gerade recht«, rief er erfreut aus und er zeigte auf die Chronik. »Hier steht einiges drin, dass ich nicht verstehe. Mein lieber Jabo, du wirst mir helfen müssen. Da kommst du nicht drum herum.«
Der Nekromant lächelte und trat an Barbarons Bett. »Auch ich wünsche dir einen gesegneten Tag, mein lieber Freund«, sprach Jabo und er hielt dem Minitroll seine rechte Hand unter die Nase. Barbaron ergriff sie mit beiden Händen und versuchte, sie zu schütteln. Dann zeigte er wieder zu dem Buch. »In dieser Chronik ist die Erschaffung unserer Welt niedergeschrieben worden. Mich würde mal interessieren, wer das gemacht hat und woher der Schreiber der Chronik das alles wusste.«
Jabo nickte und setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand. »Ich erkläre es dir gleich. Doch vorher möchte ich gern wissen, wo Orbin, Knurr und der Prinz Artem abgeblieben sind. Tabor und sein Vater sind auch nicht da. Selbst die Königskinder und die Elfen, die auf sie aufpassen sollten, lassen sich nicht finden. Bei meinem Flug hierher habe ich sie alle nicht gesehen.«
Barbaron winkte ab und schaute schon wieder in die Chronik. »Die Königskinder sind mit den Elfen bei Theodora in Bochea. Der Rest ist im Wald«, antwortete er. »Sie wollten irgendetwas sammeln oder suchen. Ich habe es nicht genau verstanden. Die alten Schriften haben mich wohl abgelenkt. Nur Tangossa ist da. Sie schläft neben der Drachenwiege.«
»Na gut«, brummte Jabo verdrießlich. »Dann warte ich hier und ich erkläre dir, was ich über die Chronik weiß.«
Jabo ergriff die Kanne mit dem Wein und nahm sich einen Becher. Nachdem er getrunken hatte, sah er zu Barbaron. »Dann hör mal gut zu, mein kleiner Freund«, begann er zu erzählen. »Alles, was ich über die Schöpfung und die Dämonen weiß, das habe ich von meinem alten Freund und Lehrer Meerland gelernt. Er hat die Chronik geschrieben, die vor deiner Nase liegt. Urgos, der König der Drachen, hat ihm vor langer Zeit alles über die Entstehung unserer Welt berichtet. Die Drachen vererben ihr gesamtes Wissen an ihre Nachkommen. Sie sind die einzigen Geschöpfe, die so etwas können. Und da sie nie etwas vergessen, auch wenn sie das manchmal behaupten, konnte Meerland alles über die Schöpfung und die Dämonen erfahren.«
Für einen kleinen Augenblick stand Barbaron der Mund offen. Staunend sah er Jabo an und er kratzte sich mit seiner linken Hand auf seinem kahlen Schädel. Doch er fasste sich schnell und stellte dem Nekromanten eine für ihn wichtige Frage. »Hast du sie schon einmal gelesen, diese Chronik?«
Jabo nickte und schenkte sich erneut einen Becher Wein ein. »Zwei Mal musste ich sie sogar abschreiben, die Chronik des Schöpfers. Als ich noch Meerlands Schüler war, bekam ich diese Arbeit als Strafe für meinen Ungehorsam und für die Streiche, die ich den Leuten in Bochea gespielt habe. Ich war ein wilder Bursche und Meerland war ein strenger Meister. Ach ja, das waren noch Zeiten. Damals waren die Sitten noch streng und die alten Bräuche noch heilig. Heutzutage wird doch alles dem Bach des ewigen Vergessens runter gespült. Die Angst regiert und jedes Wesen schaut sich furchtsam um.«
Barbaron sah zu, wie Jabo seinen Becher leer trank und zeigte dann wieder zu der Chronik. »Hier steht geschrieben, dass die Dämonen ebenfalls von unserem Schöpfer erschaffen worden sind. Warum hat er das gemacht?«
Jabo stellte den leeren Becher neben die Weinkanne auf den Tisch und holte tief Luft, ehe er antwortete. »Pass gut auf, mein kleiner Freund. Ich erkläre dir, was damals geschehen ist. Nach dem die Welt entstanden war, waren nicht nur Wasser, Wind und die Sonne da. Es gab auch die Pflanzen und die Tiere. Doch dem Schöpfer war das noch nicht genug. Er wollte auch Wesen haben, die sprechen, lachen und singen konnten. So kamen die Dämonen in unsere Welt. Sie waren Wesen des Lichts und glaubten an die Gesetze, die sie vom Schöpfer bekommen hatten. Doch die sieben Söhne des Schöpfers, die ihm immer geholfen hatten, wurden im Laufe der Zeit eifersüchtig und sie schmiedeten finstere Pläne. Sie wollten als Könige über die Welt herrschen und forderten ihren Vater heraus. So schuf sich der Schöpfer andere Wesen, die ihm im Kampf zur Seite standen. Die Drachen wurden als Hüter der Gesetze in die Welt geschickt. Zu ihnen kamen die Erzelfen, die Riesen und viele andere Völker. Die sieben Söhne des Schöpfers verbündeten sich mit den Dämonen. Der Vater von Dämonicon war damals schon der mächtigste der neun Fürsten. Imperos war gierig nach Macht und Reichtum. Die Söhne des Schöpfers hatten ihn verführt und in seinem Herzen ging eine finstere Saat auf. Er wollte sich die gesamte Magie zunutze machen. Doch die Söhne gaben ihm nur die schwarze Seite der Magie, denn auch sie wussten, dass der ehrgeizige Fürst ihnen sonst zu mächtig wurde. In drei großen Schlachten traten die gewaltigen Heere gegeneinander an. Der Schöpfer bezwang seine eigenen Söhne und fesselte sie mit unzerstörbaren Ketten an einen Felsen, der in der Mitte eines tobenden Meeres stand. Die Dämonen wurden von den Drachen und den Erzelfen in ein großes Tal getrieben. So waren sie von den sieben Söhnen getrennt. Damit das so blieb, baute der Schöpfer für die finstere Dämonenbrut ein riesiges unterirdisches Gefängnis. Um das Tal herum wuchsen unüberwindbare Felsen. Das Tal selbst versank in der schwarzen Unendlichkeit der Tiefe und ein Dach aus Felsen und Steinen wuchs über dem Tal. Die Sonne konnte die Dämonen nicht mehr erreichen und in ihrem neuen Reich herrscht seit jener Zeit die Dunkelheit. Der Schöpfer machte die Sonne selbst zum Hüter über die weiße Magie. Sie bekam die Macht, jeden schwarzen Dämon und jeden schwarzen Geist zu vernichten. Auch alle Arten von untoten Wesen sollten nicht verschont werden. Deshalb haben Magier und Hexen, die sich der schwarzen Magie bedienen, Angst vor dem Verlust ihrer Seele. Das macht sie zu Untoten und die Sonne verbrennt sie.«
Barbaron hörte gespannt zu, doch eine Frage ließ ihm keine Ruhe. »Wieso kann dann Ihlo, dieser flatternde Mönchsdämon, hier so einfach in unserer Welt herumfliegen?«
Mit diesem Einwand hätte Jabo eigentlich rechnen müssen. »Das ist ganz einfach«, erklärte er. »Die Mönchsdämonen benutzen ihre schwarzen Kutten als Schutz vor der Sonne. Der Stoff, aus dem diese Kutten bestehen, ist so dicht gewebt, dass kein Strahl der Sonne ihn durchdringen kann. Sie haben außerdem die Gabe, mit der Hilfe ihrer Dämonenspiegel überallhin zu gelangen. Das ist ein Rest von dem, was sie früher einmal an Macht und Magie besaßen. Ich bin mir sicher, dass Ihlo einst zu einem Volk gehörte, dass die Dämonen im Kampf gegen den Schöpfer unterstützte. Außerdem gab es da noch einige schwarze Priester, die nur die Söhne des Schöpfers verehrten. Es kann sein, dass Ihlo zu ihnen gehörte.«
Der kleine König aller Minitrolle nickte nur. Er betrachtete staunend eine bestimmte Buchseite. Jabo stand auf und schaute ebenfalls in die Chronik. Barbaron hatte eine Seite aufgeschlagen, auf der ein schwarzer Brunnen abgebildet war.
»Da musst du hingelangen«, flüsterte der Nekromant dem Minitroll ins Ohr. »Der schwarze Brunnen soll der einzige Weg sein, den du gehen kannst, wenn du in dem Reich der Dämonen etwas suchst. Doch ich beneide dich nicht um diese Aufgabe. Soll ich dich wirklich nicht begleiten? Die Gefahren in Imperos dunklem Reich sind nicht berechenbar.«
Barbaron schüttelte den Kopf. Er sah weiter in die Chronik, als er Jabo antwortete. »Orbin und Artem wollten uns auch begleiten. Doch ich habe mich mit Knurr und Tangossa beraten. Nur der Kobold und ich – wir gehen allein in den Brunnen. Und wir kommen erst wieder heraus, wenn wir unsere Aufgabe erledigt haben. Artem wird uns mit Orbin zum Brunnen führen. Doch vorher muss er den Rat der Riesen aufsuchen. Ich weiß nicht genau, warum der Prinz das machen will. Es muss für ihn jedoch verdammt wichtig sein.
Sonst hätte er nicht darauf bestanden. Er hat sich gestern Abend mit Knurr darüber gestritten. Sie wollten wohl nur flüstern, doch zum Schluss haben sie sich beinah angebrüllt und Tangossa musste sie beruhigen. Der Kobold hat es verdammt eilig. Er will,