Die Bande vom Vorwald. Siegfried Böck

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Die Bande vom Vorwald - Siegfried Böck

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geraten, die geradewegs ins Kräheninnere hinabführt. In dieser Röhre krallen sie sich erst einmal fest und beginnen sofort mit ihrer teuflisch quälerischen Tätigkeit.

      „Tschäääck, tschääääck, Korax, lass das, du Oberdummkrähe, du machst alles kaputt, tschääck, tschääck!“

      Emil ist außer sich und will sich, kreischend vor Wut, auf den stärkeren Gegner stürzen – da lässt der Schwarzbefrackte den glänzenden Schatz plötzlich fallen und fängt an ganz komisch mit den Augen zu rollen. Gleichzeitig reißt er den Schnabel weit auf, so weit, dass Emil tief in den roten Rachen hineinblicken kann. Dann folgt ein abgehacktes Japsen und Keuchen, als ob die Krähe um jedes Quäntchen Atemluft kämpfen müsste.

      Emil stoppt seinen tollkühnen Angriff und beobachtet misstrauisch den auf einmal so veränderten Erzfeind. Ist der Schwarzbefrackte krank geworden oder einfach nur übergeschnappt vor lauter Fressgier? Auf jeden Fall scheint er keine Lust mehr auf Streitigkeiten zu haben.

      Plötzlich fällt Emil auf, dass der kreischende Lärm der Motorsäge verstummt ist. Bei allen Krähen, der grüne Mann könnte jetzt jeden Flügelschlag zurückkommen und ihn verjagen, noch bevor er den Schatz an sich gebracht hat.

      Jetzt oder nie, fährt es Emil durch den Kopf.

      Vorsichtig nähert er sich dem röchelnden Schwarzbefrackten, denn man kann ja nie wissen. Der Schatz liegt genau zwischen den Krallenfüßen der Krähe und unter normalen Umständen wäre es unmöglich gewesen, ihn von dort einfach so herauszupicken. Nicht aber jetzt. Kein peitschender Flügelschlag und kein Schnabelhieb treffen ihn, als er sich das schon etwas lädierte Schmuckstück schnappt und sofort einen Riesenhüpfer rückwärts antritt. Korax Krähe sitzt da wie eine Statue und würgt sich die schwarze Krähenseele aus dem Leib. Da kann Emil es sich nicht verkneifen, noch einmal hinzutrippeln und der wehrlosen Krähe einen kräftigen Schnabelhieb zu verpassen. Amüsiert betrachtet er, wie die Krähenaugen vor ohnmächtigem Zorn aufblitzen.

      Aber gerade, als er noch einmal zustoßen will, ertönt, polternd und furchtbar wütend, die Stimme des grünen Mannes: „Ja, was ist denn hier los! Euch zwei hinterlistige Strauchdiebe soll doch gleich der Habicht holen. Mein guter Schnupftabak, lass ihn sofort fallen, du diebische Elster!“

      Von wegen fallen lassen. Aus den Augenwinkeln beobachtet Emil, wie der grüne Mann mit langen Schritten rasch näher kommt, was ihn aber nicht weiter beeindruckt, denn grüne Männer können zwar Bäume zerlegen, aber nicht fliegen. Ein kurzer Hüpfer, ein paar kräftige Flügelschläge und Emil und sein glänzender Schatz sind hoch in der Luft – unerreichbar für den tobenden grünen Mann. Von oben kann er sehen, wie auch der Schwarzbefrackte schwerfällig abhebt und sich kläglich krächzend davonmacht. An dieser Niederlage wird die Dumpfkrähe noch lange zu knabbern haben.

      Im Grunde genommen ist das Emil aber so was von egal, denn das Gefühl, allen Gefahren entronnen zu sein und dazu noch einen wertvollen Schatz erbeutet zu haben, überwiegt bei Weitem den Triumph über die gedemütigte Krähe. Am liebsten würde er vor Freude singen und jubilieren, aber leider ist er kein sehr begabter Sänger und außerdem hat er ja den glänzenden Schatz im Schnabel. Also lässt er es lieber bleiben. Glücklich steigt er höher und höher, um dann, ganz weit oben, seinen Flugweg in Richtung Elsternburg einzuschlagen.

      Zurück bleibt ein wütender Forstmeister Sägebrecht und dieser Forstmeister schimpft und poltert in einem fort, dass die Fetzen fliegen.

      „Solche Spitzbuben, die Elster soll an meinem guten Schnupftabak ersticken! Das darf doch nicht wahr sein, so eine Gemeinheit, so eine – so eine Frechheit habe ich noch nie erlebt! Wehe, wenn ich die beiden erwische, ich drehe ihnen die diebischen Hälse um!“

      Plötzlich verstummt der aufgebrachte Forstmeister, als wäre ihm jemand gewaltig ins Wort gefahren. Eine ganze Weile bleibt er bewegungslos stehen, dann kratzt er sich verlegen am Kopf, so wie man es manchmal tut, wenn man bei einer Peinlichkeit ertappt wird. Kurz darauf huscht sogar ein kleines verschmitztes Lächeln über das wettergegerbte Gesicht des Forstmeisters und er beginnt, halb belustigt und halb verlegen, vor sich hinzugrummeln.

      „Sägebrecht, du bist ein alter, idiotischer Esel, der sich von einer Elster und einer Krähe zum Affen machen lässt. Du kannst nur hoffen, dass dich niemand gesehen hat. Die Arbeitskollegen würden dich für diese Vorstellung hier monatelang auslachen und beim nächsten Betriebsfest, Sägebrecht, wärst du die große Lachnummer und das alles nur wegen dem blöden Schnupftabak.“

      Er schaut zum Himmel, wo ein kleiner, langgeschwänzter Ball mit eiligen Flügelschlägen einem unbekannten Ziel zustrebt. Da lacht der alte Forstmeister Sägebrecht laut auf und ruft dem Dieb hinterhehr: „Na dann, auf Wiedersehen, du schlaues Biest. Du und dein Krähenfreund, ihr habt mich ganz schön in Fahrt gebracht, aber lass dir meinen guten Schnupftabak trotzdem schmecken! Wenn er dir nicht schmeckt, kannst du ihn mir ja irgendwann einmal wieder zurückbringen!“

      Nach diesen Worten und nach den nervenaufreibenden Erlebnissen des Tages beschließt der alte Forstmeister, mit der Waldarbeit für heute Schluss zu machen, denn irgendwie hat er das komische Gefühl, dass er heute das Schicksal nicht weiter herausfordern sollte. Er packt deshalb seine Werkzeuge zusammen und macht sich auf den Weg nach Hause. Bis zum Feierabend kann er dort noch einiges an Bürokram erledigen und außerdem braucht er dringend eine mächtige Prise aus seinem Ersatz-Schnupftabakbeutel, den er für alle Fälle in seiner Schreibtischschublade deponiert hat.

       Kleine Schlussbemerkung und Beginn eines neuen Abenteuers

      Natürlich war der heutige Tag nicht der Glückstag des alten Forstmeisters Sägebrecht, aber sollte dieser freche Schnupftabak-Diebstahl wirklich ungesühnt bleiben oder ereilt den Dieb vielleicht doch noch seine gerechte Strafe?

      So viel kann auf jeden Fall verraten werden. Der Schnupftabak des Forstmeisters Sägebrecht hat noch nicht seine letzte Rolle in den kommenden Geschehnissen gespielt.

      In unserer Geschichte springen wir jetzt ein paar Monate in die Zukunft, nämlich vom Sommermonat August hinein in den Herbstmonat Oktober.

       Sintflut im Oktober

      Der goldene Oktober scheint dieses Jahr endgültig ausbleiben zu wollen. Es ist schon weit über die Monatsmitte hinaus und seit Ende September hat Brommelshausen und natürlich auch der Brommelshausener Stadtwald kaum mehr als einen oder zwei Sonnenstrahlen gesehen. Ein Schlechtwettertag folgt dem anderen. Am Schlechtwetterhimmel wandern dicke, graue Regenwolken in einem endlosen Gänsemarsch von Horizont zu Horizont und lassen ihr Wolkenwasser auf die Erde herunterprasseln.

      Der ganze Wald tropft vor Nässe und ein kalter Ostwind bringt zu der Nässe noch eine ungemütliche, klamme Kälte mit sich, vor der auch das dichteste Dickicht in der Mitte des Waldes keinen richtigen Schutz mehr bieten kann. Die Blätter der meisten Laubbäume haben bereits ihr sattes Grün verloren. Aber anstatt in glühenden Herbstfarben zu leuchten, hängen sie braun, welk und vor Nässe tropfend an ihren Ästen. Jeder Windstoß genügt, um Tausende von ihnen abzureißen und in einem wirbelnden Tanz zu Boden flattern zu lassen. Kurz gesagt, es ist ein Sauwetter, bei dem man keinen Hund vor die Türe jagen möchte. Tiere und Menschen haben sich in ihren Häusern, Höhlen und Nestern verkrochen und verlassen ihre schützenden Unterkünfte nur zur Nahrungssuche oder weil sie sonst irgendwelchen Tätigkeiten nachgehen müssen, die sich nicht vermeiden lassen.

      Das schlechte Wetter verdirbt sogar dem alten Forstmeister Sägebrecht die Lust auf Waldarbeiten und er steigt nur sehr ungern aus seinem grünen und jetzt auch sehr schmutzigen Geländewagen. Natürlich nicht, ohne sich vorher mit einer tüchtigen Prise seines guten Schnupftabaks

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