Andere Wesen. Theresia Heimerl

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Andere Wesen - Theresia Heimerl

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heißt wörtlich „Hervor-/​Herausrufung“. Und das will dieses Buch auch sein. Ein Herauslocken aus befestigten Stellungen, aus selbst auferlegten Denkverboten, aus Selbstzufriedenheit und Resignation. Denn zu Ende ist die Diskussion um Frauen in der Kirche noch lange nicht. Was mit einem Absatz in Pacem in terris und fünf Kapiteln in Gaudium et spes begonnen hat, wird nicht mit Instrumentum laboris und der bevorstehenden Familiensynode enden. Gerade das Vorbereitungsdokument für diese Synode ist das beste Beispiel dafür, wie bruchstückhaft die Rede über Frauen mittlerweile in der Kirche geworden ist. Wie unübersichtlich und wenig harmonisch Bausteine aus den zuvor verfassten und hier behandelten Texten aneinandergefügt und um neue ergänzt werden – und wie viel sich verändert hat und wie viel mehr sich noch verändern kann als die vorhergehenden Texte, ja, selbst die erste Fassung von Instrumentum laboris aus 2014 erhoffen ließen. Und das ist gut so. Die Tradition und die Gegenwart sind kein abgeschlossenes Ganzes, sondern eine widersprüchliche Vielfalt – allein das offenzulegen macht Instrumentum laboris in beiden Versionen zu einem lesenswerten und wegweisenden Text. Erst in der Zusammenschau mit den anderen Texten seit 1963 offenbart sich aber, was manche Frau angesichts ihrer konkreten Situation in der Kirche bezweifelt: „Kirche und Frauen“ ist ein dynamischer Prozess, dynamischer als fast alles andere in der Kirche. Gerade deshalb brauchte es lange die Beschwörung des überzeitlichen Wesens der Frau. Brauchte. Denn, so viel sei gleich vorweg verraten (und für alle, die sonst zum Ende blättern, um zu erfahren, wie es ausgeht): Mit Instrumentum laboris sind Frauen vielleicht noch etwas anders, aber keine Wesen mehr. Wesentlich sind sie trotzdem.

      Wenn Sie also wissen wollen, was mit dem anderen Wesen Frau seit 1963 so alles passiert ist, sollten Sie von Anfang an lesen.

      Sie können aber auch, ganz im Sinne des autonomen Lesers und der autonomen Leserin, dieses Buch kreuz und quer lesen, zumal es ja ziemlich kreuz und quer gedacht wurde, und sich jeweils jenes Kapitel heraussuchen, das ihrem Jahrgang und ihren Vorlieben oder Hasslieben am meisten entspricht.

      In der Regel bedanken sich Männer bei ihren Frauen für die Unterstützung bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit, soll heißen dafür, dass sie ihnen alle weltlichen Dinge vom Leib gehalten haben – wie es eben zu ihrem Wesen gehört(e).

      Mein Dank gehört meinem viel zu früh verstorbenen Vater, der mich nach der ersten Kirchenlehrerin, Teresa von Avila, benannt hat, weil er kein anderes Wesen, sondern eine intelligente, diskursfähige Tochter wollte. Mein Dank gehört auch meinem Sohn, der mit seiner Mutter trotz einiger traditioneller Wesensmängel sehr zufrieden und in der Lage ist, sich selbst aus dem Kühlschrank zu versorgen. Mein Dank dafür, dass sie Vorbild als Theologin unter nicht immer einfachen Männern und Frauen an der Universität gewesen ist, gehört der ersten Professorin an der Theologischen Fakultät in Graz, Professorin Anne Jensen, verstorben 2008. Und dann gehört mein Dank natürlich allen absichtlichen und unabsichtlichen Gesprächspartnern allerlei Geschlechts. Keine(n) von ihnen möchte ich hier oder in diesem Buch namentlich nennen, zumindest einer weiß aber, dass er ganz wesentlich gemeint ist.

      Postskriptum: Dieses Buch ist nicht durchgehend geschlechtergerecht formuliert, aber hoffentlich dort, wo es darauf ankommt. Und als Postpostskriptum noch eine kleine Leseanleitung: Wie es sich gehört, werden die besprochenen kirchlichen Texte oft wörtlich zitiert. Der Einfachheit halber findet sich nach jedem Zitat eine Zahl, welche das jeweilige Kapitel im Dokument anzeigt. Die Dokumente selbst sind im Literaturverzeichnis angeführt.

      Anno 1964: James Bond lässt sich

      am Pool von einer Blondine massieren.

      Ein anderer Agent tritt zu ihm und

      fordert ihn zum Gespräch auf.

      James Bond schickt die Blondine mit einem

      Klaps auf den Po und einem

      Wort weg: „Männergespräch.“

       (Goldfinger, GB 1964)

      Wer vom Frauenbild des II. Vatikanums spricht, muss fairerweise vom Frauenbild der Gesellschaft der Jahre 1960 bis 1965 sprechen. Die berühmten „Zeichen der Zeit“ sind in der ersten Hälfte dieser Dekade in Sachen Frau noch, gelinde gesagt, konservativ und das, was man später als sexistisch bezeichnen wird. Ein Dialog wie der oben zitierte mit der dazugehörigen geschlechtsspezifischen Ikonografie (Mann mit behaarter Brust und Blondine) ist zwar vielleicht schon damals auf Celluloid gebrachte Männerfantasie, als solche aber weder analysiert noch in Frage gestellt. Wer heute unter 30 ist und Filme aus den 1950er- und 1960er-Jahren sieht, ist in einem Historiengemälde, das eine Welt von gestern widerspiegelt, uns ebenso fern wie das Fin de Siècle den Lesern von Stefan Zweigs gleichnamigem Werk, gerade auch in puncto Geschlechterrollen. Was heute in Ausstellungen, TV-Serien und Themenwochen von Möbelhäusern als „retro“ begeistert, nämlich Frauen in geblümten Kleidchen am Herd (Ehefrau) und im Seidennegligé im Bett (Geliebte), beide auf den (selben) Mann wartend, war eine dauerhafte Realität, zu der neben klobigen Küchengeräten als angemessenen Geburtstagsgeschenken auch die rechtliche Abhängigkeit vom Ehemann, die notwendige Erlaubnis im Fall eheweiblicher Berufstätigkeit, Verbote von Herrenbesuchen im Zimmer junger Frauen und die Stigmatisierung lediger Mütter als gefallene Mädchen gehörten.

      Das einleitende Filmzitat ist bewusst gewählt: Fernab katholischer Normen wurde ein Frauenbild zum Ideal erhoben und mittels der neuen Medien Film und Werbung entsprechend propagiert, in dem die männliche Hegemonie zunächst unhinterfragte Grundvoraussetzung war, um sich dann in junge Frauen auf dem Weg in die Ehe, Ehefrauen und Mütter, alte Frauen (und „alte Frauen“ waren damals viel, viel jünger als heute) und böse Frauen, die keines von alledem sein wollten oder konnten, aufzuteilen. Selbst dort, wo die Schattenseiten dieser Frauenbilder thematisiert wurden, etwa im italienischen Neorealismo, etwas später in der Nouvelle Vague und vereinzelt sogar in deutschsprachigen Filmen, findet kein grundlegender Diskurs über die schematischen Rollen der Frauenfiguren statt. Es sind aus heutiger Sicht hochgradig sexistische Verhaltensweisen und Aussagen in einer Dichte vorhanden, wie sie kaum eine populäre Produktion mehr wagen würde – eine Sichtung von hochgelobten Filmen wie „Außer Atem“ (Frankreich, 1960) unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich allemal, selbst wenn sie ernüchtert. Frauen sind auf den Mann hingeordnet, von ihm materiell, intellektuell und emotional abhängig und oft genug nur schmückendes Beiwerk oder, um einen noch häufig zu nennenden mittelalterlichen Theologen zu zitieren, adiutorium viri, Hilfsmittel des Mannes, wenn auch dieser Status mit Petticoat und Dauerwelle behübscht wird. Die Ehe, im entsprechenden Konzilstext von 1965 einziger logischer Vorkommensort der Frau, ist genauso im gesellschaftlichen Diskurs dieser Zeit, weit abseits katholischer oder kirchentreuer Produkte der Populärkultur, Ziel und Daseinszweck jeder Frau, alles davor muss darauf hinarbeiten, den Richtigen zu finden – und dann folgt das lebenslängliche Happy End. Wo nicht, wird die unverheiratete Frau bestenfalls zum Running Gag wie Miss Moneypenny im oben zitierten „James Bond“ oder aber zu einer jener devianten Frauengestalten, die Literatur und Film so gerne inszenieren. Femmes fatales, böse alte Hexen, Lolitas – sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie eines nicht sind: treu verheiratet. Böse Mädchen kommen zu dieser Zeit nicht überall hin, bestenfalls werden sie gezähmt und landen in der Ehe oder im Gefängnis. Und selbst dort, wo zu dieser Zeit Ordnungen hinterfragt und alternative Lebensformen für Frauen als Ausbruch aus der bourgeoisen Dekadenz theoretisch angedacht werden: Ein Blick auf Simone de Beauvoir und ihre Biografie mit Sartre, ein weiterer Blick auf die Genossinnen im Gemeindebau und ihre Präsenz im politischen Leben der Genossen, und wir sind ganz schnell wieder beim Stichwort Männergespräch.

      Und ja, wir sprechen noch immer über die profane Gesellschaft, fernab von Pfarrhäusern, theologischen Lehranstalten

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