Wer mutig ist, der kennt die Angst. Johannes Czwalina

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Wer mutig ist, der kennt die Angst - Johannes Czwalina

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schlagen: Im Lateinischen finden wir für Mut das Wort animus. Animus kann Mut heißen, bedeutet aber ähnlich wie im französischen Ursprung auch Sinn, Geist, Gesinnung, analog zu anima sogar Seele. Wer von einem anmutigen jungen Mädchen spricht, denkt nicht an Waffengeklirr, sondern an ein Wesen, das ihn »anmutet«, das mit seiner Seele an seine eigene rührt. Wir bekommen bereits bei der Begriffserklärung des Wortes Mut ein Gespür dafür, dass wir es mit einem »gefüllten« Begriff zu tun haben, so als ob in ihm die Seele einer ganzen Menschheitsgeschichte verborgen liegt, und wenn wir uns gemeinsam die Zeit nehmen, dieses Wort Mut lange genug auf uns einwirken zu lassen, könnte es uns wie in einem Märchen gehen, in dem die Bilder und Figuren plötzlich anfangen, sich zu bewegen und zu sprechen. Dann profitieren wir gemeinsam von dem Erfahrungswert einer Menschheit, die mehr Herausforderungen in Kriegen und Leid und Entbehrung erfahren musste als in den wenigen Zeiten des Friedens und der die Herausforderung zum Mut in all seinen Schattierungen keinen Moment ihrer Geschichte erspart blieb.

      Lassen Sie uns noch einen Augenblick bei dieser breit gefächerten Wahrnehmung des Wortes Mut bleiben, welche sich uns besonders in seinem lateinischen Ursprung und in seiner Zusammensetzung mit anderen Silben erschließt: Wir reden beispielsweise von einem heiteren, einfachen, lebhaften »Gemüt«. Gemüt ist der umfassendere Begriff; das althochdeutsche Wort »muot« wurde in diesem Sinne verstanden. Die Schwermut weist auf eine düstere Gemütslage hin. Bei Großmut denken wir an einen Menschen, der alle an sein großes Herz nimmt, der beschenken und verzeihen kann. Der Freimütige hat sein Herz auf der Zunge, der Mutwillige tut des Guten zu viel und riskiert dadurch Ärger – das kann eine Zumutung werden. Der Hochmütige, wie ich später noch erläutern werde, kann durchaus ein Feigling sein, doch wird er diesen Mangel an Mut niemals zugeben können, denn er hält sich für besser als andere. Der Unmutige kann sonst ein mutiger Mensch sein, ist jedoch vorübergehend schlechter Stimmung. Gleichmut kann eine gute Haltung sein, grenzt aber oft an Gleichgültigkeit: Wessen Herz nicht bewegt ist, kann leichter seine Ruhe bewahren. Ein Übermütiger weiß nicht, wohin mit seiner überschüssigen Energie. Er kennt nicht das Maß, und seine Hochstimmung kann schnell umschlagen.

      Bleibt neben Frohmut und Langmut noch die Demut. Demut begegnet uns etymologisch erstmals in Form der »diemout« oder Dien-Mut im Sinne einer dienenden Gesinnung oder Grundhaltung. Dass diese im direkten Gegensatz zum Hochmut steht, der bekannterweise vor dem Fall kommt, bedarf kaum der Erläuterung. Bescheidenheit als gelebte Demut hat insbesondere den Mut, mit sich selbst redlich und aufrichtig umzugehen, zu den eigenen Schwächen und Fehlern zu stehen und sie damit auch dem Anderen, dem Nächsten, dem Mitarbeiter zuzugestehen. Demut ist eine Tugend, welche an Beliebtheit viel verloren hat. In den geistlichen Orden allerdings wird sie hochgehalten, zusammen mit der Armut. Armut hat zwar sprachlich nichts mit Mut zu tun. Keiner jedoch wird bestreiten, dass das Ertragen der Armut sowohl des Mutes als auch der Demut bedarf.

      Vergessen wir nicht die Sanftmut, die durchaus ein Gesicht des Mutes ist. Eine chinesische Lehre, die aus einer Zeit jahrelanger Kriegsnöte herauswuchs, sagt: »Dass das Schwache das Starke besiegt, dass das Weiche das Harte besiegt, weiß jedermann auf Erden, aber niemand vermag danach zu handeln.«5

       Zivilcourage ist die altruistische Seite von Mut

      Während Mut sich entweder auf die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse oder auf die Erfüllung von Bedürfnissen anderer beziehen kann, bezieht sich Zivilcourage immer nur auf die Bedürfnisse anderer. Zivilcourage ist sozialer Mut. Sozial mutig handeln heißt, sich freiwillig, sichtbar und aktiv für die legitimen Interessen anderer Menschen oder für allgemeine humane und demokratische Werte einzusetzen.

      Zivilcourage bezeichnet ein »mutiges Verhalten, mit dem jemand seinen Unmut über etwas zum Ausdruck bringt ohne Rücksicht auf mögliche Nachteile oder eventuelle Folgen gegenüber Obrigkeiten, Vorgesetzten«.6

       Zivilcourage ist sozialer Mut. Sozial mutig handeln heißt, freiwillig, sichtbar und aktiv für allgemeine humane und demokratische Werte, für die legitimen Interessen vor allem anderer Menschen, einzutreten.

      Zivilcourage ist eine Eigenschaft im Umgang mit anderen, denen man sich öffnet und aussetzt. Sie bedeutet das Wissen um die Verantwortung nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch gegenüber der Gemeinschaft und Gesellschaft. Zivilcourage ist ein Handeln, das auf Mut, Gemeinsinn und Orientierungsvermögen zugleich beruht.7

      Da wir nicht nur Unterschiedlichkeit, sondern auch Gleichheit in der Bedeutung von Mut und Zivilcourage feststellen, werden wir beide Begriffe in diesem Buch synonym zur Anwendung bringen. Aus dem Kontext wird die jeweilige Bedeutung klar hervorgehen.

       Zivilcourage ist Stärke

      Fortitudo ist eine der vier Kardinaltugenden (Prudentia, Temperantia, Fortitudo und Justitia), die sich im Laufe der abendländischen Geschichte unter den sieben Grundtugenden als besonders relevante und zeitlose Werte herauskristallisiert haben. Fortitudo bedeutet Entscheidungsstärke, Mut, Zivilcourage. Der Gegensatz von Fortitudo ist Inconstantia, was so viel bedeutet wie Unentschiedenheit oder Wankelmut.

      Aristoteles bezeichnete Mut als eine Tugend. Tugenden liegen nach dem Philosophen in der Mitte zwischen zwei Extremen. Mut liegt zwischen den beiden Extremen Feigheit und Leichtsinn. Der Mutige kann die beiden Extreme ausbalancieren. Mut oder Zivilcourage ist die aktive Balance zwischen Feigheit und Leichtsinn.

      Zivilcourage ist in Friedenszeiten das, was in Ausnahmezeiten Widerstand ist

      Dem Mut des Einzelnen in einer zivilen, bürgerlichen Gesellschaft entspricht die Gehorsamsverweigerung bis zum Widerstand in einer Gesellschaft, die überwiegend auf Befehl und Gefügigkeit setzt. Zivilcourage für eine Zivilgesellschaft ist also das Pendant zu dem, was in einer autoritären Gesellschaft Widerstand bedeutet. Sie ist die demokratische Tugend eines Bürgermuts, die durch ständige Übung, bei gleichzeitiger, schrittweiser Überwindung der Angst und des Konformismus, entsteht.8 Nur wenn Zivilcourage im Alltag eingeübt wird, kann der Widerstand im Ausnahmefall funktionieren.

       Nur wenn Zivilcourage im Alltag eingeübt wird, kann der Widerstand im Ausnahmefall funktionieren.

      Dennoch kann man eine Haltung des Mutes in Friedenszeiten nur sehr bedingt mit dem Widerstand in Diktaturen vergleichen. Die Schwägerin von Dietrich Bonhoeffer schreibt in ihren Memoiren zu Recht: »Wenn heute bei uns im Westen von Widerstand gegen Nachrüstung im Vergleich mit Widerstand gegen Hitler gesprochen wird, so ist der Vergleich so unmöglich wie ein Vergleich zwischen Apfel und Stuhlbein.«

       Zivilcourage ist Überwindung von Angst

      Zivilcourage ist eine Handlung, die sich von der normalen Handlungsweise abhebt und die eigenen Grenzen überwindet. Darum spielt bei praktizierter Zivilcourage auch immer die Überwindung von Angst eine Rolle. Angst ist eine individuell unterschiedlich geartete Grenze, die vor gefahrvollen Handlungen schützen kann. Zivilcourage geschieht in der Auseinandersetzung mit der Angst. »Hier tut ein Mensch, was er zu tun hat – trotz aller persönlichen Folgen, trotz aller Hindernisse, Gefahren und Drohungen.«9

       Zivilcourage ist eine minoritäre Überzeugung

      Zivilcourage ist das Entstehen einer individuellen, im Verhältnis zum Zeitgeist minoritären Überzeugung. Weil am Anfang einzelne Bürger ihre Überzeugung bekannten, wurden später durch den Mut Einzelner viele bewegt und dadurch grundlegende Veränderungen bewirkt.

      Zivilcourage orientiert sich an menschlichen Grundwerten und am persönlichen Gewissen.

       Zivilcourage ist das Gesicht der Authentizität

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