Luther – Steckbrief eines Überzeugungstäters. Christoph Türcke
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Allein durch Gnade; allein die Schrift; das Abendmahl in beiderlei Gestalt; das Priestertum aller Gläubigen; der Appell an die weltliche Macht, die Ordnung der geistlichen wiederherzustellen: das sind die fünf Wahrzeichen der Lutherschen Reformation. Doch Luther hat keines davon erfunden. Sie waren allesamt schon vorher da. Ihn selbst störte das nicht. Er verstand sich nicht als Erfinder. Patentamt und Urheberrecht waren keine Kategorien seiner Epoche. Um so größer ist das Ärgernis für Lutheraner. Der reformatorische Durchbruch soll nicht die originäre Tat eines religiösen Genies, sondern mit lauter fremden Federn geschmückt gewesen sein? Wie wehrt man sich dagegen? Ganz einfach. Jene kühnen Geister, die längst Einsichten hatten, zu denen dann auch Luther kam, erklärt man zu seinen Vorläufern. Sie sollen für ihn etwas ähnliches gewesen sein wie Johannes der Täufer für Jesus: Wegbereiter. So hatte schon das Markusevangelium die Dinge gedreht. Jener Bußprediger und Täufer, dessen Jünger der historische Jesus gewesen war und von dem er sich, wie alle andern, »zur Vergebung der Sünden« in den Jordan hatte tauchen lassen, wird zu Jesu Herold umgedeutet, der nichts im Sinne hatte als ihn anzukündigen und auf ihn vorzubereiten. »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige richtig.«14
Ähnlich nimmt die lutheranische Weltsicht die gegen den mittelalterlichen Klerus gerichteten Armutsbewegungen, die radikalen Vertreter der deutschen Mystik und die Reformatoren Englands und Böhmens wahr: als Herolde, die den Weg Luthers bereitet haben. So kühn und bahnbrechend sie sich auch geäußert haben mögen – sie haben lediglich anklingen lassen, was erst ihm auszuführen vorbehalten war. Wie aber, wenn es gerade umgekehrt wäre: daß sie die eigentlichen Bahnbrecher waren und dafür in vielen Fällen mit Verfolgung und Tod bezahlten, während Luther nur als ein später Nachfahre und Nutznießer ihres Martyriums, sozusagen als »ungebratener Lorenz«15, das ungeheure Glück hatte, bereits geebnete Wege gehen zu dürfen, Gedanken, an die sich die Zeitgenossen in einem gewissen Maße gewöhnt hatten, lediglich mit neuem Nachdruck formulieren zu können, und eine überaus günstige historische Konstellation vorzufinden, in der sie schließlich zündeten? Wyclif und Hus als die authentischen Reformatoren, Luther als ihr Megaphon? Undenkbar fürs Luthertum. Es kann Reformation gar nicht anders als in den Koordinaten der Wegbereiter-Theorie wahrnehmen. Ja, diese Theorie ist weit über das konfessionelle Luthertum hinaus wirksam geworden. Das Mittelalter, die Neuzeit, die Reformation als Scheide zwischen beiden und Luther als der Reformator: ohne dieses Begriffskonstrukt kann man sich im Geschichtsepochendiskurs überhaupt nicht mehr verständlich machen. Die Umbrüche im Jahrhundert vor Luther sind damit automatisch als vorreformatorisch definiert. Sie werden von einer Grundeinstellung aus wahrgenommen, die Walter Benjamin als »Einfühlung in den Sieger«16 bezeichnet hat. Die »eigentliche« Reformation ist erst die, die sich durchgesetzt hat. The winner takes it all.
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