Zeitschrift für kritische Theorie / Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 40/41. Hanno Plass
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Zeitschrift für kritische Theorie / Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 40/41 - Hanno Plass страница 12
6. Begriffstranszendenz durch Konfigurationsbildung
Adorno benutzt zwar den Terminus Konstellationsbildung, für eine sprachtheoretisch-rhetorisch reklamierte Begriffstranszendenz wird hier jedoch der Terminus Konfigurationsbildung gewählt. Figurationsbildung meint jetzt die begrifflichen Konstellationen durch Begriffstranszendenz. Zudem weist der Terminus Konfigurationsbildung nachdrücklich auf »das rhetorische Moment« hin, das Adorno, »entgegen der vulgären Ansicht«, für das dialektische Denken »kritisch zu erretten«71 trachtet.
Wir müssen nicht nochmals im Einzelnen auf die gängigen Lesarten des Konstellationsbegriffs bei Adorno eingehen. Festzuhalten bleibt, dass der Gebrauch dieses Begriffs eine gewisse Bedeutungsinkonsistenz aufweist. Federführend wird er dafür exponiert, dass die begriffliche Konstellation den Erkenntniszugang zum Singulären, zum Besonderen ermöglicht: gleichsam ein Universalschlüssel, besser noch eine »Nummernkombination«72, die »das Spezifische des Gegenstandes [belichtet], das dem klassifikatorischen Verfahren gleichgültig ist«73. Der Konstellationsbegriff fungiert als eine ›repräsentative Modellanordnung‹ für die Sache, die der Begriff zwar meint, die aber erst durch seine Begriffskonstellation erreichbar ist. Nicht umsonst formuliert Adorno, dass die Konstellation »von außen«, dasjenige repräsentiert, »was der Begriff im Innern weggeschnitten hat«74. Die Hypothek, die dieser Konstellationsbegriff auf sich nimmt, besteht darin, dass die Konstellation erkenntnistheoretisch ersetzen soll, was der klassifikatorische Begriff nicht einlöst: Die Besonderheit der Sache, die Singularität des Objekts erfahrbar zu machen.75 Nicht, dass die Sache selbst sich durch die Konstellation direkt abbilden würde – ein Gedanke, den Adorno gänzlich von sich weisen würde. Doch steht die Herstellung einer reflexiven Versuchsanordnung, also die Konstellationsbildung, ganz im Zeichen einer Aufschlüsselung dessen, was die Sache selbst ist. Anders ausgedrückt: Die durch den Begriff verursachte Abspaltung des sinnlich Materiellen soll durch die Konstellationsbildung rückgängig gemacht werden. Die für den Konstellationsbegriff leitenden Topoi sind deshalb auch bezeichnend: ›Vorrang des Objekts‹ und ›materialistischer Erfahrungsbezug‹.
Der Konstellationsbegriff wird somit systematisch und begründungstheoretisch in die vorausgesetzte Dialektik von Subjekt und Objekt zurückgebunden, und zwar so, dass sie erkenntniskritisch die Präsupposition des erkennenden Subjekts zugunsten eines Widerspruchscharakters des Objekts zurücknimmt. Der Konstellationsbegriff ist fundiert in einer rein erkenntnistheoretischen Kritik, die weniger sprachtheoretischer denn bewusstseinstheoretischer Natur ist. Das Begriffstranszendierende, das Nichtidentische oder auch Begriffslose wird als ein eigentlich sprachlich Immanentes, dadurch nicht mehr ausreichend, reklamierbar. Der Konstellationsbegriff wird auf eine reine referentielle Bezugnahme auf ein Erkenntnisobjekt ausgerichtet. Dies heißt aber, dass das Phantasma einer Objektrepräsentation, auch wenn sie nur modellhaft sprachlich sich darstellt, weiterhin gewahrt bleibt; was im Kern einem Repräsentationsdenken folgt. Das Versprechen der Konstellationsbildung lautete: Indem sich das Objekt »einer monadologischen Insistenz« öffnet, besteht »die Möglichkeit zur Versenkung ins Innere«; die jedoch »bedarf des Äußeren«76, also dessen, was durch Begriffe von ihm getrennt wird. Trügerisch ist diese konstellativ verfahrende Objektöffnung allemal, denn sie verlangt ein »Kommunizieren mit dem, wovon der Begriff es trennte«77. Dabei soll doch die Konstellation den »Begriff umkreisen, den er [der theoretische Gedanke, T. J.] öffnen möchte«78. Wenn die Konstellationsbildung nicht an das Objekt adressiert ist, sondern – wie Adorno sagt – einzig »lesbar als Zeichen der Objektivität: des geistigen Gehalts«79, dann erlaubt sie, worin sich der geistige Gehalt von Begriffen austobt: die philosophische Darstellung dessen, was die fixierten Begriffe verflüssigt, worauf sie in ihrem sprachlichem Mehrgehalt anspielen, wenn sie aus ihrem klassifikatorischen Identitätszwang befreit sind.
Der Konstellationsbegriff bei Adorno wird ein anderer, wenn er die konfigurative Kraft entbindet, die den Begriffen innewohnt und die die Begriffe über sich ›hinausgelangen‹ lässt. Diese andere Bestimmung des Konstellationsbegriffs geht einher mit dem, was Adorno in Analogie zum musikalischen Komponieren angeführt hat: Es gewinnt seine Objektivität durch einen musikästhetischen Zusammenhang, in dem einzelne Töne zu einem Gesamtwerk werden. Man muss noch einmal zurückgehen auf das, was Adorno früh schon in seiner Studie zu Kierkegaard als den Grundgedanken der philosophischen Konstellationsbildung vorwegnahm: »Kunstwerke gehorchen nicht der Macht der Allgemeinheit von Ideen. Ihr Zentrum ist das Zeitliche und Besondere, auf welches hin sie als dessen Figur sich ausrichten: was sie mehr bedeuten, bedeuten sie einzig in der Figur«80. Konstellationsbildung muss man in diesem Sinne begreifen: als Figuration, die sich durch sprachkreatives Konfigurieren von Begriffstranszendenzen herausbildet.
Diese etwas andere Bestimmung des Konstellationsbegriffs bei Adorno kann man auch an seiner Adaption des Terminus Konstellation festmachen, wie er von Benjamin in Analogie zur Sternenkunde beschrieben wurde, derzufolge Sternenkonstellationen eine Figuration am Himmel bilden, die als Sternenbilder bezeichnet werden. Diese sind aber Gestaltungen, die mit der Materialität der Sterne und den Prozessen ihrer Kreisbahnen nicht zu identifizieren sind. Als Bilder stellen sie eine konfigurative Anordnung von Einzelsternen da, die niemals durch diese selber erzeugt werden können; erst ihre internen Verweisungsbezüge stiften jenes Sternenbild, das sich als Kompositionsbildung am Himmel sprachlich benennen lässt. Übertragen heißt dies: Konfigurationsbildungen sind herstellbar aus den gegenseitigen Verweisungen von begrifflichen Transzendierungen. Diese stammen aus den semantischen Feldern der einst designativ verwendeten Begriffe. Negativ formuliert lautet dies: Die Begriffe sind nicht mehr die, die sie denotativ bedeuten. Ihre semantischen Transzendierungen verhalten sich zu diesen wie das Andere ihrer selbst. Die Konfigurationsbildung ist dann das Auffinden und Anordnen ihrer internen semantischen Verweisungszusammenhänge, nachdem die Begriffe in ihrer Bedeutung transzendiert worden sind.
Vergleicht man die beiden Bestimmungen des Konstellationsbegriffs bei Adorno, so kann als Fazit gelten: Die erste Bestimmung ist die der konstellativen Anordnung, in der das Denken und die Objekterfahrung in der Art und Weise einer begrifflichen Konstellation ausgedrückt werden. In dieser Konstellation soll die »Spur der Bestimmtheit der Objekte an sich«81 ansichtig werden. Ihre Sachlichkeit bleibt durch das »Einzelmoment in seinem immanenten Zusammenhang mit anderen gewahr[t]«82. Die zweite Bestimmung ist die der begrifflichen Transzendenz, und zwar so: »daß der Begriff den Begriff, das Zurüstende und Abschneidende übersteigen und dadurch ans Begriffslose heranreichen könne«83. Konstellativ wird gebildet, was sich durch begriffliche Transzendierungen als kohärente Figurationen sprachlich-rhetorisch finden bzw. erzeugen lässt. Rhetorisch übersetzt bedeutet dies: ›Inventio‹, also Auffinden, und ›Dispositio‹, also Anordnung, sind gleichermaßen Akte der Konfigurationsbildung. Beide bilden kein Seiendes ab, sondern fügen dem »Rätsel des Seienden«84 eine weitere philosophische, textuelle Deutungsmöglichkeit zu.
Wie ist nun die Konfigurationsbildung im Einzelnen zu verstehen bzw. zu erklären? Zunächst ist der philosophische Begriff von seiner designativen Bezeichnungsfunktion zu lösen. Begriffstheoretisch