Stoner McTavish. Sarah Dreher
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Читать онлайн книгу Stoner McTavish - Sarah Dreher страница 13
»Wie hast du das herausgefunden?«
»Ich hab heut Morgen mit Mrs. Burton gesprochen. Sie übernimmt die Kosten und hat eine kleine zusätzliche Entschädigung für deine Mühe angeboten. Sie hat einen schrecklichen Kater.«
Stoner sackte gegen den Schreibtisch. »Ihr habt euch gegen mich verschworen!«
Marylou hörte auf, in ihren Papieren zu kramen. »Gegen dich verschworen?«
»Du und Tante Hermione«, sagte Stoner wütend. »Ich bin drauf und dran, es doch nicht zu machen!«
»Ich wollte nicht …«
»Ach, vergiss es, Marylou. Du willst nie.« Sie setzte sich hin und wühlte erbost in einer Schreibtischschublade. »Verdammt, wo sind die Amtrak-Tickets für die Jessemys hin?«
Marylou kam zu ihr herüber. »Stoner, es tut mir so leid. Wirklich.«
Stoner verschränkte die Arme und starrte geradeaus. Ihr Mund war ein schmaler Strich. »Es könnte gefährlich sein, das weißt du.«
»Ich war gedankenlos.«
Stoner brummte in sich hinein.
»Du hast das Bild doch behalten, oder?«, fragte Marylou zaghaft.
»Ja, ich hab das Bild behalten.«
»Na ja …« Marylou zuckte die Achseln und malte mit der Fingerspitze verlegen kleine Kreise auf die Tischplatte.
Stoner schmolz. »Schon gut.« Sie blätterte die Flugkarten durch und setzte sich plötzlich kerzengerade auf. »Marylou, es sind keine Rückflugtickets dabei!«
»Ich wusste nicht genau, wann du zurückkommst.«
Stoner lachte. »Einen Moment lang dachte ich, du rechnest nicht damit, dass ich überhaupt wiederkomme.«
Marylou sah sie an. »Du hast Angst.«
»Darauf kannst du Gift nehmen.«
»Was soll dir denn passieren?«
Gereizt fegte sich Stoner die Haare aus dem Gesicht. »Rein theoretisch fahre ich da raus, um einen Mord zu vereiteln. Was also, glaubst du, kann mir passieren?«
»Tante Hermione muss doch wissen, dass alles gut wird.«
»Tante Hermione macht keine Sitzungen für Familienmitglieder oder sehr enge Freunde.«
»Oh«, sagte Marylou. Dann hellte sich ihre Miene wieder auf. »Besorg dir einen Revolver!«
»Mit einem Revolver kann ich nicht umgehen.«
»Das ist leicht. Du musst einfach an diesem kleinen Dings, das unten dranhängt … Nein?«
»Marylou, ich werde nicht mit einer Kanone durch Wyoming spazieren.«
»Warum denn nicht, das tun doch alle dort!«
Stoner stöhnte. »Nur im Film.«
»Also gut, was soll’s? Wahrscheinlich hat Mrs. Burton sich sowieso alles bloß eingebildet.«
»Hoffentlich.«
»Schreibst du mir?«
»Jeden Tag.«
Marylou nahm sie in den Arm. »Hey, die Veränderung wird dir guttun. Und denk nur an all die Schönheit …«
»Ich weiß«, sagte Stoner. »Ich wollte schon immer gern die Tetons sehen.«
»Eigentlich meinte ich nicht die Berge«, sagte Marylou.
Kapitel 3
Ihr erster Blick auf den Mittelwesten aus zehntausend Meter Höhe überzeugte Stoner von den Vorzügen einer Flugreise. Weit unten erstreckten sich Meile um Meile gleichmäßige, gelbbraune Vierecke, deren Symmetrie durch schnurgerade Straßen verstärkt wurde. Gelegentlich tauchte ein vereinzeltes Farmhaus auf, von Bäumen umgeben, geduckt und einsam, wie ein verlorengegangener Zugvogel, vom Sturm über das weite Meer getrieben. Ein Traktor kroch wie ein Käfer über ein Feld. Er würde mindestens zwei Tage brauchen, um es zu überqueren.
Andererseits würde sie ein Auto mit etwas ausstatten, was sie, seit das Flugzeug Boston verlassen hatte, schon mehrmals vermisst hatte – mit der Möglichkeit umzukehren. Nur eiserne Disziplin, Selbstverleugnung und ein doppelter Manhattan hatten sie davor bewahrt, sich bereits in Chicago mit dem nächsten Flug Richtung Osten aus dem Staub zu machen. Stoner lehnte den Kopf an die Rückenlehne und starrte auf das Ende der Tragfläche. Der Himmel wurde ein wenig dunkler, verblich gegen den westlichen Horizont. Eine kleine Wolke schwebte am Fenster vorbei.
Die Städte östlich des Mississippi schmiegten sich an die Erdkrümmung. Sie spürte auf einmal Neugier und Erregung. Das waren die großen Prärien dort unten, die Heimat der inzwischen verschwundenen Büffelherden, der Güterzüge, der Arapahoe-Indianer, des Pony Express, der Siedlertrecks und der Sandstürme. Die Pioniere zogen los, um sie zu durchqueren, ohne zu wissen, was auf der anderen Seite lag – oder ob es überhaupt eine andere Seite gab. Männer wurden in die Gewalttätigkeit getrieben und Frauen in den Wahnsinn, von der Einsamkeit, der Ungewissheit und dem Wind. Dieses Leben war unvorstellbar, bis heute. Es müssen Dutzende von Meilen zwischen den Farmhäusern liegen. Die Farmerinnen verbringen Tage, wenn nicht Wochen, ohne das Gesicht einer anderen Frau zu sehen. Sie putzen, kochen, bauen Gemüse an und sehen fern. Tag für Tag, ein ganzes Leben lang. Was kannst du tun, wenn du einsam bist? Was kannst du tun, wenn dich dein Ehemann misshandelt? Was, um alles in der Welt, kannst du tun, wenn du lesbisch bist? Klar, du würdest wahrscheinlich in allen Fällen das Gleiche tun – abhauen, wenn es geht. Und wenn es nicht geht, die Zähne zusammenbeißen, versuchen, nichts zu fühlen, und wie verrückt darauf hoffen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt – oder nach Nebraska, was auch immer zuerst kommt.
Die Stewardess beugte sich über sie und unterbrach ihre Träumerei. »Wir landen in zehn Minuten, Miss Mc Tavish.«
»Ms.«, sagte Stoner automatisch.
In der Ferne konnte sie die vorderste Reihe der Rockies sehen, eine dünne, malvenfarbene Linie zerklüfteter Felsen. Das Flugzeug ruckte etwas, die Triebwerke verlangsamten. Die Berge kamen näher und wuchsen gleichzeitig in die Höhe. Die scharfen Spitzen zerfransten den lavendelfarbenen Himmel. Die winzigen diamantenen Lichter von Denver blinkten durch den dünnen Nebel. Stoner spürte einen Kloß im Hals, sie war im Westen.
***
Der kleine zweimotorige Frontier-Airlines-Flieger hüpfte und sackte in den Luftströmungen, als gäbe es Schlaglöcher im Himmel. Stoner blickte sich flüchtig nach den anderen Passagieren um und fühlte sich etwas fehl am Platz in ihrer östlichen Kleidung. Waren auf der Route nach Denver hauptsächlich noch Geschäftsanzüge und Freizeitkleider geflogen, so bevorzugten die Einheimischen eindeutig Jeans und karierte Holzfällerhemden. Sie landeten kurz in Laramie zwischen und lieferten ein paar Absolventen fürs Ferienseminar ab, dann starteten sie Richtung Nordwesten. Der Himmel leuchtete noch im Westen, verdunkelte sich