Stoner McTavish. Sarah Dreher

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Stoner McTavish - Sarah Dreher

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ihnen lagen schneebedeckte Berge. »Gletscher.«

      Es war ein Mann mittleren Alters in Polyester-Jeans und spitzen Cowboy-Stiefeln. Eine unauffällig wirkende Person. Es waren die ersten Worte, die er nach über einer Stunde von sich gab.

      »Mir fiel auf, dass es keinen Sonnenuntergang gab«, sagte Stoner. »Ist das hier immer so?«

      Er nickte. »Einöde.«

      »Kommen Sie aus Jackson?«

      »Moos. Fisch- und Wildbestand. Wapiti.«

      »Moos, Fisch- und Wildbestand und Wapiti?«

      »Forstbeamter«, grunzte er. »Lebe in Moos.«

      »Wapiti?«, fragte Stoner vorsichtig tastend.

      »Erforsche die Wapiti. Elche. Sind aber keine, sondern Wapiti.«

      »Oh«, sagte Stoner. Sie erinnerte sich vage, irgendetwas über das nationale ›Naturschutzgebiet für Elche‹ gelesen zu haben.

      »Sehen aus wie Elche«, sagte der Mann. »Sind aber keine.«

      »Wapiti«, sagte Stoner.

      Er grunzte auf eine zufriedene Art und musterte ihre Kleidung. »Touristin?«

      Stoner schüttelte den Kopf. »Ich bin … geschäftlich hier.«

      »Gut. Zu viel verdammte Touristen. Regierung?«

      »Nein, ich bin von einem …«, sie zögerte, »… Reisebüro. In Boston?«, beendete sie den Satz hoffnungsvoll.

      »Verdammte Touristen.«

      »Nein«, sagte Stoner eindringlich. »Ich bin keine Touristin.«

      »Aber Sie leben von ihnen.«

      »Aber ich mag sie nicht.«

      »Sie sollten von etwas leben, was Sie mögen.«

      »Na ja, einige mag ich. Nur die nicht, die glauben, die ganze Welt sei ihre persönliche Spielwiese.«

      »’ne Menge davon, überall«, sagte Fisch- und Wildbestand.

      »Es gibt genügend Orte für sie.«

      »Zum Beispiel?«, fragte er.

      »Las Vegas, der größte Teil Floridas und Atlantic City.« Sie hatte den Eindruck, als ob er ein wenig lächelte, aber es konnte auch eine Halluzination gewesen sein.

      »Irgendwer ist immer hinter irgendetwas her in dieser Gegend«, maulte der Mann. »Hinter was sind Sie her?«

      »Ich will mich nur ein wenig umsehen«, sagte Stoner. »Dann empfehle ich diesen Ort nicht den falschen Leuten.«

      Fisch- und Wildbestand glotzte sie an. »Sie wollen sich die Gegend anschauen, um die Leute von hier fernzuhalten?«

      Stoner nickte eifrig.

      »Schräger Vogel«, sagte er. »Wollen Sie ’n Schluck?«

      Stoner schaute sich zum Heck des Flugzeuges um. Wenn es hier so etwas wie eine Küche gab, dann war sie bestenfalls dazu bestimmt, als drittklassige Postbeförderung zu dienen. »Werden auf diesem Flug Getränke serviert?«

      »Nix.« Er zog einen Flachmann aus seiner abgegriffenen Ledertasche, wischte die Öffnung mit seinem Ärmel ab und reichte ihn Stoner.

      Mit dem Gefühl, in irgendein heiliges Stammesritual eingeweiht zu werden, schickte Stoner ein kurzes Stoßgebet zu sonst wem, wer auch immer gerade zuhören mochte, und nahm einen herzhaften Schluck. Es war warmer Gin. Pur. »Vielen Dank«, japste sie.

      »Guter Stoff.« Er steckte den Flachmann wieder ein, ohne selbst einen Schluck zu nehmen.

      »In der Tat.« Etwas erstaunt stellte sie fest, dass es möglich war, unsichtbar zu erschauern. Irgendwie drückte der Gin auf die Backenzähne. »Sie trinken nichts?«

      »Macht mich kaputt.« Er seufzte und lehnte sich bequem zurück. »Bin seit fünf Jahren hier draußen. Vermutlich werden es weitere fünf. Sofern es das alles hier dann überhaupt noch gibt. Fallensteller, Zahnjäger, jetzt Touristen.«

      »Zahnjäger?«, fragte Stoner entsetzt.

      »Kommen hierher und wildern nach Wapiti-Zähnen. Wir nennen sie Zahnjäger. Töten die Tiere, reißen die Zähne raus, lassen den Rest liegen.«

      »Wozu?«

      »Schon mal was von den G.S.A.E. gehört?«

      Stoner nickte. »Elche«, sagte sie und versuchte wie eine Eingeweihte zu klingen.

      »›Größte Schweine Auf Erden‹, benutzen sie als Uhrenketten.«

      »Aber es sind keine Elche«, protestierte Stoner, »es sind Wapiti.«

      »Haben Hunderttausende getötet. Haben, verdammt noch mal, fast den gesamten Bestand ausgelöscht.«

      »Oh Gott«, sagte Stoner.

      »Gut, sind inzwischen unter Naturschutz gestellt. Jetzt sind’s die Touristen. Camping, Fahrradwege. Verdammtes Fitness-Zeugs. Ganze Städte aus dem Wald gestampft. Eigentumsapartments. Sehen Sie sich bloß dieses verdammte ›Teton Village‹ an. Schweizer Chalets, französische Restaurants. Die Leute kommen hierher nach Wyoming, um sich wie in Europa zu fühlen. Warum fahren sie dann nicht nach Europa?« Er starrte sie an. »Sagen Sie mir das.«

      »Ich weiß nicht«, murmelte Stoner.

      »Gut, sollten Sie es jemals rausbekommen, lassen Sie es mich wissen. Es würde mich wirklich interessieren«, seufzte er. »Jackson Hole ist heiliges Land für die Indianer. Kein Mensch weiß warum, aber sie übernachten hier nicht einmal. Einige erzählen, es seien so viele Stämme durch das Tal gezogen, dass sie sich darauf geeinigt haben, es von keinem in Besitz nehmen zu lassen, damit es keine Zänkereien gibt. Aber sie waren sowieso nicht die Leute, die irgendwo Land in Besitz genommen hätten. Schätze, sie glaubten, der Große Geist wache über die Berge. Sie werden ja sehen, ob es Ihnen nicht auch so vorkommt. Aber Sie werden es niemals schaffen, einen verdammten Touristen dahin zu kriegen, das zu schlucken.«

      Stoner fühlte sich immer deprimierter.

      »Profit«, fügte ihr Begleiter mürrisch hinzu. »Spekulanten bestimmen den Lauf der Dinge in Jackson Hole. Kaufen ein paar Acker Land mit Aussicht, verschicken ein paar Hochglanzbroschüren, lehnen sich zurück und räkeln sich im Profit.«

      »Warum verkauft ihnen überhaupt irgendwer das Land?«, fragte Stoner.

      »Der einzige Weg, hier draußen etwas mehr vom Leben abzubekommen, ist, außer zu töpfern oder Schmuck zu verkaufen, die Viehzucht. Harte Arbeit, Liebeskummer, Mühsal, Konkurs – Viehzüchters Lebensrhythmus.«

      Um die Wolke voller Trübsal, die über ihr schwebte, zu vertreiben, schaute Stoner aus dem Fenster. Die Berge lagen hinter ihnen. Sie waren wieder über flachem Land. Sand und Steppe glühten in der hereinbrechenden Dunkelheit. Die Aussicht wurde

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