Stoner McTavish. Sarah Dreher

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Stoner McTavish - Sarah Dreher

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ein. »Das werdet ihr im Osten nie verstehen. Ihr habt mehr Regen in zwei Monaten, als wir in einem ganzen Jahr zu sehen bekommen. Ihr müsstet ohne Wasser sein, um es schätzen zu können.«

      Das war wohl wahr. In New England kam das Wasser herunter, floss ab, gefror, schmolz, hing in der Luft, setzte den Keller unter Wasser oder vernebelte die Hügel. Es machte deine Haare strähnig, deine Kleider muffig, dein Brot schimmelig und deinen Garten kaputt. Es überflutete deinen Vergaser, machte dir Flecken an die Wände und brachte dich dazu, dir die albernsten Klamotten anzuziehen.

      »Ihr habt zu viel Grünzeug«, fuhr er fort. »Verbringt euer halbes Leben damit, Gräser zu züchten und Unkraut zu jäten. Hier draußen ist der Trick, überhaupt etwas zum Wachsen zu bringen. Wir haben Pflanzen und Bäume in einer gewachsenen Schönheit, wie ihr sie niemals hinkriegen werdet. Aber es dauert da unten in der Prärie fünfzig Jahre, die Steppe fruchtbar zu machen. Und dann ist es noch nicht einmal besonders viel wert.«

      »Das tut mir leid«, sagte Stoner unangebrachterweise.

      »Also sind wir nicht besonders freundlich zu Leuten, die herkommen, nicht darauf achten, wo sie hintreten, an Bäumen rumschnitzen, alles zugrunde richten und töten. Und es Spaß nennen.« Er sah sie flüchtig an. »Sprechen Sie mal mit der Forstverwaltung, die sagt Ihnen das Gleiche. Wir bemühen uns, ein Stückchen hier und drei Stückchen da zu schützen. Aber wir verlieren. Wir zögern es ein wenig hinaus, aber früher oder später werden sie alles niedergemacht haben.«

      »Es muss doch noch ein bisschen Hoffnung geben«, sagte Stoner verzweifelt.

      »Na ja, sie haben Jackson Hole zum Naturschutzgebiet erklärt. Immerhin etwas. Zumindest so lange, bis diese Frackärsche in Washington ihre Meinung ändern und das ganze verdammte Ding hier an Spekulanten verkaufen. Da sind sie!«

      Stoner wirbelte herum, in der Erwartung, dass sich im Gang ein Trupp Spekulanten und Gesetzgeber formierte. »Wer?«

      »Die Tetons.«

      In der Dunkelheit konnte sie gerade noch die Landebahn ausmachen und dahinter die harten, schwarzen Schatten der Berge. Im Norden blitzte ein Fluss im silbernen Mondlicht. Jackson lag am Südende der dunklen Ebene von Jackson Hole. »Wozu gehören die?«, fragte sie und zeigte auf eine vereinsamte Ansammlung von Lichtpunkten.

      »Ein paar Häuschen«, sagte der Mann. Er blickte sich um, um sich zu orientieren. »Signal Mountain vielleicht. Am Jackson Lake.«

      Stoner kniff die Augen zusammen und erblickte ein sich wie Quecksilber ausbreitendes Wasser. Weiter nördlich leuchteten ein paar Lichter in der Dunkelheit.

      »Jackson Lake Lodge«, bemerkte ihr Begleiter.

      »Heißt hier draußen alles Jackson?«

      »Fast alles. Jackson war einer der ersten Trapper hier. Legte seine Fallen in der ganzen Gegend um den Snake River.«

      »Kann man Timberline Lodge von hier aus sehen?«

      Er schüttelte den Kopf. »Es liegt in den Wäldern am Fuße des Teewinot. Wollen Sie dahin?«

      »Ja.«

      »Es wird von Ted und Stell Perkins geleitet. Nette Leute. Von Ted werden Sie nicht viel zu sehen bekommen. Er ist immer unterwegs. Stell führt eine der besten Küchen im Park.«

      »Französisch?«, entfuhr es Stoner.

      Fisch- und Wildbestand lachte. Etwas, wozu Stoner ihn bisher für unfähig gehalten hatte. »Stell würde niemals etwas auf den Tisch stellen, dessen Namen sie nicht aussprechen kann.«

      Die beiden Orte zogen wie Ozeanriesen in einem Meer aus Dunkelheit und Mondlicht vorbei. Stoner fühlte, wie ihr Herz zu klopfen begann. Sie setzte sich aufrecht hin, stellte die Lehne ihres Sitzes gerade und versuchte, alles auf einmal mitzubekommen. Der Pilot ließ das Flugzeug in die Seitenlage gehen und begann seinen Anflug. Sie lehnte sich mit zitternden Händen zurück.

      »Sagen Sie«, fragte sie so ruhig wie möglich, »wie lässt sich diese Gegend am schnellsten erkunden?«

      »Touristen«, seufzte der Mann. »Immer in Eile.«

      »Bitte.«

      »Na ja, Bonneys Reiseführer ist ziemlich gut. Ist zwar seit 1972 nicht mehr neu aufgelegt worden, aber immer noch der beste. Sie werden ihn wohl beim Verein für Naturgeschichte bekommen und bei ähnlichen Stellen. Oder Sie besorgen ihn sich gleich bei der Ankunft in Moos. Wollen Sie irgendwohin ausreiten?«

      »Reiten?« Stoner schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst vor Pferden. Aber ich würde vielleicht gerne ein bisschen wandern.«

      »Kaufen Sie eine Wanderkarte, und gehen Sie niemals ohne sie irgendwohin. Halten Sie sich vom Hinterland fern. Gefährliches Gebiet da draußen. Der Höhenunterschied kann einem üble Streiche spielen.«

      Das Flugzeug setzte auf und kam spotzend zum Stehen.

      »Dieser Hurensohn hat das Ding heil runtergebracht«, sagte der Mann. »Ich schwöre bei Gott, eines Tages wird er im Granite Canyon bruchlanden.« Er zog einen Mantel aus der Gepäckablage. »Sie sollten sich lieber etwas überziehen. So, wie Sie angezogen sind, werden Sie sich den Hintern abfrieren. Angenehme Reise.« Er stakste durch den Korridor davon. »Touristen«, hörte Stoner ihn noch murmeln.

      Sie stand allein auf dem verlassenen Flugfeld und fühlte die schwerfälligen Tetons mehr, als dass sie sie vor sich sah. Im schwachen Licht des Halbmonds waren die Berge kaum zu erkennen, aber ihre Anwesenheit war deutlich zu spüren. Ein schwaches Funkeln markierte die Gletscher in den höheren Lagen, und sie konnte die zackigen, zahnartigen Gipfel ausmachen, als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Aber am stärksten beeindruckte sie die schwere, ruhige Unpersönlichkeit der Berge. Es gab etwas Geheimnisvolles um sie herum. Stoner fühlte, wie sich ihr Körper anspannte. Sie holte ihren Mietwagen ab und besorgte sich eine Karte vom Park. Tatsächlich schien es gar nicht so einfach, hier verloren zu gehen. Nur zwei größere Straßen zogen sich durch das Gebiet, der Rockefeller Highway im Osten und die Teton Park Road im Westen, mit einer kleinen Zufahrt zum Jenny Lake. Zwischen beiden Straßen erstreckten sich Baseline, Antilope Flats und der sich schlängelnde Snake River. Timberline Lodge lag am Ende von Lupine Meadows, das sich entlang des Cottonwood Creek an die Berge schmiegte.

      Ihre Beklommenheit löste sich, als sie nordwärts durch die ausgestorbene Nacht fuhr. Die Scheinwerfer des Wagens beleuchteten die Präriebüsche am Straßenrand. Ab und an blitzten winzige Augenpärchen auf und verschwanden wieder. Hölzerne Zäune, Xe aus rohen, jungen Baumstämmen, verbunden durch horizontal aufliegende Pfähle, säumten die Straße. Das war alles. Keine Bäume, keine anderen Autos, nur das Funzeln ihres Armaturenbretts und die Stille und die stumm daliegenden Berge. Die Nachtluft war frisch; sie fühlte sich ein wenig trunken, als sie einatmete. Fisch- und Wildbestand hatte recht. Sie wollte unbedingt alles auf einmal sehen. Das Mondlicht neckte sie mit Schattenspielen.

      Sie bog in den schmalen Seitenweg mit dem kleinen, unauffälligen Wegweiser ein. Timberline Lodge. Die holperige Brücke, die das Vieh am Ausbrechen hindern sollte, bebte, als sie sie überquerte, um auf den Parkplatz einzubiegen. Stoner war überrascht, dass die Lobby fast leer war, als sie die Eingangstür leise hinter sich zuzog. Die Wände waren aus roh behauenen lackierten Holzbohlen, die sich in den Ecken verzahnten. Die gesamte Lodge hatte die Form eines großen L. Direkt gegenüber der Eingangstür befand sich der Durchgang zu etwas, das nach einem Speiseraum aussah und sich, wie über dem Durchgangsbogen zu lesen stand, Highland Room nannte.

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