Stoner McTavish. Sarah Dreher

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Stoner McTavish - Sarah Dreher

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los und such mir eine aus, wie eine frische Zucchini. Man schreibt nicht einfach »Liebe« auf den Einkaufszettel und saust los zum nächsten Flirtkeller, Himmel noch mal! Ich habe kein Interesse, und damit gut. Das ist doch kein Film hier, das ist das Leben. Und im Leben gibt es ja wohl noch andere Dinge als nur Liebe.

      Nenne drei. Also gut, es gibt Arbeit. Sogar Freud hat das zugegeben. Liebe und Arbeit. Und es gibt … es gibt … es gibt … die Red Sox. Red Sox! Ich finde Baseball nicht mal amüsant! Der drohende nukleare Holocaust. Na also, das ist doch etwas, worin ich wirklich verstrickt werden könnte. Ha, es macht einen richtig froh, am Leben zu sein, wenn man daran denkt.

      Worein ich mich jetzt wirklich verstricken sollte, ist Linda Ronstadt in Tanglewood. Sechsunddreißig Telefonate? So schlimm kann es nicht werden. Nichts könnte so schlimm werden. Oder doch?

      ***

      »Jetzt reicht’s«, sagte Marylou mit Nachdruck. »Wir machen den Laden dicht für heute.«

      Stoner sah auf. »Wie spät ist es denn?«

      »Viertel nach drei.« Marylou schloss den Wachspapierdeckel der Schachtel ihrer Dreischicht-Biskuittorte mit dem Ausdruck der Endgültigkeit.

      »Das können wir nicht machen.«

      »Wir sind selbständig.«

      »Warum?« Stoner ging zu Marylous Schreibtisch hinüber und pappte den zugeklappten Deckel mit einem Stück Klebeband fest.

      »Weil wir mit niemand anders auskommen.« Marylou starrte die Schachtel an. »Herr im Himmel, du hast aber auch einen Perfektionstick.«

      »Warum machen wir zu?«

      »Du brütest. Das ist schlecht fürs Geschäft. Man erwartet von uns, dass wir hemmungslosen Spaß und die Romantik des Reisens in ferne Länder versprühen.«

      »Du kannst mir viel erzählen. Ich weiß nicht mal, wann du zum letzten Mal außerhalb der Stadt warst.«

      »1973 war ich oben am Kap.«

      »Unter Zwang.«

      »Nein, mit dem Bus.«

      »Du besuchst nicht mal deine Mutter, dabei sind es nur zwei Stunden bis Wellfleet.«

      »Reisen«, sagte Marylou bedeutungsvoll, »ist geschmacklos. Wenn du es schick findest, von Sandflöhen durchgekaut zu werden, besuch du doch meine Mutter.«

      »Du siehst deinen Vater von April bis Oktober nicht.«

      Marylou fegte die Krümel von ihrem Schreibtisch. Einige davon schafften es, im Papierkorb zu landen. »Max ist vollständig glücklich mit seinen Seealgen und seinen organischen Düngemitteln.«

      »Seealgen sind organische Düngemittel.« Stoner warf einen finsteren Blick auf die Krümeln am Boden. »Willst du sie da liegen lassen? Vielleicht locken sie Ratten an.«

      »Prima!«, rief Marylou. »Ratten wären angenehmere Gesellschaft als du.« Sie griff nach Stoners Hand. »Meine liebe alte Freundin«, sagte sie sanft, »du weißt, wie gern ich dich hab. Aber deine Launen sind grauenhaft.«

      Stoner ließ den Kopf hängen. »Tut mir leid.«

      »Was ist denn los mit dir?« Sie wartete einen Moment. »Los, raus damit, Stoner.«

      »Ich … ich hab Angst.«

      »Wovor?«

      »Was, wenn sie nun hier sind?«

      »Deine Eltern?«

      Stoner nickte.

      »Ach, Liebes, sie können dir doch gar nichts tun. Du bist über einundzwanzig!«

      »Und eine missratene Aussteigerin.«

      »Du bist keine Aussteigerin«, sagte Marylou bestimmt. »Die Kesselbaums lassen sich nie mit Aussteigerinnen ein.«

      Stoner musste lachen. »Ihr Kesselbaums seid doch selber geborene Aussteiger.«

      »Genau deswegen lassen wir uns nicht mit Aussteigerinnen ein«, sagte Marylou und schloss ihre Schreibtischschublade ab. »Das wäre zu viel des Guten, man muss irgendwo Grenzen setzen.« Sie ließ den Schlüssel in ihre Brieftasche gleiten. »Kommst du, oder soll ich dich hierlassen, um den Nachtwächter zu erfreuen?«

      ***

      Sie erreichten das alte Haus oberhalb des Parks. Die Luft hing über der Stadt wie regungsloses Wasser. Selbst der Verkehr wirkte beklommen. Ahorn- und Buchenblätter ließen sich erschöpft von den Zweigen fallen. Auch die Tauben regten sich kaum, führten gurrend Selbstgespräche, während sie halbherzig an den Rissen im Pflaster herumkratzten. Am Fuß der Treppe gefror Stoner zur Salzsäule.

      »Sie sind hier. Ich weiß es.«

      »Tante Hermione würde dir das nicht antun«, sagte Marylou.

      »Vielleicht blieb ihr nichts anderes übrig?«

      »Wenn das der Fall ist, machen wir vielleicht besser, dass wir reinkommen, denn dann haben sie sie wahrscheinlich gefesselt und geknebelt im Garderobenschrank verstaut.«

      Verängstigt, elend und mit dem Gefühl, sich vollends lächerlich zu machen, setzte sich Stoner auf die unterste Treppenstufe. »Ich hasse mich.«

      »Warum?«

      »In meinem Alter Angst vor meinen Eltern zu haben.«

      Marylou glättete ihren Rock, der es fertiggebracht hatte, sich in Wülsten um ihre Taille zu rollen. »Na ja, sie können ziemlich scheußlich sein. Ich persönlich weiß nicht recht, warum du dich jedes Mal dazu überreden lässt, mit ihnen essen zu gehen, wenn sie sich dazu herablassen, einen Abstecher in die Großstadt zu machen.«

      Stoner fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Sie würden einen Riesenaufstand machen, wenn ich mich weigern würde.«

      »Soweit ich diese Mahlzeiten nach deiner Beschreibung beurteilen kann, verlaufen sie auch nicht gerade idyllisch.«

      »Du hältst mich bestimmt für fürchterlich feige?« Stoner wagte nicht aufzusehen.

      »Stoner, ich habe eine Mutter, die Gerüchten zufolge eine Psychoanalytikerin von ziemlicher Bedeutung ist. Sie fährt einen weißen Lincoln Continental mit Faltdach, tankt nur an freien Selbstbedienungstankstellen, um Pfennigbeträge zu sparen, und müllt das ganze Haus mit Plastikverpackungen aus Schnellrestaurants voll. Mein Vater ist so sanftmütig, dass er Depressionen bekommt, wenn er Unkraut zupfen muss, obwohl sonst in den Beeten nichts mehr wachsen könnte. Und das einzige Lebensziel meiner Schwester besteht darin, weiterhin friedlich in ihrem Bungalow auf Hawaii vor sich hin zu leben, mit ihren vier Kindern, die nicht wissen, was es bedeutet, wenn man Kleidung tragen muss, und mich mit Kona-Kaffee und Schotternüssen zu versorgen.« Sie zuckte die Achseln. »Was weiß ich denn darüber, wie es ist, vor seiner Familie Angst zu haben?«

      Stoner schwieg.

      »Als du vorigen April mit ihnen essen warst, kamst du anschließend nach Haus und betrankst dich bis zur Besinnungslosigkeit.

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