Stoner McTavish. Sarah Dreher
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Читать онлайн книгу Stoner McTavish - Sarah Dreher страница 7
»Sie haben versucht, Tante Hermione ins Gefängnis zu bringen, weil sie mich aufgenommen hat.«
»Ich weiß.«
»Sie hätten es beinahe geschafft, mich in eine Irrenanstalt zu stecken. Wenn deine Mutter nicht gewesen wäre …«
Marylou packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Stoner, jetzt hör mir mal zu. Das ist lange her. Sie haben es damals nicht geschafft und hätten heute nicht die geringste Chance. Sie können dafür sorgen, dass du dich mies fühlst, aber sie können nicht mehr in dein Leben eingreifen.«
Stoner sah zu ihr hoch und seufzte. »Tut mir leid.«
»Los jetzt«, sagte Marylou und zog sie hoch. Sie schob Stoner vor sich her die Stufen hinauf. »Oh, Scheiße«, murmelte sie, »ich hab den Wein vergessen.«
***
Stoner kochte Kaffee, während Marylou den Brotkasten durchstöberte. »Ich fürchte, es ist nicht viel da«, erklärte Stoner. »Mrs. Bakhoven ist im Urlaub.«
»Wie rücksichtslos von ihr«, sagte Marylou und ging zum Kühlschrank über.
»Tante Hermione hat ihr geweissagt, sie werde eine große Reise machen, also macht sie eine.«
»Ach, es kann nur besser werden als das, was ich zu Hause hab. Mutter kam voriges Wochenende runter und bombardierte mich mit all dem Zeug, was sie im Laufe des vorigen Sommers eingekocht hat.« Marylou hatte ein übriggebliebenes Stück Kirschtorte ergattert und trug es triumphierend zum Tisch. »Weißt du, was ich an deiner Tante liebe? Auf sie ist Verlass.«
Stoner goss Kaffee ein und setzte sich hin. »Wenn der Notfall nicht meine Eltern sind, was ist es denn?«
»Hat sie nicht gesagt.«
»Hast du sie nicht gefragt?« Sie begann, eine Art Kälte auf der Innenseite ihrer Gesichtshaut zu verspüren, ein sicheres Zeichen aufkommender Panik.
»Nun, offenbar ist es nicht so ernst, dass es nicht bis zum Abendessen warten könnte.«
»Bis nach dem Abendessen. Wir besprechen nie etwas während des Essens. Sie sagt, das wirft die Elektrolyten aus dem Gleichgewicht.«
»Wahrscheinlich tut es das«, meinte Marylou.
Tante Hermione schoss durch die Schwingtür herein, ihre Perlenketten und Armbänder klingelten. »Rasch«, rief sie laut, »Kaffee!« Sie warf sich auf das Plaudersofa, und Stoner stand auf, um eine Tasse zu holen. »Hast du frischen gemacht, Stoner?«
»Ja.«
»Die Thermoskanne ist noch voll.«
»Oh«, sagte Stoner etwas betreten. »Daran hab ich nicht gedacht.«
Marylou wedelte mit der Gabel durch die Luft. »Tante Hermione, du solltest diese Dinger nicht benutzen. Sie sind barbarisch. So was stellen sie immer in Motelzimmern auf.«
»Woher willst du denn das wissen?«, fragte Stoner.
»Ja, ich weiß«, sagte Tante Hermione. »Aber diese hier kam eines Tages mit der Post. Ich hatte sie natürlich nicht bestellt. Ich würde nie so ein hässliches Ding bestellen, am allerwenigsten in einem Versandhaus. Aber es kam einfach. Also dachte ich, vielleicht ist es ein Zeichen.«
Stoner hielt es nicht länger aus. »Meine Eltern sind hier, ja?«
»Oh, mein Gott«, sagte Tante Hermione, »ich dachte, wir würden sie wenigstens ein halbes Jahr nicht zu Gesicht bekommen, und es ist doch erst« – sie zählte an den Fingern rückwärts bis April – »vier Monate her!«
»Ich dachte, das sei der Notfall«, sagte Stoner. »Ich dachte, sie sind hier.«
Tante Hermione starrte sie ungläubig an. »Hier? In diesem Haus? Also wirklich, Stoner!«
»Sie hat heute einen schlechten Tag«, sagte Marylou.
»Vermutlich prämenstruelle Spannungen. Ich danke den Göttern für die Menopause.«
»Ich glaube, was sie braucht, ist eine Liebesaffäre«, verkündete Marylou.
»Marylou …«, sagte Stoner warnend.
»Aber, Marylou, was für eine absolut entzückende Idee! An wen hast du dabei gedacht?«
Stoner rubbelte sich verzweifelt mit beiden Händen das Gesicht. »Ich brauche keine Liebesaffäre. Ich hatte nur Angst, meine Eltern wären hier. Ich hatte Angst, du hättest sie zum Abendessen eingeladen.«
Tante Hermione wechselte einen Blick mit Marylou. »Weißt du, Marylou, manchmal fürchte ich, Stoner ist ein wenig … angeschlagen. Hat deine Mutter jemals von der Möglichkeit eines Gehirnschadens gesprochen?«
»Tante Hermione«, presste Stoner zwischen den Zähnen hervor, »was ist der Notfall?«
»Du wirst es abwarten müssen.« Ihre Tante hob erzieherisch einen Zeigefinger in Stoners Richtung. »Es hat mit einer Klientin von mir zu tun, Eleanor Burton. Ich finde, sie sollte es selbst vorbringen.«
»Ach«, Stoner fühlte, wie der Druck von ihr wich und sich ihr Körper entspannte. »Ist es die Person, die gerade bei dir war?«
Tante Hermione stieß einen Seufzer des Überdrusses aus. »Nein, das war ein Neuer. Ein junger Mann. Sehr bemüht, sehr offen und sehr, sehr mystisch. Aber die ödesten Handlinien, die ich je gesehen habe. Dieser Junge hat ein Leben vor sich, das selbst einen Buchhalter langweilen würde. Meine Vorstellungskraft ist bei ihm völlig überfordert.«
»Nimm etwas Kirschtorte«, sagte Marylou teilnahmsvoll.
»Nein danke, Liebes, sie ist nicht mehr frisch genug, um daraus zu lesen.«
Marylou ließ ihre Gabel fallen und griff sich an die Kehle. »Ich bin vergiftet!«
Stoner lachte. »Sie ist in Ordnung. Ich hatte etwas davon zum Frühstück.«
»Äääh«, sagte Marylou, »ihr seid widerlich.«
Kapitel 2
Stoner bemühte sich, ihre Aufmerksamkeit zwischen dem Essen, dem Tischgespräch und den kugeligen Wandleuchtern aus Messing zu verteilen, in denen die Bienenwachskerzen tapfer vor sich hin glühten. Das Licht war golden, die Schatten fielen satt sepiabraun, und eine sanfte Süße schwang in der Luft. Von Zeit zu Zeit schaute sie verstohlen zu Mrs. Burton hinüber und fragte sich, was sie bedrücken mochte. Die alte Dame war zierlich, geradezu zerbrechlich, die Linien um ihre Augen herum scharf und tief vor Sorge. Stoner hatte nicht den Eindruck, dass die Hohlwangigkeit des Gesichts von ihrem Alter herrührte, eher von zu wenig Schlaf. Ihre Finger spielten ruhelos mit dem Tafelsilber und umklammerten den Serviettenring. Stoner kämpfte gegen das Verlangen, alle Regeln des guten Anstands über Bord zu werfen und einfach zu fragen, was ihr fehlte.
Sie versuchte, wieder Anschluss an das Gespräch zu finden. »Mein Vater meint«, sagte Marylou gerade, »dass Unkraut jetzt ganz groß im Kommen ist. Es speichert