Anjuli Aishani. Janina Gerlach

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Anjuli Aishani - Janina Gerlach

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den wenigen Mathegenies, denn er rechnete die Aufgabe fehlerfrei und ohne langes Grübeln zu Ende.

      Bewundernd schaute ich ihm dabei zu. Er stand mit dem Rücken zur Klasse. Ich konnte nicht erkennen, welches Logo auf seine schwarze Jeans aufgenäht war, doch es musste zweifelsfrei eine teure Markenhose sein. Dazu trug er ein weißes Shirt, eine schwarze Lederjacke und abgenutzte, knöchelhohe Stiefel.

      Ein nahezu makelloses Bild gab er ab, wie er so da stand und in atemberaubender Geschwindigkeit unzählige Formeln an die Tafel kritzelte. Schon halb gefangen in einem herrlichen Tagtraum schreckte ich plötzlich hoch, als Mr. Black einmal in die Hände klatschte und Nathan mit einer Handbewegung zurück an die Tafel zitierte, um ihn auch noch den Rechenweg für die anderen Schüler erklären zu lassen.

      So wundervoll das Mathegenie auch von hinten noch ausgesehen haben mochte, als ich in sein ernstes und zugleich genervt dreinblickendes Gesicht schaute, verflog der Zauber, der ihn noch eben umgeben hatte. Ich kannte diesen Typ erst seit weniger als einer Stunde – wenn man überhaupt von kennen sprechen konnte – und er war mir schon jetzt unsympathisch. Als er vorhin durch die Tür gekommen war, hatte ich die Reaktionen seiner Mitschüler aus den Augenwinkeln mitverfolgen können. Die Mädchen hatten alle wie verzaubert in seine Richtung geschaut, was den Jungen etwas zu missfallen schien, doch auch ein paar von ihnen hatten Nathan mit einem Grinsen zugenickt. Es musste also noch eine andere Seite an ihm geben, die die Schüler der Floresville High School zu bewundern schienen.

      Als er gerade mit seiner Erklärung beginnen wollte, meldete sich die Schulklingel in der Ecke des Klassenzimmers und verkündetet das Ende dieser Stunde. Nathan war der erste, der den Raum verlassen hatte, ohne auf Mr. Black zu hören, der ihm laut nachbrüllte und wohl noch ein Wörtchen mit ihm reden wollte. Ich heftete mich an Daniel, folgte ihm aus dem Raum und atmete erleichtert auf, als ich auf dem Flur im dritten Stock stand und das Schlimmste an diesem Tag wohl zum Glück schon hinter mir hatte.

       Oder kann es noch schlimmer kommen?

      Mein Stundenplan kündigte Französisch für die nächste Stunde an. Daniel war wirklich hilfsbereit, zeigte mir den Weg zu dem Raum, hielt mir die Türen auf, die wir passierten, und beantwortete alle meine Fragen, die ich zwischendurch stellte. Ein echter Gentleman! Ich fühlte mich geschmeichelt.

      Die Französischstunde war schon viel angenehmer. Kein Wunder – Sprachen fielen mir im Allgemeinen leicht und Französisch war meine Lieblingssprache. Mit vierzehn hatte ich etwa ein halbes Jahr bei meinem Onkel Charly verbracht, der in Paris lebte, und in dieser Zeit mehr über Grammatik, Aussprache und Vokabeln gelernt als in drei Jahren Schulunterricht. Freundlich lächelnd begrüßte mich Madame Ciboulette, deren Name jedem Französischkundigen ein Grinsen entlockte, mit einem: «Ah, bonjour! Tu es la nouvelle fille, Anjuli Aishani, c’est vrai?»

      Ich lächelte zurück, bestätigte ihr, dass ich die neue Schülerin war und schaute mich in der Klasse um. Daniel hatte leider kein Französisch, sondern Latein, und so musste ich mir wohl oder übel einen neuen Sitzpartner suchen. In der ersten Reihe saß ein Mädchen ganz alleine an ihrem Tisch. Ihre langen, goldbraunen Haare fielen ihr ins Gesicht, während sie sich nach vorne beugte, um zu lesen. Als ich auf sie zukam, schaute sie auf und lächelte mir entgegen. Ihre blauen Augen strahlten, als sie mir sagte, dass der Stuhl neben ihr frei wäre und fragte, ob ich nicht neben ihr Platz nehmen wollte. Dankbar nickte ich und setzte mich gerade noch rechtzeitig hin, bevor das laute Schrillen einer Glocke durch den Raum tönte und mich zusammenzucken ließ.

      »Erschreck dich nicht«, flüsterte das Mädchen neben mir. »Das macht sie immer wenn der Unterricht beginnt. Damit alle leise sind, verstehst du?«

      Ich deutete ein Nicken an und konzentrierte mich dann wieder auf Madame Ciboulette, die auf mich zukam und mich aufforderte, mich vorzustellen. Ohne Fehler berichtete ich nun der Klasse, wie ich hieß, dass ich 16 Jahre alt war, vorher in Portland gewohnt hatte und was man eben noch so sagt, wenn man sich vorstellt und kassierte dafür ein »Très bien!«.

       Endlich mal ein guter Start in den Unterricht. Wenn schon in Mathe nicht klappt, werde ich hoffentlich in Französisch gute Noten bekommen.

      Der restliche Schultag verlief ähnlich. Auch in Englisch, Geschichte und Erdkunde begrüßten mich die Lehrer freundlich, wollten, dass ich mich kurz vorstellte und dann war ich auch schon wieder erlöst. Glücklicherweise hatte ich jedes der Fächer entweder mit Daniel oder Kathy – dem Mädchen aus Französisch – zusammen, und so war es kein Problem, die Räume zu finden, ohne sich zu verlaufen. Um 12 Uhr klingelte es endlich zur Mittagspause und Kathy und Daniel schleppten mich mit in die überfüllte Cafeteria. Sie wollten mich ihren Freunden vorstellen, die bereits an einem langen Tisch in der Ecke Platz genommen hatten. Kathy setzte sich neben einen großen Jungen mit leicht orange-rötlichem Haar und grünen Augen, der mir als Finch vorgestellt wurde, und bedeutete mir mit einer Handbewegung, dass ich mich neben sie setzen sollte. Außer meinen zwei neuen Freunden und Finch waren noch vier weitere Personen am Tisch: Zwei Mädchen, Danielle und Victoria, die exakt dieselben dunkelbraunen, fast schwarzen Haare hatten, mich mit denselben braunen Augen anlächelten und sogar den gleichen grünen Pullover trugen. Auf meine eigentlich schon überflüssige Frage wurde mir bestätigt, dass sie eineiige Zwillinge waren.

      Anstatt die zwei weiteren Personen am Tisch genauer zu betrachten, wurde meine Aufmerksamkeit auf den Tisch dahinter gelenkt. Möglichst unauffällig versuchte ich zwischen Danielle und Victoria hindurch zu gucken, um den Jungen und das Mädchen, die ganz alleine am Nachbartisch saßen, genauer in Augenschein zu nehmen. Sie saß mit dem Rücken zu uns, strich sich kurz mit der Hand durch ihre langen gelockten Haare, die im Licht wie pure Seide glänzten, und nahm einen Schluck aus einer silbrigen Flasche. Der Junge saß ihr gegenüber und somit genau in meinem Blickfeld. Obwohl seine Augen durch eine dunkle Sonnenbrille verdeckt wurden, kam er mir unheimlich bekannt vor. Für einen Jungen hatte er relativ lange Haare, die schon fast seine Schultern berührten, und obwohl er somit eigentlich nicht so mein Typ war, hatte er etwas seltsam Anziehendes an sich.

      Als ich einen Stich in meiner Seite spürte und erschrocken hochfuhr, registrierte ich, dass mein Blick zum Nachbartisch wohl doch nicht so ganz unbemerkt geblieben war. Kathy grinste mich an.

      »Ah, natürlich. Du wärst wirklich unnormal gewesen, wenn du sie nicht angestarrt hättest!«

      Ein kurzer Blick zu den anderen Tischen zeigte, dass ich nicht die Einzige war, die immer wieder mal einen Blick zu den beiden hinüber warf.

      »Das sind Steven und Britney Hawk. Irgendwo hier müsste sich noch ihr Bruder Nathan rumtreiben. Er ist in unserer Stufe und ich kann dir sagen: Du wirst vom Hocker fallen, wenn du ihn siehst.«

      Natürlich. Die leicht gebräunte Haut, die markanten Wangenknochen…Steven sah, abgesehen von den Haaren, seinem Bruder sehr ähnlich. Deshalb kam er mir so bekannt vor. Ich erwähnte nicht, dass ich Nathan eigentlich schon getroffen hatte und wirklich, wie sie gesagt hatte, fast vom Hocker – beziehungsweise vom Autositz – gefallen war. Es war ja nur eine kurze Begegnung gewesen und ich wusste immer noch so gut wie nichts über ihn. In der Hoffnung, vielleicht mehr über seine Familie zu erfahren, fragte ich bei Kathy nach.

      »Was ist denn so Besonderes an ihnen? Wieso starren die alle so an?«

      »Nun ja, wie du ja bestimmt schon bemerkt hast, sehen alle drei ziemlich gut aus und haben…diese gewisse Anziehung, die jeden träumen lässt, der nicht gerade eifersüchtig ist. Nathan ist wie gesagt in unserer Stufe, Steven ist ein Jahr älter als er und Britney ist erst 14. Sie leben seit circa vier Jahren in Floresville und kommen ursprünglich irgendwo aus Europa, glaube ich. Keiner weiß genau wieso, aber sie lassen sich so gut wie nie irgendwo blicken. Weder auf Schulveranstaltungen noch in der Cafeteria, deshalb werden sie auch jetzt von allen so angestarrt.« Sie zwinkerte mir zu.

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