Eden. D. J. Franzen
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»Ich bin verwundert, Longinus. Wie kann der Mann, der Jesus am Kreuz seinen Speer in die Seite stach, kein gläubiger Mensch sein? Ein Mann, der seitdem durch die Jahrhunderte wandert, wie ich dazu sagen muss.«
»Patrick, ich habe es dir schon gesagt. Ich bin einer der Alten. Das Produkt einer zu früh eingesetzten Evolution, die mir und den anderen meiner Art gewisse Fähigkeit verleiht. Auch wir können sterben. Allerdings ist uns die Gabe der Wiedergeburt unserer Seele in einer Weise gegeben, die zugegebenermaßen den biblischen Worten entspricht.« Longinus hielt inne. Sein Blick verschleierte sich ein wenig, als er weitersprach. »Manche von uns vereinen sich sogar in einem Körper, der auf diese Weise die Zeiten überdauert. Auch du bist im Grunde nichts anderes, als eine Weiterentwicklung des Menschen. Jedenfalls ist das der Eindruck, den ich in den Jahrhunderten meiner Wanderung gewonnen habe. Was immer dich verändert hat, dir eine gewisse Immunität gegen das Virus gab, ist ein Teil des großen Plans der Evolution.«
Patrick lachte auf, als er weiterging.
»Und was ist die Evolution denn anderes, als Gottes Plan der Schöpfung? Wenn du und die anderen Alten über besondere Fähigkeiten verfügt, dann steht es eben so in Gottes Plänen für die Menschen geschrieben. Was du also seit Jahrhunderten auf wissenschaftlichem Wege zu ergründen suchst, ist nichts anderes, als ein Teil des göttlichen Plans.«
»Ein katholischer Pfarrer und Wissenschaft?«, fragte Longinus verblüfft und kicherte. »Ich kann mich an Zeiten erinnern, da waren diese beiden Worte und ihre jeweiligen Anhänger unversöhnliche Feinde.«
»Ja. Ich habe nach den Ereignissen in Bonn endlich erkannt, dass Religion und Wissenschaft sich nicht ausschließen müssen. Ich glaube daran, dass Gott mich bewusst so geschaffen hat, dass ich dem Virus insoweit widerstehen kann, dass er aus mir keine seelenlose Fressmaschine macht. Er sagt mir damit, dass ich die armen Kreaturen hinter uns an einen Ort führen soll, wo sie ihren letzten Frieden finden werden. Zudem ist es besser für eventuelle weitere Überlebende, wenn ich wie ein Magnet die Metallspäne, das unselig belebte Fleisch hinter mir herziehe.«
»Eine ziemlich freie Interpretation seines Willens, findest du nicht?«, fragte Longinus.
Patrick schwieg und der ewige Wanderer erkannte einmal mehr, wie schwer die Schuld auf den Schultern Patricks lastete. In Bonn hatte er seine kleine Herde aus Überlebenden im Stich gelassen, als General Dupont einen Gottesstaat auf den Trümmern der alten Welt errichten wollte. Stark war ihm begeistert gefolgt und sogar bereit gewesen die Kinder, die er in Köln half zu retten, auf dem Altar des wahren Glaubens zu opfern. Er hatte die verraten, die er eigentlich schützen wollte, weil sie anders waren. Jetzt war er einer von ihnen und sogar noch etwas mehr. Ein Zwischending aus einem Untotem und einem lebenden Menschen, mit der Gabe die Stinker an sich zu binden *).
Longinus nickte versonnen vor sich hin, während sie dem Verlauf der Autobahn folgten. Es war also kein Wunder, das Patrick versuchte einen Sinn hinter all dem Geschehenen zu erkennen. Aber wenn das wirklich alles Gottes Wille war, dann hatte ER einen seltsamen Sinn für Humor.
Wie um diese Tatsache zu beweisen, stolperte Longinus. Er fing sich und sah auf seine Füße. Die Sohle seines rechten Schuhs hatte sich gelöst und hing, als er den Fuß leicht anhob, wie eine erschlaffte Zunge vom restlichen Schuh herab. Patrick blieb neben ihm stehen.
»Ich fürchte, dass unsere Begleiter etwas widerstandsfähiger sind, als unsere Ausrüstung«, sagte er ehemalige Geistliche mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. »Sie ermüden nicht, brauchen weder Rast noch Proviant und können ewig so weitermarschieren.«
*) Siehe Band 4 »Babylon« und Band 5 »Herbst«
Longinus nickte.
»Ich fürchte, da hast du recht, mein Gefährte. Zumindest, was unsere Ausrüstung betrifft. Ich mag zwar über andere Fähigkeiten verfügen, als ein normaler Mensch, dennoch bin ich darauf angewiesen, ab und an eine Rast einzulegen und zu essen und zu trinken.«
Patrick wurde blass und Longinus erkannte, was er gesagt hatte. Ehe Longinus etwas sagen konnte, trat Patrick einen Schritt näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Welche Schuhgröße hast du?«
»Vierundvierzig.«
Patrick lächelte und deutete mit dem Daumen hinter sich. »Dann werde ich in meiner Herde um eine gnadenvolle Spende für dich bitten. Vielleicht finde ich ja einen heiligen Sankt Martin, der statt seines Mantels, sein Schuhwerk mit dir teilt.«
Longinus sah Patrick in die Augen und bemerkte ein fröhliches Funkeln in dessen Augen. Schließlich lächelte er. »Möchtest du dir vorher noch eine Laterne basteln und dir die Lieder deiner Kindheit in Erinnerung rufen?«
Patrick schüttelte grinsend den Kopf.
»Es wird auch gehen, ohne dass ich Martinslieder schmettere.« Er wandte sich ab und schritt auf die Untoten zu, die im respektvoll erscheinenden Abstand hinter den beiden stehen geblieben waren. »Ansonsten werde ich es mit den amerikanischen Brüdern halten und Süßes oder Saures skandieren«, rief er über die Schulter zurück.
Longinus` Gelächter hallte noch durch die tote Landschaft, als Patrick schon das Schuhwerk der ersten Untoten in ihrem Gefolge auf Haltbarkeit und passende Größe untersuchte.
***
Patrick atmete auf, als er sich umsah und Longinus nicht mehr sehen konnte. Seine Hände zitterten. Der Ruf hatte ihn ereilt. Wieder einmal. Und mit ihm kam der große Hunger. Eilig ging der ehemalige Pfarrer noch ein ganzes Stück tiefer in die Horde der Stinker, die ihm bereitwillig Platz machten und verständnislos anblickten. Ja, er war so etwas wie ihr Hirte, ihr Führer durch ein totes Land. Aber auch ein Hirte musste leben. Heiße Tränen der Scham brannten in Patricks Augen, als er an einen halb nackten Untoten kam, in dessen rechte Wade ein großes Stück Fleisch fehlte. Untot oder nicht, auch er brauchte Muskeln, um sich zu bewegen. Und er war aufgrund seiner Verletzung zu langsam.
Patrick murmelte ein schnelles Gebet, während er die kurze Distanz zwischen sich und dem Stinker überwand. Unbändiger Hunger gewann die Oberhand über Schamgefühle. Und als das gehauchte Amen in der Stille der toten Welt verblutete, grub Patrick Stark seine Zähne in den Oberarm des Stinkers. Ja, auch ein Hirte musste essen, damit er leben und seine Herde führen konnte. Und in Zeiten der Not aß ein Hirte auch die Lämmer seiner eigenen Herde. Und der Ruf blendete alles klare Denken in Patrick aus.
Kapitel III
»Fragen«
Die Neonröhre in dem kahlen Raum summte leise. Ihr grelles Licht ließ in den Ecken der Betonwände keine Schatten zu. An dem einen Ende des Raumes stand ein Tisch mit zwei Stühlen. Auf dem Tisch war ein Schachspiel aufgebaut. Eine Frau in einem weißen Anzug saß starr vor dem Spiel und starrte ins Leere. Seit der Vereinigung mit ihrem Bruder Gabriel hatte Luzifer den Raum nicht mehr verlassen *). Zumindest körperlich nicht. Ihr Geist schwebte in einer Ebene, die die Alten den Nimbus nannten. Hier konnte Luzifer das Geschehen auf der Erde sehen und von Ort zu Ort eilen, ohne körperlich anwesend zu sein. Doch die Vereinigung mit ihrem Bruder hatte sie Kraft gekostet. Sie beide. Dank ihrer Kräfte war es ihr gelungen, Nahrung und Trinken von den verschiedensten Orten hierher, in diesen kahlen Raum eines russischen Raketensilos zu schaffen, und einen Verfall ihres fleischlichen Körpers zu verhindern, aber zu mehr war sie nicht in der Lage. Denn in ihrem Inneren tobte immer noch ein Kampf um die Vorherrschaft.
*) Siehe Band 8 »Terror«