Das Tor zu deiner inneren Welt. Andreas Weis
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von einem leuchtenden Türkis
in ein tiefes, dunkles, geheimnisvolles Blau.
Die vom Abendrot angehauchten Wellen
brechen sich schäumend
an den Klippen und umspülen weich den Strand.
Ruhig schlummernd
liegen im fernen Hafen
die weißen Motor- und Segelboote.
Abendstimmung,
der warme Abendwind
umfährt sanft meinen Körper
und lässt es in mir wohlig schauern.
Nach Salz und Tang riecht die Abendluft.
Langsam neigt sich der Tag
in die sternenklare Nacht.
Der Mond steht am Himmel,
weiß, strahlend,
und die Sterne funkeln mir zu
wie zum letzten Gruß.
Der Abschied: „Es ist meine Zeit.“
Schweigend und in Gedanken vertieft standen wir in der Nacht um zwei Uhr am Fenster und schauten zum nächtlichen Sternenhimmel hinauf. Sie konnte nicht schlafen, zu viel ging ihr durch den Kopf. Sie hatte mich um ein Gespräch gebeten, ungewöhnlich um diese Zeit, doch sie war eben auch ein ungewöhnliches Mädchen. Mit ihren dreizehn Jahren stand sie vor der Frage: Was soll ich tun, was ist richtig? Sie hatte eine Entscheidung für sich getroffen, doch würden ihre Eltern damit einverstanden sein? Würden sie diese Entscheidung annehmen und sie dabei unterstützen? Ja, sie brauchte die Unterstützung ihrer Eltern, die diese Entscheidung mit ihr tragen sollten.
Plötzlich, aus der Stille des Schweigens, sprach sie: „Ist der Himmel da oben weit? Und wie weit mag er wohl sein?“
„Das weiß ich nicht“, antwortete ich. „Ich glaube schon, dass der Himmel eine unendliche Weite haben wird.“
„Ist Gott weit weg?“, sprach sie leise.
„Gott ist für jeden einzelnen Menschen anders“, sprach ich zu ihr und schaute in die unendliche Weite des Himmels. Ich stellte mir selbst die Frage: Wo bist du, Gott, in diesem Augenblick? Wo bist du im Leben eines Menschen? Ich spürte, wie mich eine kleine Kraft berührte. Ich antwortete ihr: „Gott ist anders, für den einen ist er fern, für den anderen ganz nah. Wir fühlen unterschiedlich Nähe und Ferne, je nachdem, wie wir unsere Einstellung zu ihm haben. Wir beten zu ihm, wenn es uns schlecht geht, dann ist er ganz nah. Geht es uns gut, so beten wir nicht und er entfernt sich, doch gleichzeitig haben wir eine Sehnsucht im Herzen und so nähert er sich uns wieder zu. Gott drängt sich nicht auf, Gott ist da, wenn wir ihn bitten.“
„Wenn ich ihn bitten würde, mir zu helfen und meinen Eltern meine Entscheidung mitzuteilen, glaubst du, er würde ihnen die Kraft geben, zu dieser Entscheidung zu stehen?“
„Ich weiß nicht, wie Gott das macht, doch ich glaube, er wird es möglich machen für dich und deine Eltern.“
Plötzlich fragte sie mich: „Glaubst du, dass wir nach dem Tod weiterleben?“
„Ja, das glaube ich“, antwortete ich. „Was hätte alles Leben sonst für einen Sinn? Warum bräuchten wir hier auf Erden Erinnerungen, wenn alles zu Ende wäre? Es würde keinen Sinn machen, dann an Gott zu glauben, eine Hoffnung zu haben. Jeder Mensch würde doch darum kämpfen, am Leben zu bleiben, und das so lange, wie es möglich wäre. Es gäbe keine Liebe unter den Menschen, nur Kampf und Streit um Macht, um sich Leben zu kaufen auf jede erdenkliche Weise.“
„Aber was kommt dann wieder zurück? Würde ich ich sein, so wie jetzt? Das möchte ich nicht, dann hätte sich ja nichts geändert.“
„Es kommt das wieder, was uns ausmacht, unsere Seele. Vielleicht in einem anderen Körper. Doch unsere Seele bleibt, was sie ist, Gottes Schöpfung.“
„Und warum sind wir hier?“
„Ich glaube, um irgendetwas zu lernen, das uns hilft, unsere Sehnsucht endgültig zu stillen, die alle Menschen im Herzen tragen.“
„Lässt du mich jetzt allein? Ich muss nachdenken. Gute Nacht und danke. Kannst du morgen dabei sein, wenn ich mit meinen Eltern spreche?“, sagte sie.
„Ja, gewiss, ich werde da sein. Wie jeden Nachmittag um die gleiche Zeit?“
„Ja, das wäre gut. Pass auf dich auf“, sagte sie leise und drehte sich wieder zum Fenster, um in den Himmel zu schauen, gedankenvertieft in einen inneren Kampf, einsam und allein. Ich konnte ihr nicht helfen, sie musste und würde die Entscheidung für sich allein treffen, wie jeder Mensch sie treffen muss, einsam und allein.
Das Gespräch am Nachmittag lief stockend. Sie fand nicht die richtigen Worte für den Einstieg zum Gespräch, wie sie ihren Eltern ihre Entscheidung mitteilen sollte.
„Ich möchte die nächste Chemo nicht machen lassen“, sagte sie wie aus heiterem Himmel. Jetzt war es raus. Erwartungsvoll schaute sie ihre Eltern an.
„Aber Kind, es ist doch nur zu deinem Besten, damit du wieder gesund wirst.“
„Was ist denn mein Bestes und wer kann wissen, was mein Bestes ist, als ich allein?“, antwortete sie ihrer Mutter. Tränen standen dem Mädchen in den Augen.
„Kind, glaub mir, die Ärzte tun das, was für dich gut ist, um dir zu helfen, sie wollen, dass du wieder gesund wirst, und wir auch – du doch auch“, sprach der Vater zu ihr.
„Aber ich kann und will nicht mehr, könnt ihr das nicht verstehen?“
„Kleines, wenn du die nächste Chemo nicht anwenden lässt, ist doch alles vergebens gewesen“, flehte die Mutter ihre Tochter an.
„Ich möchte nicht mehr, Mama, ich kann und will nicht mehr“, gab sie traurig und enttäuscht zurück. Konnte sie denn niemand verstehen, niemand sich in sie hineinfühlen?
„Weiß du, was du uns damit antust? Wie kannst du nur so denken, wir lieben dich doch und tun alles, was nötig ist, um dir zu helfen. Kleines, bitte tu uns das nicht an“, sprach die Mutter weinend.
Verzweifelt und traurig stand die Tochter auf und lief aus dem Aufenthaltsraum zu ihrem Zimmer über den Flur des Krankenhauses.
Zu mir gewandt sagte der Vater: „Tun Sie doch etwas, sie ist doch noch ein Kind und kann keine sinnvollen Entscheidungen treffen.“
Ich musste an mich halten, in mir stiegen Emotionen einer ohnmächtigen Wut hoch. Hört denn niemand, was das Kind sagen möchte? Ist niemand in der Lage, ihr ernsthaft zuzuhören? Ich sagte: „Ich gehe zu ihr und rede mit Ihrer Tochter. Warten Sie hier, bis ich Sie hole oder mit ihr zu Ihnen komme.“
Ich sprach mit ihr fast eine Stunde, hörte ihr zu und verstand, was sie wollte, dann sagte ich zu ihr: