Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren. Dieter Kremp
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Noch einmal kommt die Volksfreude zum Durchbruch an den Kirmestagen. In der Regel ist der Tag der Kirchweihe der Kirmestag. Auf dem Lande wird die Kirmes sehr ausgiebig gefeiert. Es war früher vornehmlich ein Fest in der Familie für die Verwandten aus den Nachbardörfern. Es wird ein großes „Imbs“ gehalten mit Rindfleischsuppe, Rindfleisch und Meerrettich. Später gibt’s Kaffee und reichlich Kranzkuchen. Die kleineren Kinder haben ihre Freude an den „Reitereien“, am Kirmeskarussell und an den Zuckerbuden auf dem Kirmesplatz. Die Jugendlichen gehen zum Tanz. In der gleichen Weise wird der Martinitag gefeiert, der für manche katholische Gemeinden der allgemeine Kirchweihtag ist. Der Bauer schlachtet sein erstes Schwein und veranstaltet ein großes Schlachtessen, zu dem auch der Dorfschulmeister eingeladen wird.
An Kirmestagen wird auch in manchen Ortschaften der Hammel („Hammelskerb“) oder ein Kranz herausgetanzt. In einigen Dörfern führt man auch den Quak herum und begräbt am Kirmesdienstag die Kirmes.
Am 5. Dezember kommt der Nikolaus. Er zieht von Haus zu Haus und verteilt an die braven Mädchen gebackene Puppen und an die braven Knaben Hasen, dazu Äpfel und Nüsse. Oft zeigt sich auch in der Begleitung des Nikolaus die sogenannte „Himmelsgeiß“. Sie wird dargestellt von zwei Personen, die sich in ein Leintuch hüllen und als Hörner eine Heugabel zeigen.
Wenn Weihnachten naht und der Abendhimmel golden strahlt, sagen die Mütter zu ihren Kindern: „Das Christkindchen backt Plätzchen.“ Die Kinder singen in der Vorweihnachtszeit: „Christkind komm in unser Haus, leer’ dein goldnes Säckelche aus, stell dein Eselche auf die Mist, dass es Heu und Hafer frisst.“
Am Weihnachtsabend bringt das Christkindchen den Kindern Spielzeug und wie der Nikolaus gebackene Puppen, Hasen, Nüsse und Äpfel. („Äpfel, Nüss’ und Mandelkern essen brave Kinder gern…“) Auch die Erwachsenen beschenken sich gegenseitig, dem Zug der Zeit folgend, fast durchweg mit nützlichen Gegenständen, die auch bei den Kindern mehr und mehr den Platz unnötiger Gaben einnehmen.
In abgelegenen Orten trifft man ab und zu noch den Glauben, in der Weihnachtszeit ginge der Werwolf um, und der Teufel säße auf den Schornsteinen. Zwischen Weihnachten und Neujahr liegen die heiligen Nächte. In ihnen krächzt der Unglücksrabe, und das wilde Heer braust durch die Lüfte.
Wie meine Großmutter noch die „schäle Migge“ vertrieb
Stechmücken und Bremsen wahren bei unseren Vorfahren auch „verpennt“ (unbeliebt, verhasst). Ursprünglich bedeutete „pennen“ in der Gaunersprache „in einer Spelunke übernachten, schlafen“, und „pennen“ im Volksmund heißt „zu ungewöhnlicher Zeit schlafen“: „Der pennt die ganze Zeit.“ Ein „Penner“ war auch ein Obdachloser, der auf der Straße eben „pennte“. Und die Stechmücken sollten sich „verpennen“ (verziehen). Vor den stechenden und blutsaugenden Weibchen war keiner von uns sicher, wenn man sich bei schwüler Witterung im Freien aufhielt. Vom Schweiß des Menschen werden sie besonders angelockt. Hatte man „sießes Blud“ ( süßes Blut), so lockte man die Plagegeister besonders an. Im Gegensatz zu den nicht stechenden Mücken und Fliegen hießen die Stechmücken auch „schäle Migge“ (scheele Mücken). Und was tat der Bauer an schwülwarmen Sommertagen, wenn er mit seinen Pferden draußen auf dem Acker war und diese vor Bremsen schützen wollte? Er steckte Farnkräuter in das Kummet, das sollte die Stechmücken vom Pferdekopf abhalten. Und das stimmte! Meine Großmutter kannte eine Vielzahl von Pflanzen, deren ätherische Ausdünstungen Stechmücken abwehren. Lavendel war für sie das beste Mittel, die Plagegeister vom Menschen und von der Wohnung abzuhalten. Man betupfte sich an gefährdeten Körperstellen mit Lavendelöl oder rieb sich mit den aromatischen Blüten ein. Die abwehrende Wirkung hielt bis zu acht Stunden an. Großmutter stellte aber auch Lavendel in einer Blumenvase in die „gudd Stubb“, um die „schäle Migge“ dort abzustecken. Die Lavendelsäckchen in den Kleiderschränken unserer Vorfahren hatten zudem noch einen anderen Zweck: Der wohltuende Duft erfüllte den ganzen Raum und führte zu einem geruhsamen Schlaf, hielt aber auch die Motten von den Kleidern ab. Auch ein Lavendelsäckchen unterm Kopfkissen im Bett führte zu einem erholsamen Schlaf.
Auch Ameisen mögen Lavendel nicht und machen einen weiten Bogen um das Kraut. Die ätherischen Öle der Zitronenmelisse haben eine ähnlich gute abschreckende Wirkung auf Stechmücken. Schließlich gab es damals auch noch in jedem Bauerngarten das Mutterkraut, im Volksmund auch „Mottenkraut“ genannt. Ein Strauß davon in der Vase in der „gudd Stubb“ vertrieb die „schäle Migge“ und die Motten.
Auf unserem Hof stand früher ein Walnussbaum. Unter dem Nussbaum stand eine Ruhebank, auf der sich Großmutter und Großvater nach getaner Feld- und Gartenarbeit am Abend ausruhten, sicher vor stechenden Plagegeistern. Der herbbittere Geruch der Walnussblätter hielt die Stechmücken ab. Ähnliches sagte man vom Holunderstrauch, der dicht an der Giebelwand stand. Aber der „Hollerstock“ war für meine Großmutter auch die „lebendige Hausapotheke“. Aus ihren Blüten bereitete sie Erkältungstee, aus ihren reifen Beeren Marmelade.
Geschwollene und schmerzende Mückenstiche rieb man früher mit Johanniskrautöl ein oder man betupfte sie mit dem ausgepressten Saft der Ringelblume. Auf Wespen- und Bienenstiche drückte man den Saft des Spitzwegerichs und legte eine Zwiebel – oder Kartoffelscheibe darauf.
Von der Heublumenmedizin meiner Urgroßmutter
Meine Urgroßmutter hat mir meine frühe Kindheit auf wunderbare Weise vergoldet. Meine Erinnerungen an sie leuchten heute noch wie güldene Sonnenstrahlen am Firmament. Im Volksmund war es die „Stemmchemodder“, weil sie „auf dem Stümpfchen“ wohnte. Ich hatte das große Glück, dass sie 98 Jahre alt wurde. Noch heute gehe ich im Traum mit ihr durch Fluren und Wälder, sehe ihr lachendes Gesicht und ihre Kräuterbüschel über dem Rücken. Sie hat mir die Natur in die Wiege gelegt.
Noch mit 90 Jahren war sie geistig und körperlich sehr rüstig. In den Kriegsjahren und danach streifte sie mit mir den Sommer über durch Feld und Flur. Jeden Samstag und Sonntag waren wir oft stundenlang unterwegs. Auch der kleinste Zipfel auf der Gemarkung meines Heimatdorfes Steinbach im Ostertal war uns vertraut. Ihr „heiliger“ Sammeltag war der Johannistag (24. Juni9, wenn sie ihre Lieblingsheilpflanze, das „Herz-Jesu-Blut“ pflückte. Sie presste die jungen Blüten des Johanniskrautes zwischen den Daumen und zeigte mir den blutroten Farbstoff. Am liebsten waren wir im „Kerbacherloch“, auf dem „Wälenberg“ und auf der „Trift“ auf der Suche. Sie kannte fast alle Kräuter, von der Kamille über das Tausendgüldenkraut, die Schafgarbe bis hin zum Arnika. Damals waren Arnika und Tausendgüldenkraut noch weit verbreitet; heute sind sie selten und stehen unter Naturschutz. Hatten wir die Körbchen voll, dann schnürte sie Kräuterbündel, hängte sie uns über den Nacken und wir trugen sie heim. Zu Hause wurden die Kräuter in kleinen Sträußchen unter den Walnussbaum gelegt, wo sie dann im Schatten trockneten. Das ganze Jahr über hatten wir unseren Kräutertee. Im Hochsommer pflückte sie auch Kornblumen in den Getreidefeldern, die heute fast gänzlich verschwunden sind. Ihre blauen Blüten dienten zur Färbung der Tees.
Aber auch im zeitigen Frühjahr waren wir schon auf Tour. Da galt es vor allem das Scharbockskraut zu sammeln. Sie wusste, dass es ein wichtiger Vitaminspender für die Frühjahrskur war. Aus den Blättern bereitete sie einen köstlichen Salat, aus den stärkehaltigen Knöllchen „gebratene Feigen“. Natürlich sammelten wir im März, wie das vor allem im Saarland so üblich ist, den „Bettseicher“ (Löwenzahn). Jeden Morgen pünktlich um zehn Uhr kam sie zu meiner Mutter, um die Kartoffeln für den Mittagstisch zu schälen. Im Herbst schnitt sie Kartoffelscheiben, färbte sie und stellte für mich wundersame Muster mit Kartoffelstempel her.
Meine Urgroßmutter pflegte noch das „Brauchen“, wie