Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Erhard Heckmann

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Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt - Erhard Heckmann

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die bei einem Araberstamm der Nedschd-Wüste aufgewachsen sein soll, und des Nesrin geboren.

      Aufkäufer versuchten damals schon seit Jahrzehnten in der Türkei wertvolle Orientpferde zu erhandeln, doch an den Hof von Meknes hatte sich noch niemand gewagt. 1729 jedoch brach überraschend eine Gesandtschaft von Marokko zum Hof von Versailles auf. Und zu den vielen Geschenken, die der Tross für den jungen König Ludwig IV. im Gepäck hatte, zählten acht kostbare Araberhengste aus dem Marmorhof samt ihrer schwarzen jungen Pfleger. Auch El Sham, der schon zweijährig ein Rennen gewonnen haben soll, war mit seinem Pfleger Agba dabei.

      Auftraggeber dieser Karawane, die Richtung Frankreich zog, war aber nicht der alte Sultan Muley Ismael – er war bereits zwei Jahre tot – sondern der Erbe des Sultanats, sein Sohn Muley Abdallah, dessen Habgier und Eitelkeit keine Grenzen gekannt haben sollen. Die Gunst des alten Verbündeten Frankreich war nicht nur aufgebraucht, sondern Frankreich und England ließen ihn durch ihren französischen Gesandten am Hof von Marokko wissen, dass eine gemeinsame Flotte gegen die Häfen Tanger und Tetuan auslaufen würde, wenn diese Piratenangriffe nicht sofort eingestellt würden. Diese Botschaft zeigte Wirkung, doch waren die Minister des Sultans von dessen Entscheidung schockiert, als besonderen Freundschaftsbeweis auch acht Hengste aus dem Marmorhof mit auf den Weg zu schicken. Aber keiner von Ihnen, wie auch die anwesenden Würdenträger, wagte etwas zu erwidern, denn damit hätten sie auch gleichzeitig den Kerker oder gar die sofortige Hinrichtung riskiert. Marokko war reich genug, und somit billigten sie auch die vielen Geschenke. Aber Araber aus der Nedschd-Wüste, das Anbetungswürdigste dieser Welt, Pferde des Propheten, denen Allah nur die Sprache versagt hatte?

      Aber nichts half. Keine Worte, keine Intrigen. Dem Stallmeister wurde der Befehl erteilt, die Namen von acht der besten Araberhengste auf eine Liste zu setzen. Dass der dreißigfache Sieger Khelifa und El Sahm, der Liebling des verstorbenen Muley Ismael, auf die Liste kamen, das entsprach dem ausdrücklichen Wunsch des Herrschers. Und der Befehl beinhaltete auch, den Pferden ihre schwarzen Pfleger mitzugeben, die im Marmorhof zur Elite zählten und eine Vorzugsstellung genossen.

      Ehe sich jedoch die Karawane mit Kamelen, Pferden, teuren Stoffen, Teppichen, Porzellan, Raubvögeln, vielen anderen Dingen und den Arabern auf den Weg machte, musste jeder der Jungen vor dem Sultan niederknien und einen Eid ablegen: „Dieses Pferd ist nun dein Herr. Du musst ihm treu bleiben bis zum Tode. Nie darfst du es verlassen. Nie darfst du in Deine Heimat zurückkehren, solange dein Pferd in der Fremde lebt. Du bist deines Pferdes Diener; es ist mehr als dein Augapfel. Wiederhole, und dann schwöre, indem Du meinen Fuß küsst.“ Danach bekam jeder der jungen Pferdepfleger noch einen goldenen Beutel, in dem sich der Stammbaum des jeweiligen Hengstes befand. So in etwa die Schilderung des Autors in seinem Buch „Hengst der Sonne“, aus dem die weitere Story, kurz zusammengefasst, so weiterging:

      Das Pferd und sein Betreuer hatten noch viele Abenteuer zu bestehen. Der Araber, oder Berber, landete irgendwann bei einem Farmer und ließ niemanden mehr an sich heran. Der Pfleger saß im Gefängnis, die schwarze Stallkatze hielt sich, wo auch immer, versteckt, und der goldene Beutel mit dem Stammbaum war aus dem Hüftgürtel des Jungen gestohlen worden. Doch dann befreite Francis Graf Godolphin, ein bekannter Pferdezüchter aus Cambridgeshire, mit einigen Helfern Agba aus dem Newgate-Gefängnis und brachte Licht in die Angelegenheit. Und als der Graf, Schwiegersohn eines weltberühmten Feldherrn, des Herzogs von Marlborough, den Farmer wieder verließ, saßen auch Moumou und Agba in der Kutsche, an deren Deichsel auch der Araber als Beipferd mit in seine neue Heimat trabte.

      In jenem Jahr plante Graf Godolphin ein untadeliges Paar aus seiner Zucht zu vereinen, seine Lieblingsstute Roxana und den strahlend weißen Hobglobin. Mit dem zu erwartenden Fohlen hoffte er auf einen ganz großen Zuchterfolg. Die Realität zeigte sich aber anders, als es der Plan dieses Pferdezüchters vorsah: Roxana und El Sham büchsten aus, und das „hellbraune Problem“ erhielt ein Jahr später den Namen Lath, weil es so dünn wie eine Latte war. Für den Graf war es ein Bastard, und er konnte es lange Zeit auch nicht überstehen, dass El Sham mit Roxana die züchterische Planung zerstört hatte. Seinen Oberstallmeister Charles Bedham wies er an, El Sham zu erschießen, und den „Negerjungen“ Agba vom Hof zu jagen. Eine Vollzugsmeldung hatte er von Bedham, der an diesen Araber aus Marokko glaubte und ihn in der Zucht sehen wollte, allerdings nicht verlangt. Und Godolphin fragte auch niemals danach.

      Aber auch in dieser Situation kam es wieder ganz anders, als es die Regie vorsah. Die Gräfin Henrietta Godolphin, die 1733 verstarb, hatte Bedham in seiner Not geraten, den Araber nicht zu erschießen, sondern ihn und seinen Pfleger irgendwo zu verstecken und darüber Stillschweigen zu bewahren. Und wo das sein könnte, das wusste der Oberstallmeister bereits, bei seinem vom Grafen gefeuerten Vorgänger Everett Harley auf Wicken Fen im Moor …

      Eine kleine Intrige startete auch den nächsten Akt. Godolphins Schwiegermutter, Sarah Churchill, Dutches of Marlborough, hatte beste Beziehungen zum Königshaus und sorgte dafür, dass ihr Schwiegersohn eine Einladung des pferdebesessenen Königs zu einer Yachtparty auf der Themse erhielt. Und natürlich war die alte Dame, die bis 1744 lebte, hinsichtlich „des Arabers“ dabei auch ein wenig indiskret, denn sie schien über Godolphins Stall nicht schlecht unterrichtet zu sein.

      Und auf dieser Bootsfahrt musste Godolphin daher auch Farbe bekennen, denn König Georg der II. (aus dem deutschen Haus Hannover) trieb ihn, in Gegenwart von zwei anderen bekannten Züchtern, die keine Freunde Godolphins waren, in die Enge. „Sie haben doch einen Araber? Und wen melden Sie denn nun zu den Rennen? Diesen, oder läuft auch sein Sohn bei den Zweijährigen?“

      Auf der Heimfahrt war Godolphin, dessen Pferde bei den letzten Frühjahrs- und Herbstrennen zu Newmarket versagt hatten, außer sich vor Wut. Man hatte ihn auf diesen Zweijährigen festgelegt, und er hatte auch noch zugesagt! Und wahrscheinlich lebt auch der verdammte Araber noch, der seine beste Stute, Roxana, missbrauchte, und damit seine züchterischen Pläne zerstört hatte …

      Godolphins fuhr direkt zu seinem Oberstallmeister, der sich nicht nur jene Frage von seinem aufgebrachten Dienstherrn anhören musste, sondern ein „Erdbeben“ erlebte, als dieser erfuhr, wo sich El Sham, dessen Katze Moumou und Agba befanden. Charles Bedham blieb ganz ruhig, bat den Grafen in sein Wohnzimmer und öffnete eine Flasche Sherry. Und dabei erfuhr Godolphin, dass El Sham, der am Königshof inzwischen den Namen Godolphin Arabian bekommen hatte, weil niemand den richtigen kannte, in bester Verfassung sei. Auch die Frage des Grafen, „ob es denn überhaupt möglich sei, den dürren zweijährigen Gaul in Newmarket bei den Herbstrennen laufen zu lassen“, beantwortete der Oberstallmeisters äußerst gelassen: „Aber selbstverständlich, er ist in bester Form!“ Nur als Charles Betham den Vorschlag für den Reiter mit dem fünfzehnjährigen Stallburschen Jimmy Fenton formulierte, brauste Godolphin wieder auf: „Gut, es geht jetzt nach Ihnen, aber Sie ruinieren meinen Stall!“ Bedham blieb sanft und fügte lediglich an: „Der Junge hat ihn täglich geritten und kennt ihn genau. Und nach dem Sieg von Lath bin ich gern bereit, den Stall zu verlassen, wenn Sie das so wünschen“.

      Lath gewann wie er wollte, der König kassierte eine hohe Wette, und der Graf holte alle aus dem Moor zurück. El Sham, der jetzt Godolphin Arabian genannt wurde, Agba, die Katze Moumou, und auch den alten Everett Harley, denn der hatte an dem damaligen Beinbruch einer Stute keinerlei Schuld gehabt. Godolphin Arabian bezog die Marmorboxe von Hotglobin und wurde 1734 Vater von Cade, der ebenfalls aus der Roxana stammte. Und dieser Cade zeugte an Matchem (1748) einen der drei Hengste, die zu Eckpfeilern der neuen Rasse wurden. Und bei Eclipse, der zu diesem Triumphirat zählt, erscheint der Hengst aus dem Sultanat Marokko als mütterlicher Großvater.

       El Sham (Godolphin Arabian) mit seiner Katze Moumou (Repro nach einem Gemälde des englischen Pferdemalers Seymoor)

      Von allen eingeführten Arabern und „östlichen Hengsten“ haben bis zum heutigen Tag lediglich drei Linien überlebt. Bekannt sind sie als die Eclipse, Matchem und

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