Zwei Millionen ham'ma erledigt. Johannes Sachslehner

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Zwei Millionen ham'ma erledigt - Johannes Sachslehner

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trommelt die DNSAP, unterstützt vom Kärntner Volkswillen, dem Sprachrohr der Partei, ihre Hassparolen: Es gibt zwar in Kärnten kaum Juden, dennoch sollen sie es sein, die „das Volk bis in den Kern seiner arisch-deutschen Seele vergiften“, die „deutsche Männer“ zwingen würden, sich „an den Mammonismus der Juden zu verkaufen“. „Verjudet“ seien aber auch Sozialdemokratie und Bolschewismus, ja, die Demokratie selbst; es gebe nur einen Weg zur völkischen Gesundung: sich von dieser „artfremden Geißel“ zu befreien. Zum Judenhass gesellen sich der Hass auf die Slowenen, die das „deutsche Kärnten“ bedrohen würden, und eine ausgeprägt antikapitalistische Haltung – es sind genau diese radikalen Parolen und Feindbilder, die dem jungen Globocnik zur politischen Heimat werden. Für einen Schüler der Staatsgewerbeschule nicht ungewöhnlich, wird er zudem Mitglied der Klagenfurter Burschenschaften „Marcomannia“ und „Teutonia“; sein von Antisemitismus und Antislawismus bestimmtes politisches Weltbild findet hier Bestätigung und neue Nahrung.

       Ein verzweifelter Hilferuf: das Schreiben Anna Globocniks an die Postdirektion Klagenfurt.

      Dennoch bleibt auch Zeit für Vergnügungen: Irgendwann im Laufe des Jahres 1922 besucht der nunmehr 18-jährige Schüler einen Tanzabend im Café Lerch in der Wiener Gasse in Klagenfurt. Et trägt einen dunklen Anzug, der etwas seltsam aussieht: geschneidert aus der Uniform seines verstorbenen Vaters. Der Aufzug Odilos erregt die Aufmerksamkeit zweier Mädchen, die mit ihrem Vater, dem bekannten Abwehrkämpfer Emil Michner, Oberstleutnant a. D., gekommen sind. Grete und Herta Michner machen sich über den „unmöglichen“ Anzug Odilos derart lustig, dass es schließlich dem aufrechten Oberstleutnant zu viel wird – empört lässt er „demonstrativ jenen Odilo Globocnik“ zu sich an den Tisch bitten; zwei Schulkollegen, die Söhne eines mit Michner bekannten Offiziers, stellen Odilo dem Abwehrkämpfer vor. Man versteht sich sofort gut, Michner gefällt die politisch stramme Haltung des Achtzehnjährigen und auch bei den beiden Mädchen kommt Odilo trotz seines merkwürdigen Tanzanzugs gut an, besonders bei der 16-jährigen Grete, geboren 1906 in Maria Saal. Man trifft sich bald regelmäßig, schließlich verlobt sich Odilo mit Grete. Und Emil Michner nützt seine Kontakte und verschafft Odilo eine Arbeitsstelle: Der Oberstleutnant a. D. setzt sich bei Adolf Wolf, dem Direktor der KÄWAG (Kärntner Wasserwirtschafts-AG) für ihn ein, prompt wird Globocnik angestellt, sein erster Auftrag 1924: ein Kraftwerksbau in Frantschach im Lavanttal. Als Bauleiter ist er in der Folge auf verschiedenen Baustellen für die KÄWAG im Einsatz, dann, im Sommer 1925, beschließt er, es doch noch mit einem Studium zu versuchen. Der 21-Jährige geht nach Wien und findet einen Platz im Studentenheim Grinzing in der Grinzinger Allee 7. „Student“ steht nun auf seinem Meldezettel, er besucht Vorlesungen und versucht sich in der Großstadt zu orientieren. Das akademische Zwischenspiel ist jedoch rasch zu Ende: Noch vor Weihnachten, am 17. Dezember 1925, verlässt er das Studentenheim und kehrt nach Klagenfurt zurück. Was bewegt ihn, das Studium so rasch abzubrechen? Will er seine Mutter und die beiden Schwestern nicht im Stich lassen? Überfordert ihn das Studium? Oder fehlt es einfach nur an den finanziellen Mitteln?

       „Student“ in Wien für wenige Tage: der Meldezettel Globocniks vom November 1925, abgestempelt vom Studentenheim Grinzing.

      Zurück in Kärnten, ist die KÄWAG offenbar bereit, ihn wieder aufzunehmen; bis 1930 werkt Globocnik als Kraftwerksbauer, dann wechselt er in das Unternehmen des Klagenfurter Stadtbaumeisters Ing. Robert Rapatz (1890 – 1964), diesmal als Bauleiter bei Hochbauten. Offenbar versteht er es, sich bei seinem neuen Arbeitgeber gut in Szene zu setzen, denn Rapatz lässt ihn auffallend selbstständig arbeiten – so unternimmt Globocnik im Auftrag der Firma Dienstreisen nach Wien, um hier in den Ministerien für soziale Verwaltung bzw. Unterricht Bauprojekte zu verhandeln, und er hat immer wieder in der Kärntner Landesregierung bei Oberbaurat Karl Gunzer zu tun.

      Allmählich rückt jedoch das politische Engagement in den Vordergrund, aufregende Zeiten kündigen sich an. Das Gedankengut der Nazis, der Dienst für die „Bewegung“, wird zu seinem Lebensinhalt. Siegfried J. Pucher zitiert das Urteil einer „der damaligen Verlobten Globocniks nahestehenden Person“: „Er war vor Begeisterung in Ekstase über die NS-Idee und vollkommen unkritisch gegenüber diesen Ideen und auch antisemitisch.“ Er verschreibt sich „ganz, ganz“ der Arbeit für die Partei; bei den Spaziergängen mit seiner Verlobten Grete Michner hält er, so die von Pucher befragte Zeitzeugin, immer wieder „eine neue Lobrede auf die Nazi. (…) Offenbar war er nur von diesen Gedanken an seine Partei beherrscht. Und was die Gutes bringen wird, und wie großartig das sein wird, und wie großartig er dastehen wird natürlich durch sie.“

      Odilo Globocnik tritt der Partei, für die er mit seinem ganzen Ehrgeiz tätig sein will, am 1. März 1931 bei; am 22. April 1931 wird die provisorische Mitgliedskarte für ihn ausgestellt, das Mitgliedsbuch trägt das Datum 6. September 1932; die Mitgliedsnummer lautet 442.939. Die Kärntner Parteiführung betraut den engagierten jungen Mann mit einer ersten Funktion: Globocnik wird Propagandaleiter der NS-Betriebszellenorganisation; er unterstützt den Gau-Betriebszellenleiter Erwin Seftschnig.

      Bei den Nazis herrscht Aufbruchsstimmung: Nachdem die „Hakenkreuzler“ einige Jahre lang auf der politischen Bühne nur mehr ein bescheidenes Schattendasein gefristet haben, gibt der Erfolg Hitlers bei den Wahlen zum deutschen Reichstag im September 1930 auch den Kärntner Parteigenossen neuen Auftrieb. „Es war ein unaufhaltsamer Marschbeginn in ein neues, stolzes Jahrtausend der deutschen Nation“, schreibt Gauhauptstellenleiter Richard Moschner, Leiter des Gaupresseamtes Kärnten, 1940 im Rückblick: „Abend für Abend Versammlungen, Nacht für Nacht Klebekolonnen und schwere Zusammenstöße mit dem Gegner erforderten ganze Männer.“ Im Mai 1931 wird in Klagenfurt ein „Gau-SA-Tag“ abgehalten, 1.200 „gaueigene SA“ mit zwei Musikzügen und die „Motor-SA“ marschieren auf, ein „erster Propagandamarsch“ in das „rote“ St. Ruprecht, damals noch eine eigene Gemeinde, beschließt diesen Auftritt: „Wie lachten da die Herzen der SA-Männer! In straffer Haltung ging’s, allenthalben begeistert begrüßt von der zahlreich an den Straßen des Aufmarsches versammelten deutsch denkenden Bevölkerung, durch die Stadt, begleitet von Marschmusik und Kampfliedern, hinein in das kommunistisch-marxistische St. Ruprecht. Pfeifkonzert, Gejohle, das war die Begleitmusik im roten St. Ruprecht.“

      Auf Anordnung Hitlers wird im Juli 1931 die NSDAP in Österreich umgestaltet, mit der „Landesleitung Österreich“ eine neue oberste Parteibehörde mit Sitz in Linz installiert. Zum Landesleiter ernennt der „Führer“ den Linzer Gemeinderat Alfred Proksch, Landesgeschäftsführer wird der gebürtige Wiesbadener Theo Habicht (1898 – 1944), der eben seine Zeitung Rheinwacht in den Bankrott geführt hat. Habicht, der sich ab August 1932 „Landesinspekteur“ nennen darf, setzt auf Führungs- und Organisationsstrukturen, die sich am deutschen Vorbild orientieren, eine für den Nationalsozialismus insgesamt typische „Parteibürokratie“ mit Parteidienststellen, Parteiämtern und Parteibehörden wird geschaffen, man will seine politische Klientel auf breiter gesellschaftlicher Front ansprechen. Nicht ohne Erfolg – begünstigt von der schweren Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit, schnellen die Mitgliederzahlen in die Höhe: Hält man in Kärnten im Februar 1930 noch bei 820 Mitgliedern, so steigt deren Zahl Ende 1931 auf 3.600 und Ende 1932 sind es bereits 6.060 Parteigenossen; am 19. Juni 1933, dem Tag des Verbots der NSDAP, kann man auf 10.460 Mitglieder verweisen, die nun mit einem Schlag zu „Illegalen“ werden.

      Neben der steigenden Arbeitslosigkeit ist es in Kärnten vor allem auch die Verschuldung der Bauern, die der Propaganda der Nazis in die Hände spielt; allein 1934 werden in Kärnten 876 Zwangsversteigerungen von Bauernhöfen beantragt. In einem Bericht des Landesgendarmeriekommandos von 1932 heißt es zur dramatischen Lage der Bauern: „Die Unzufriedenheit

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