Zwei Millionen ham'ma erledigt. Johannes Sachslehner
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Die Strategie der Nazis: Sie provozieren mit Aufmärschen und Versammlungen in den Hochburgen des politischen Gegners, sie beeindrucken durch pathetisch-heroische Inszenierungen, sie schrecken vor Diffamierungen ihrer Gegner, vor Gewalt und Terror nicht zurück und locken andererseits mit karitativen Aktionen wie der NS-Nothilfe – ein Konzept, das einem Mann wie Odilo Globocnik gleichsam auf den Leib geschneidert ist. Als Gau-Betriebszellen-Propagandaleiter, der Gau-Betriebszellenleiter Erwin Seftschnig unterstützt, ist es seine Aufgabe, in den Betrieben mit nationalsozialistischen „Zellen“ Fuß zu fassen. „Keine Arbeitsstelle ohne Nazizelle!“ lautet eine Parole, mit der von der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) in Kärnten agitiert wird, und man bleibt nicht ohne Erfolg: Ein Rundschreiben der Gau-Betriebszellenleitung nennt für den August 1932 bereits Betriebszellen in 26 Orten, in einzelnen Gemeinden, so etwa in St. Veit an der Glan, kann man erstmals „Stützpunkte“ installieren.
Mit dem Ausbau eines persönlichen Netzwerks versucht Globocnik seine Position in den Reihen der „Bewegung“ zu stärken. Freundschaften schließt er etwa mit Gesinnungsgenossen aus Wolfsberg, das sich durch eine rege Nazi-Szene auszeichnet. Da sind die Brüder Herbert Gasser (1910 – 1971) und Paul Gasser (1904 – 1941), Söhne des Wolfsberger Bürgermeisters Gregor Gasser, der politisch im Lager der „Großdeutschen Volkspartei“ steht. Während sich Herbert Gasser 1934 beim Juli-Putsch exponiert und im Lavanttal gegen das „System“ kämpft, wird Paul Gasser nach dem „Anschluss“ mit Globocnik nach Wien gehen. Aus Wolfsberg ist auch die blutjunge Lyrikerin Ingeborg Teuffenbach, Jahrgang 1914, die bei den Treffen der braunen Recken ihre begeisterten Gedichte an den „Führer“ vorträgt. Mit Globocnik verbindet sie bald eine enge Freundschaft; aus Anlass ihrer Heirat im November 1937 mit Heinz Capra wird sie ihn zum Trauzeugen wählen.
Der Handgranatenüberfall zweier SA-Männer auf ein Pionierbataillon des Bundesheers und christlich-deutsche „Wehrturner“ im Alauntal in der Nähe von Krems am 19. Juni 1933 zieht noch am selben Tag das Verbot der NSDAP und all ihrer Organisationen nach sich; Justiz- und Unterrichtsminister Kurt Schuschnigg rechtfertigt in einer Rundfunkrede dieses Vorgehen, die Regierung werde im Kampf gegen den SS-Terror „ihre Pflicht erfüllen“. Im Gefolge dieses „schwersten Mordverbrechens seit dem Bestehen der Republik“, wie die Reichspost am 20. Juni titelt, wird Globocnik in Kärnten zum Gauleiterstellvertreter berufen – Gauleiter ist der ehemalige Bundesheeroffizier Hubert Klausner – und rückt damit erstmals deutlicher ins Visier der Staatspolizei. Am 30. August 1933, um 7.45 Uhr, wird Globocnik von Beamten des Bundespolizeikommissariates Klagenfurt vorübergehend festgenommen, sein Vergehen: Er wagt es, vor dem Fenster des Polizeigefangenenhauses in Klagenfurt mit inhaftierten NS-Häftlingen – im Juni 1933 sind allein in Kärnten 252 Nazi-Funktionäre hinter Gitter gewandert – über politische Themen zu sprechen. Nach „vorgenommener Perlustrierung“ wird er jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt.
Als Gauleiter Hans von Kothen, eine „der dubiosesten Figuren der deutschen NSAP“ (Alfred Elste), bei einem Treffen der Kärntner NS-Führungsspitze vom 17. bis zum 19. Juli 1933 in Tarvis versucht, seine Position durch die Bestellung verlässlicher Gefolgsleute abzusichern, ist es Globocnik, der gegen Kothen in die Schranken tritt: Sein Aufenthalt in Tarvis sei „sinn- und zwecklos“, außerdem gefährde ein Agitationszentrum in Tarvis – ein Vorschlag Kothens – die Parteiarbeit in Kärnten.
Wenig später, am 17. September 1933, macht das Bundespolizeikommissariat Klagenfurt ernst: Globocnik wird ein erstes Mal verhaftet und zu sechs Wochen (42 Tagen) Haft wegen illegaler Betätigung für die NSDAP verurteilt. Der konkrete Vorwurf: Er sei „mit seinem Auto F-20 in Begleitung des Karl Grasmug, des Otto Drumbl und des Lehrers Robert Tusch im Lavanttal umhergefahren“ und habe NSDAP-Flugschriften mitgeführt, die am nächsten Tag in der Region verteilt worden seien. Außerdem habe man in seinem Besitz auch einen Brief des ehemaligen Gauleiters Hans von Kothen gefunden, den er einem NS-Kurier übergeben hätte sollen. Wieder ist es Emil Michner, der ihm zu Hilfe kommt: Er interveniert bei Landeshauptmann Hülgerth, seinem Waffenbruder aus den Abwehrkämpfen; Globus wird entlassen und darf sogar die Baumeisterprüfung ablegen; seinen Arbeitsplatz behält er vorerst noch; daran ändert auch eine neuerliche Verhaftung am 13. November 1933 nichts, die eine Haftstrafe von 4 Wochen (28 Tagen) nach sich zieht. Grund für den Zugriff ist der Verdacht, dass er an den Sprengstoffanschlägen in Klagenfurt und Umgebung beteiligt gewesen sein könnte. Das Bundespolizeikommissariat lässt ihn ins Landesgericht Klagenfurt einliefern, doch wieder erweisen sich die Helfer des verdächtigen Nazis im Hintergrund als stärker: Die Staatsanwaltschaft stellt das gegen Globocnik eingeleitete Strafverfahren ein, bereits nach acht Tagen wird dieser wieder auf freien Fuß gesetzt.
Im Juni 1934 wird Globocnik, wie er später in einem Lebenslauf angibt, „wegen pol. Betätigung aus dem Beruf entlassen“. Was sich hinter dieser harmlos klingenden Entlassung wegen „politischer Betätigung“ verbirgt, erhellt die Aussage des Sohnes von Globocniks Arbeitgeber. Demnach, so erzählt er 1995 Siegfried Pucher, sei der junge Nazi von Robert Rapatz rausgeworfen worden, weil er „auf dem damaligen Lagerplatze meines Vaters – ohne dessen Wissen – Sprengstoff versteckt hatte. Dieser Sprengstoff wurde angeblich für Attentate, Brückensprengungen etc. verwendet. Im Zuge der damaligen polizeilichen Ermittlungen wurde auch mein Vater einige Tage festgenommen, bis sich herausstellte, daß er von dem Sprengstoff nichts wußte und daß Globocnik völlig eigenmächtig und unerlaubt gehandelt hat. Nach diesem Vorfall wurde Globocnik von meinem Vater entlassen.“ Bis zu seinem Rauswurf weiß dieser die Vorteile, die ihm sein Arbeitsplatz bietet, offenbar gut zu nützen. Eine in der Familie überlieferte Anekdote, die Siegfried Pucher berichtet wird, illustriert den Einfallsreichtum Globocniks: So lernt er beim Bau des neuen Priesterseminars der Diözese Gurk in Klagenfurt – Rapatz hat ihm die Leitung dieses Bauprojekts anvertraut – den Bischof von Kärnten Adam Hefter kennen. Eines Tages lädt er den Bischof zu einer Fahrt ins Mölltal ein, unter dem Vorwand, einigen Verwandten Essenspakete zu überbringen. Die angeblichen Essenspakete, die auch unter dem Sitz des Bischofs verwahrt werden, enthalten jedoch weder Speck noch Eier, sondern Sprengstoff, der an die Parteigenossen verteilt werden soll. Im Auto des ehrwürdigen Herrn Bischofs, so das schlaue Kalkül, würde man die Straßensperren der Polizei ungehindert passieren können – der Coup gelingt ohne Zwischenfall.
Die Entlassung beschleunigt die Verwandlung Globocniks zum illegalen Aktivisten – er opfert seine bürgerliche Karriere als Bautechniker und Baumeister endgültig dem Kampf für die NSDAP im Untergrund. Eine neue Bleibe findet der Gauleiterstellvertreter in der Villa von Emil Michner in Krumpendorf, der hier zusammen mit seiner Frau eine Fremdenpension führt. Von den Michners offiziell als „Gärtner“ beschäftigt, kann er hier weiter die Fäden im „illegalen Kampf“ der Nazis ziehen, die Villa wird zur Drehscheibe der NS-Untergrundarbeit.
Nach dem gescheiterten Putschversuch der Nazis am 25. Juli 1934 hilft Globus einigen von der Polizei gesuchten Putschteilnehmern: Er versteckt die Flüchtigen in der Villa der Michners in Krumpendorf und lässt sie anschließend über die Grenze nach Jugoslawien bringen, von dort reisen die Parteigenossen per Schiff weiter nach Deutschland.
Die parteiinterne Karriere erhält durch das Scheitern des Juliputsches neuen Anschub – mehr denn je benötigt man Männer wie Globocnik: junge, dynamische,