Vielleicht begab es sich aber .... Eckart zur Nieden
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»Hm. Hübsch, aber noch zu jung. Im nächsten Jahr vielleicht. Notiere das!«, sagte der Vornehme zu seinem Begleiter. Der wollte den Sonnenschirm auf den Boden legen, aber sein Herr brummte ärgerlich: »Gib her!« Er hielt sich das Ding selbst über den Kopf, und der andere nahm eine Wachstafel und einen Stift aus seiner Umhängetasche und drückte einige Zeichen hinein.
Gerade wollte der Dicke sich Hagars Mutter zuwenden, die immer noch auf dem Boden saß, da rief einer der Bewaffneten: »Herr! Sieh da drüben!«
Alle wendeten den Blick zur Straße.
Da kam eine Reisegruppe. Ein alter Mann ging voraus, ihm folgten mehrere Frauen. Eine kleine Schaf- und Ziegenherde wurde von Männern, anscheinend Knechten, zusammengehalten und vorwärtsgetrieben, zwei Esel trugen Teppiche und Zeltstangen, ein Eselsfüllen trippelte neben einem der Lasttiere.
»Haltet sie auf!«, befahl der Dicke und wendete seinen Esel. Die beiden Bewaffneten liefen zur Straße und stellten sich dort breitbeinig auf, die Spieße den Ankömmlingen entgegengestreckt. Die verzögerten ihre Schritte. Nun war auch der Dicke auf seinem Esel herangekommen. Er redete auf den Mann an der Spitze der Gruppe ein. Daraus, dass er dabei mit den Händen gestikulierte, schlossen die Frauen, dass sie in unterschiedlichen Sprachen redeten und sich kaum verstanden.
Jetzt sahen sie, dass der Dicke von seinem Esel stieg. Es schien ihn einige Mühe zu kosten. Er ging auf die Frau zu, die direkt hinter dem Anführer der Gruppe gegangen war, legte seinen Finger unter ihr Kinn und drückte damit ihren Kopf hoch. Nach einigen offenbar vergeblichen Versuchen, sich zu verständigen, und vielen Handbewegungen, stieg der Dicke mit Hilfe seiner Begleiter mühsam wieder auf sein Tier und ritt los, in die Richtung, aus der er gekommen war. Sein Helfer lief links neben ihm her, einer der Bewaffneten rechts, es folgten die Fremden, und der zweite Bewaffnete beschloss den Zug.
Hagars Großmutter murmelte zu ihrer Tochter: »Vielleicht hätten sie dich mitgenommen, wenn nicht gerade diese Fremden gekommen wären.«
»Vielleicht.«
»Ist das nun gut oder schlecht?«
Hagars Mutter antwortete nicht und wandte sich wieder ihren Ziegelformen zu. Hagar und ihre Großmutter stiegen in die Lehmgrube zurück.
***
Es war ein größerer Komplex von Lehmhäusern, in dessen Innenhof sie Hagar schoben. Da waren noch andere Frauen und Männer. Eine Frau kannte sie, sie hatten einmal bei der Getreideernte zusammengearbeitet.
Hagar ging zu ihr hin, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Doch die Frau sprach sie an: »Du auch? Du bist noch so jung.«
Hagar nickte. »Sie haben mich einfach von zu Hause weggeholt.«
»Ich kenne dich, aber ich habe deinen Namen vergessen.«
»Hagar.«
»Richtig, Hagar.«
»Kommen wir in den Palast?«
»Oh nein, in den Palast nicht. Ich weiß es nicht genau, aber es wird erzählt, der König wolle uns den Hebräern schenken.«
»Wem?«
»Hebräer. So nennt man diese Leute. Sie kommen aus dem Gebiet – da drüben irgendwo.« Sie zeigte in die Richtung, in der die Sonne aufgeht, etwas weiter nach links. »Es sind Nomaden. Leute, die nicht in festen Häusern wohnen, sondern in Zelten, die sie immer mitnehmen, wenn sie mit ihrem Vieh neues Weideland suchen.«
»Suchen sie jetzt hier Weideland?«
Die Frau lachte. »Nein, Kind, hier nicht. Man würde sie vertreiben. Hier braucht jeder sein Gras selbst. Sie sind auch fast ohne Vieh gekommen.«
»Aber warum sind sie dann überhaupt gekommen?«
»Weil es in ihrem Land eine Dürre gibt. Es wächst fast nichts, ihr Vieh hat nichts zu fressen, sie selbst haben darum auch nichts und müssen hungern. Aber jeder weiß, dass man hier in Ägypten nicht so auf Regen angewiesen ist. Hier wächst immer etwas, weil wir den Nil haben. Darum sind sie gekommen.«
»Ach so. Aber warum will uns der König ihnen schenken? Uns können sie ja nicht essen.«
»Nein«, lächelte die Frau, »wir werden Mägde und Knechte von diesem Mann.«
»Aber warum?«
Die Frau setzte sich auf den staubigen Boden und lehnte den Rücken an die Lehmziegelwand. Dann winkte sie Hagar. »Setz dich neben mich! Ich erzähle dir, was man so munkelt.« Sie dämpfte ihre Stimme, als handele es sich um ein tiefes Geheimnis. Hagar musste sich zu ihr hinüberbeugen, um alles zu verstehen.
»Dieser Abram hat eine Frau von großer Schönheit, obwohl sie wahrhaftig nicht mehr die Jüngste ist. Die Späher des Königs hatten sie schnell entdeckt und in den Palast gebracht.«
»So wie mich und meine Mutter auch fast …«
»Der Anführer dieser Truppe, dieser Abram, hat gesagt, sie sei seine Schwester. Deshalb hatten sie auch keine Skrupel. Das war auch nicht ganz gelogen, sie ist seine Halbschwester. Aber vor allem ist sie seine Frau. Man sagt, dass den König allerlei Unglück traf, seit diese Frau an seinem Hof war. Irgendwie kam dann raus, dass sie mit Abram verheiratet ist. Der König ist an dem Punkt sehr empfindlich. Wenn er sich nun den Zorn des hebräischen Gottes zuzieht! Also hat er Sarai wieder unversehrt an Abram zurückgegeben, und zur Versöhnung schenkt er ihm noch Vieh und – na ja, uns eben. Als Knechte und Mägde. Und mit genug Verpflegung ausgerüstet, geht nun die Reise zurück. Und wir sind dabei.«
»Werde ich dann meine Familien nicht mehr wiedersehen?«
»Natürlich nicht, Hagar! Gewöhne dich an den Gedanken, dass du jetzt eine Hebräerin bist. Du bist noch jung, wirst bald in die neue Lebensweise hineinfinden und ihre Sprache lernen. Ich werde dafür länger brauchen. Sei nicht traurig! Ob du da schuftest oder hier, kommt doch ziemlich auf das Gleiche raus.«
»Aber … aber meine Mutter und …«
»Es hätte sowieso nicht mehr lange gedauert, dann hätten sie dich aus deiner Familie gerissen. Vielleicht geht es uns ja bei diesen Schafhirten ganz gut. Wenn sie nur nicht so stinken würden! Na ja, daran werden wir uns gewöhnen. Sieh da rüber! Das scheinen sie zu sein.«
Ein vornehm gekleideter Herr – anscheinend ein Beamter des Königs – führte den alten Mann herein, den Hagar schon einmal von weitem gesehen hatte. Seine Frau ging an seiner Seite. Der Vierte in der Gruppe schien ein Übersetzer zu sein, denn wenn der Beamte mit ihm geredet hatte, sprach er anschließend mit dem Alten.
Nun erhob der Königsbeamte seine Stimme: »Herkommen! Alle!«
Wer gesessen hatte, stand auf, und alle drängten sich um ihn, auch Hagar.
»Dieser geschätzte Gast aus dem Land Kanaan genießt die besondere Freundschaft unseres weisen Königs – lang sei sein Leben! Darum hat er in seiner Großmut beschlossen, ihm ein Geschenk zu machen, das eines Königs würdig ist: Vieh und Sklaven. Das seid ihr. Dieser würdige Mann, Abram ist sein Name, ist also von nun an euer Herr. Und seine Frau Sarai ist eure Herrin. Erweist ihnen Ehre!«
Die