Auf Wölfe schießt man nicht. Heinz-Dietmar Lütje

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Auf Wölfe schießt man nicht - Heinz-Dietmar Lütje

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signalisierte ihm sein Sinn für Gefahr.

      Unter Schmerzen richtete er sich auf, wollte sich schnell noch strecken, was aber der sofort verstärkt einschießende Schmerz ihn gleich wieder abbrechen ließ. Leise stahl er sich davon. Irgendwie war er bei weitem nicht mehr so schnell auf den Läufen, wie vor diesem lauten Knall. Danach wurde alles schlechter und auch die Schmerzen immer mehr. Was war das bloß gewesen? Dann noch dieser komische schnelle Kasten, der auf der dunkel wie ein Fluss schimmernden festen Fläche ihn noch am Hinterlauf getroffen hatte. Und jetzt waren seine vielen Feinde schon wieder hinter ihm her. Nein, sowie es ihm wieder besser ging, wollte er sich aus dieser ungastlichen Gegend verabschieden. Aber jetzt galt es, auf drei Läufen erst einmal den neuen Häschern zu entgehen. Unter Schmerzen und dem nun doch merkbaren Blutverlust taumelnd hatte er schließlich einige Kilometer hinter sich gebracht. Vorsichtig sichernd näherte er sich wieder dieser gefährlichen Fläche, die hier die Felder trennte, wie ein Fluss oder breiter Bach, nur ohne Wasser und fest und hart und mit so gefährlich schnellen Ungetümen. Sorgfältig sondierte er aus schmalen Lichtern die Lage. Jetzt ging es wohl. Keine sich schnell nähernden kleinen, hellen und gefährlich wirkenden Dinger, die wie kleine Monde leuchteten. So schnell es ging, überquerte er die gefahrvolle dunkle Fläche, überfiel mit Mühe den breiten Graben und lief weiter. Auch zunehmender Durst quälte ihn. Nur nicht nach rechts, da hatte es geknallt und danach ging es ihm immer schlechter. Er strauchelte kurz vor Schwäche, als er die Rapsfläche durchquerte und stieß auf einen kleinen Wasserlauf. Keinen Graben, nein, eher schon ein schmaler Bach mit nur leicht abfallendem Ufer. Er sicherte nochmals und schöpfte dann lang und ausgiebig. Oh, tat das gut. Was war das, eben noch so erfreut das frische Wasser geschöpft und schon wurden die Schmerzen im Leib noch stärker? Mühsam erhob er sich auf seine drei heilen Läufe und schaute sich um. Da drüben. Bäume, Wald. Das verhieß mehr Sicherheit. Dort würde er einen Unterschlupf finden und ausruhen können. Und richtig. Auch dort standen Fichten dicht an dicht und er ging unter einer dieser mit tiefen, fast den Boden berührenden Schutz verheißenden Ästen ins Wundbett. Schmerz, Schwäche und Müdigkeit ließen ihn schnell in einen unruhigen Schlaf fallen.

      »Hier haben wir abgebrochen«, verkündete Polizeioberkommissar Helmers, »und da, sehen Sie, ist er in Ihr Revier gewechselt. Hier ist auch Schweiß, deutlich zu sehen. Ja, und auch, dass der Köter nur drei Läufe aufsetzt.« Sie überquerten die Straße und richtig, auch an der Grabenkante auf der Seite, wo das von Michaelis gepachtete Revier begann, zeigte sich in dem höheren Bewuchs an dem hier noch tieferen Graben abgestreifter Schweiß. Während der Polizeibeamte und Michaelis schon voranschreiten wollten, stoppte sie der Tierarzt, der eine breite Grünpflanze einer näheren Betrachtung unterzog. »Halt, meine Herren, sehen Sie hier!« Er beruhigte kurz seinen Hund, der ebenso wie der beteiligte, aber deutlich hinter dem Schweißhund zurückbleibende, Berry ungestüm auf Fortsetzung der Suche drängte. Interessiert schauten Sie auf das mit Schweiß gesprenkelte Grünzeug.

      »Ja, Schweiß, aber was ist daran denn …«, fragte Helmers? Auch Michaelis konnte nicht erkennen, was jetzt so bedeutsam sein sollte? »Schweiß ja, aber hier, diese etwas dunkleren, braunschwarzen Sprenkel. Sehen Sie? Das sieht mir fast wie Darminhalt, vermischt mit Blut, aus.« Dr. Albert Klein zerrieb die mit dem Fingernagel abgekratzten Krümel zwischen seinen Finger, führte sie an die Nase und beschnupperte sie ausgiebig. Dann nickte er. »Ja, ich bin mir eigentlich ziemlich sicher. Das Tier hat eine Verletzung des Darms. Aber mir erschließt sich nicht, wieso dann an dem Pkw kein stärkerer Schaden entstanden ist und insbesondere nicht, wenn hier eine derart tiefe Wunde bei dem Zusammenprall mit einem Pkw entstanden ist, weshalb wir dann nicht mehr Schweiß gefunden haben, wieso dann insbesondere das Tier noch soweit kommen konnte?«

      Michaelis war jetzt endgültig sicher. Es handelte sich hier um den Wolf und die Verletzung rührte von seinem Schuss her.

      Inka von der Senner Alm hielt die Fährte ohne jede Anstrengung und die Korona hatte Mühe, ihr zu folgen. Es bedeutete natürlich auch überhaupt keine Schwierigkeit für einen geschulten und hochtrainierten vierläufigen Spezialisten, eine derart frische Fährte zu halten.

      Nur Berry, Michaelis Schäferhund, der diese Aufgabe auch spielend gemeistert hätte, war hochgradig unzufrieden. Wieso durfte diese Hundedame die erste Geige spielen. Das stand ihm naturgemäß zu. Also versuchte er immer wieder sich nach vorne an die Spitze zu setzen. »Berry, nun zergel mich hier nicht über die Plane, was sollen die Leute denken?«, wies Gerd seinen Hund zurecht. Er erntete nur einen tief enttäuschten Blick aus braunen Hundeaugen, was er ja irgendwie auch verstehen konnte.

      Das Feld mit frisch aufgelaufenem Getreide war schnell geschafft. Dann ging es plötzlich scharf nach links. »Das arme Tier will seine Verletzungen kühlen und strebt zum Bach«, vermutete der Veterinär und gebot seiner Schweißhunddame kurz anzuhalten, was diese gar nicht verstehen konnte.

      »Wir sollten das weitere Vorgehen kurz abstimmen«, wandte er sich dann an seine beiden Mitstreiter.

      »Was gibt es da abzustimmen? Wenn wir den Wolf aufgestöbert haben, schießen Sie beide oder schnallen die Hunde. Gemeinsam werden sie mit dem Vieh schon fertig, es liegt schließlich ei …«

      »Was haben Sie gesagt? Wolf?«, unterbrach Michaelis den Polizisten. »Das habe ich auch gehört«, bestätigte der Tierarzt völlig verblüfft und starrte den Beamten an, als sei diesem eben ein zweiter Kopf gewachsen. »Allerdings. Ich habe eindeutig Wolf gehört. Das verlangt nach Aufklärung, Herr Polizeioberkommissar!« Bewusst betonte Michaelis den Dienstgrad des Beamten. Überrascht war auch er, wenn auch aus anderem Grund, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt und war sich sicher, dass er jetzt wohl seinen Hals aus der Schlinge ziehen konnte. Gespannt, was dem erfahrenen Beamten jetzt einfiel, bedachte er ihn mit dem Blick, der schon so viele Zeugen total verunsichert hatte. »Äh, ich … Habe ich Wolf gesagt?«, stotterte Pepe Helmers und überlegte krampfhaft, wie er sich aus dieser Schlinge herauswinden konnte? Allein sein Kopf, der jetzt mächtig anschwoll und eine Rotfärbung angenommen hatte, wie sie jedem Indianer zur Ehre gereicht hätte, strafte ihn Lügen.

      »Merken Sie etwas, Herr Dr. Klein? Ich glaube fast, wir sollen hier Opfer einer Verschwörung werden.

      Schauen Sie sich mal unseren wackeren Polizeibeamten und Jagdaufseher von Großbauers Gnaden an. Wenn da nicht die personifizierte Lüge vor uns steht, dann habe ich in über vierzig Jahren als Anwalt noch nie eine Person vor Gericht lügen sehen!«

      In Pepe Helmers Kopf drehte sich alles. Die Gedanken rotierten und ihm brach trotz der eingesetzten abendlichen Kühle der Schweiß aus. Nur der rettende Einfall kam nicht. Er holte tief Luft und brüllte in einer Lautstärke, die sicherlich noch im kilometerweit entfernten Ort zu hören sein müsste los:

      »Sie! Sie, sie Rechtsverdreher, mir drehen Sie nicht das Wort im Mund um! Soweit kommt’s noch! Hund! Hund habe ich gesagt und nichts anderes! Mir hängen Sie nichts an! Mir nicht – merken Sie sich das!« Fast entsetzt blickte Tierarzt Dr. Albert Klein von Einem zum Anderen. Auch seine Bayrische Gebirgsschweißhündin wirkte hochgradig irritiert. War man hier auf Nachsuche oder gab es gleich eine Beißerei zwischen den Menschen? Dann müsste sie ja wohl ihr Herrchen verteidigen und so wollte sie gerade einmal vorsorglich knurren, als ihr der große Schäferhund zuvorkam. Dieser platzierte sich zwischen Michaelis und den Beamten und ließ ein derart tiefes Grrrrrh hören, dass POK Helmers vorsorglich drei Schritte zurückwich und mit zitternden Fingern am Holster seiner Pistole nestelte. Knurren kann der Rüde, alle Achtung, schien sich Inka von der Senner Alm zu denken und wollte da auch nicht zurückstehen und ließ sich ebenfalls mit einem deutlichen Kgrrrr vernehmen. Während Berry sein schneeweißes Gebiss bleckte und gespannt wie eine Stahlfeder auf den Beamten starrte. Bereit, bei der geringsten Gefahr bedeutenden Bewegung loszuschnellen und diesen mit seinem beeindruckenden Gebiss bekanntzumachen. Da sah es Dr. Klein als seine Aufgabe an, hier deeskalierend einzuwirken.

      »Meine Herren! Meine Herren, ich bitte Sie. Gleich haben Sie es geschafft, dann drehen die Hunde durch. Beruhigen Sie sich und Sie,

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