Dunkle Geschichten aus dem Alten Österreich. Barbara Wolflingseder
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Kindberg um 1830, aus: „Lithografirte Ansichten der Steiermark“, J. F. Kaiser
Es vergingen fünf Wochen, dann wurden von zwei Bauern entscheidende Hinweise zur Aufklärung der Gräueltat erbracht. Paul Reininger, ein Knecht und Kartenspieler, sei der Mörder, waren sich die beiden sicher. An jenem Tag, an dem Magdalena Angerer verschwand, haben sie ihn in einem Gasthaus angetroffen, wo er sehr viel getrunken und sein ganzes Geld verspielt hat, erzählten die Bauern am Gericht. Am Nachmittag wurde Reininger dann an jener Stelle gesehen, wo später die Tote gefunden wurde. Es folgte eine genaue Untersuchung, bei der die Habseligkeiten des Beschuldigten überprüft wurden. Dabei wurden in einer Truhe blutige Kleider der ermordeten Braut, ihr Kranz und die Hälfte eines kleinen menschlichen Herzens gefunden. Zur Rede gestellt, gestand er nicht nur diese Tat, sondern enthüllte gleich die ganze Bandbreite seiner Verbrechen, die er in den letzten sieben Jahren verübt hatte: Paul Reininger hatte sechs Frauen im Alter zwischen 25 und 32 Jahren getötet. Der irre Mörder wurde im Juli 1786 im Schloss Wieden bei Kapfenberg einem peinlichen Verhör unterzogen. Kaltblütig soll er die weiteren fünf Morde geschildert haben.
Blätter zur Geschichte und Heimatkunde der Alpenländer, Beilage zum „Grazer Tagblatt“ vom 29. Jänner 1911
Am Fronleichnamstag 1779 sei er zum ersten Mal mit einem Messer auf eine Dienstmagd losgegangen. Er habe eine gewisse Konstanzia P. in einen Wald gezerrt und konnte sie noch zu einem Liebesspiel überreden, teilte er dem Gericht ungerührt mit. Die Vorwürfe, die sie ihm wegen seiner Trunksucht machte, wollte er sich aber nicht anhören. Nachdem er sie erstochen hatte, bedeckte er ihre Leiche mit Gesträuch und ging nach Hause.
Drei Jahre später verübte er seinen zweiten Mord. Nach einer Tanzunterhaltung erwürgte er ein Badstubenweib, nachdem er wieder einmal sein ganzes Geld verspielt und versoffen hatte. Die paar Gulden, die sie bei sich hatte, steckte er in seine Tasche.
Die nächste grausame Tat, die der Knecht beging, geschah noch im selben Jahr. Wieder war es der Fronleichnamstag und wieder befand er sich in stark alkoholisiertem Zustand. Besonders tragisch war in diesem Falle, dass das Opfer ein erst sieben- oder achtjähriges Mädchen war. Die kleine Elisabeth Leitner traf er beim Schafe- und Ziegenhüten auf einer Wiese an und luchste ihr einen Ziegenbock ab, den er an Ort und Stelle schlachten wollte. Die Kleine fragte nach dem Grund des überstürzten Vorhabens, da packte er sie und stach ihr mit seinem Messer in den Hals. Dann schnitt er dem Mädchen das Herz aus dem Leib und verspeiste es zur Hälfte. Die andere Hälfte des kleinen Herzens wurde Jahre später bei seiner Verhaftung in erwähnter Truhe gefunden. Der Mord an dem Kind ereignete sich nahe dem Weg zum Herzogsberg, welcher später den Namen „Herzlfresserweg“ erhalten sollte.
1783, am 6. November, lockte Reininger laut Gerichtsakten eine unbekannte Weibsperson in den Wald und ermordete sie ihres Geldes willen. Es handelte sich um eine geistesschwache, 50-jährige Bauernmagd, die gerade einmal 45 Kreuzer bei sich hatte. Gleich ein paar Tage darauf amüsierte er sich bei einer Tanzveranstaltung in seinem Heimatort Turnau, wo er der 17-jährigen Barbara Lammer begegnete. Die junge Frau reagierte abweisend auf sein Liebeswerben, und so kam auch sie unters Messer. Ihren malträtierten Leichnam fand man erst nach einem halben Jahr auf einer Weide bei Göriach.
„Ein übernatürlicher Antrieb“
Von den sechs ermordeten Weibspersonen habe Paul Reininger, wie er dem Landesgericht mitteilte, nur zwei Herzen aus dem Leibe geschnitten. Jenes des kleinen Mädchens, das er sich auch zur Hälfte einverleibt habe, und jenes der Braut, vor dem ihm aber so fürchterlich geekelt habe, dass er es wegwerfen musste. Weiters sagte er aus, dass ihn Bosheit und ein übernatürlicher Antrieb an Körpern, so lange welche noch warm zu fühlen gewesen seien, herumzumetzgern zu den Taten getrieben hätten. Seine Aussage schloss der Besessene mit der Einsicht, dass er wohl gewusst habe, wie schwer seine Verbrechen gewesen wären, allein da er Gott verlassen hätte, habe ihn der böse Feind dazu verleitet, denn er habe nichts gebetet, selten gebeichtet, seine Sünden nicht aufrichtig, einen Todschlag aber gar niemals bekennet, und sein Unglück komme von der Hurerei her, welcher er neun Jahre ergeben gewesen wäre. Nach dreitägiger Bedenkzeit stand er nach wie vor zu seinen Worten: Was werde ich zu meiner Entschuldigung sagen? Ich lasse alles Gott dem Allerhöchsten über, was er mit mir machen wird, weil ich wenig gebetet und Gott nicht vor Augen gehabt habe, bin ich in die Dienstbarkeit des Satans verfallen, und hierdurch zu diesen Lastertaten verleitet worden.
Zum Gedenken an eine schaurige Tat: die Weihe des Herzlfresser-Marterls in Kindberg, 1912
Ein beeideter Wundarzt verfasste Mitte April 1786 einen Konstitutions- und Temperamentbefund über den Gewaltverbrecher, der dem Kriminalakt angeschlossen war. Er beschrieb Reininger als einen muskulösen Mann mit schwarzen Haaren und Bart, einem fetten, braunen Körper und starken Gliedmaßen. Ferner soll er weißgraue Augen mit falschem Blicke gehabt haben und dem Anscheine nach furchtsamen Gemüts, ziemlich guter Vernunft, kollerisch sanguinischen Temperaments, zur Wollust und Fröhlichkeit geneigt.
Das Urteil, das über Paul Reininger am 24. April 1786 gefällt wurde, gehörte zum schwersten, das in dieser Zeit verhängt wurde:
Paul Reininger soll wegen an sechs Personen auf die grausamste Art verübten Straßen- und Meuchelmorden an die gewöhnliche Richtstätte geführt, am ersten Viertelweg ihm ein Zwick mit glühender Zange in die rechte Brust, am halben Weg ihm ein Riemen aus der linken Seite am Rücken geschnitten, am dritten Viertel, wiederum ein Zwick in die linke Brust, an der Richtstätte selbst abermals ein Riemen aus der rechten Seite geschnitten, hernach ihm all dort seine Glieder durch den ganzen Leib von unten auf mit dem Rade abgestoßen und also soll er dem Leben zum Tode gerichtet, folgens der Tote in das Rad geflochten und ein Galgen mit herabhängendem Strang aufgerichtet werden.
Kaiser Josef II. änderte die harte Strafe um und verfügte, dass Paul Reininger auf der Richtstätte lediglich gebrandmarkt werde und drei Tage hintereinander 100 Stockstreiche erhalten solle. Dann sei er nach Graz auf den Schlossberg zu überführen und dort lebenslänglich im Gefängnis anzuschmieden. Seine Nahrung dürfe nur aus Wasser und Brot bestehen, außerdem müsse er alle Vierteljahre coram publico 50 Stockstreiche erhalten.
Im Juli 1786 wurde in Kapfenberg die Züchtigungsstrafe an Paul Reininger vollzogen. Als Strafverschärfung wurde er nicht von Gerichtsdienern, sondern vom Scharfrichter selbst geprügelt: Am ersten Tag schrie der Gezüchtigte bis zum 40. Streich. Dreimal musste er gelabt werden. Am zweiten Tag schrie er nicht so heftig, aber am dritten Tag schrie er bis zum neunzigsten Streich ganz erbärmlich, worauf er ohnmächtig wurde und wieder gelabt werden musste.
Weil man erwartete, dass bei dieser Tortur der Delinquent zu Tode kommen würde, stand sicherheitshalber gleich ein Geistlicher bereit, der den armen Sünder in seiner letzten Stunde mit den Tröstungen der Religion speisen sollte. Doch Reininger überlebte.
Am 12. August 1786 traf er unter einem großen Zulaufe des Volkes auf dem Grazer Schlossberge ein, wo er nach denen in drei Monaten ausgehaltenen 400 Stockstreichen am 11. November 1786 seinen mörderischen Geist aufgab, wie es der Schriftsteller und Gründer des Heimatmuseum Mürzzuschlag, Franz Josef Böhm, in seiner Niederschrift zum Fall „Herzensfresser“ ausdrückte,