Ungelöste Rätsel. Reinhard Habeck
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NATÜRLICHE UND KÜNSTLICHE ZEICHEN
Der fromme Glaube an märchenhafte Episoden aus dem Heiligenlexikon hat an Überzeugungskraft eingebüßt. Wir wissen längst, dass versteinerte Wunder meist eine natürliche Ursache haben. Dazu zählen Schalen, Wannen und Mulden, die von Naturfreunden gerne als „Opfersteine“ oder „Altarsteine“ bezeichnet werden. Es gibt ebenso sonderbare Höhlungen mit flachen und tiefen Lösungsrinnen, die durch fließendes Niederschlagswasser entstehen. Der Fachmann nennt diesen Ablauf „Karren“. Beim Phänomen der Schalensteine reicht diese Erklärung aber nicht aus. Natürliche Auswaschungen können solche Mulden zwar entstehen lassen, doch die meisten der bizarren Steinformen sind künstlich geschaffene Vertiefungen. Sie sind in unterschiedlicher Größe und Form (von winzigen Näpfchen bis zu einem halben Meter im Durchmesser) auf Felsplatten, Steinwänden und bei Megalithgräbern von Menschen hinterlassen worden. Der Ursprung der Schalensteine reicht zurück bis in eiszeitliche Epochen.
Schalenstein in Kautzen, Niederösterreich
Archäologen rätseln über Sinn und Zweck dieser Mulden, die mitunter durch Linien oder geometrische Muster miteinander verbunden sind. Die häufigsten Erklärungsversuche reichen von Kalender, Fruchtbarkeitssymbolik und Wegweiser bis zu Darstellungen von Sternbildern. Es gibt prähistorische Schalensteine, manche künstlich geschaffen, andere natürlichen Ursprungs, die später zu Fußabdrücken christlicher Heiliger erklärt wurden. Beispiele dafür sind der Magnustritt im bayerischen Füssen oder der Christophorus-Stein bei Harmannstein im nördlichen Waldviertel. Dort markiert er auf dem 836 Meter hohen Johannesberg den Eingang zur Johanneskapelle.
Schalenstein-Rätsel aus Sonnenberg/Südtirol: Wozu dienten die künstlichen Vertiefungen?
Hängendes Felsgebilde im Wienerwald
Die Herkunft und Bedeutung vieler alter Kultsteine ist umstritten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei einigen Relikten tatsächlich einen Zusammenhang mit der Missionstätigkeit heiliger Männer und Frauen gibt. Viele dieser merkwürdigen Gebilde verbindet eine Gemeinsamkeit: Sie sollen wundersame Heilkräfte besitzen und hatten offenbar bereits in vorchristlicher Zeit eine besondere Bedeutung. Andere wurden wegen ihrer „heidnischen“ Vergangenheit verteufelt. Es gibt viele Belege dafür, dass erstarrte Steinwunder einst auf prähistorischen Kultstätten standen, lange bevor sie im Zuge der Christianisierung eine neue Deutung erhielten.
Ein solch ungewöhnlicher Platz ist der „Hängende Stein“ bei Unterkirchbach im nördlichen Wienerwald, drei Kilometer südöstlich von Königstetten. Der mächtige Sandsteinblock liegt etwas versteckt im Dickicht und scheint über einem Steilhang förmlich in der Luft zu schweben. Strahlenforscher verspüren an diesem energiereichen „Kraftplatz“ verstärktes Pendel- und Rutenzucken. Geologen nehmen an, dass die Erosion durch Wind und Wasser zur Entstehung der grotesken Form geführt hat. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass unsere Urahnen bei der Bearbeitung etwas mitgeholfen haben. Heißt es doch, dass der „Hängende Stein“ einst ein heidnischer Opferstein gewesen sein soll. Was wurde geopfert und wie? Beachtenswert sind auf der felsigen Oberfläche zahlreiche menschliche „Visitenkarten“. Dazu zählen Sitzmulde, Schalenstein und Näpfchen aus archaischer Zeit. Daneben sind aber ebenso „Verschönerungen“ aus jüngeren Epochen erkennbar: Umrisse einer Taube, eine Herzform, Initialen, Jahreszahlen und ein Hakenkreuz. Dem Bergsteiger, Vielschreiber und Amateurarchäologen Karl Lukan (1923 – 2014) blieb zeitlebens kein sonderbarer Kultplatz der Alpenregion verborgen. Die kulturhistorische Forschung verdankt seiner Pionierarbeit viel. Ohne Karl Lukans Neugier und Wissbegier wären viele alte Kunst- und Kulturrelikte längst in Vergessenheit geraten. Über das „Felsgebilde“ bei Unterkirchbach bemerkte der Alpinist:
„Sicher wissen wir, dass unsere heidnischen Vorfahren keine Tempel kannten, sondern sogenannte ‚Naturheiligtümer‘ die Stätten ihrer besonderen Verehrung waren. Vom ‚Hängenden Stein‘ in seiner Waldeinsamkeit wird erzählt, dass es bei ihm nicht ganz geheuer sei; solche Erzählungen gibt es fast über alle einstigen Opferstätten. Es spricht also einiges dafür, im ‚Hängenden Stein‘ einen Altar unserer Vorfahren zu sehen, einen sogenannten Schalenstein.“
Magnete anziehender La-Mana-Stein mit mo- delliertem Gesicht eines bärtigen Mannes. Gibt es einen Zusammenhang zum Abbild auf dem Turiner Grabtuch?
Der Legende nach versank 1384 Ritter Oswald Milser knietief im plötzlich weich gewordenen Stein. Spuren sei- ner Hand- und Fußabdrücke sind am Fußboden und an der Altarkante der Pfarrkirche Seefeld in Tirol sichtbar.
Rückseite des La-Mana-Steines mit geometrischen Appli- kationen
Steinkuriosum aus dem Waldviertel
Hängender Stein bei Unterkirchbach
Detail Teufelssitz bei Falkendorf, Niederösterreich
Wozu dienten die künstlichen Vertiefungen? Hier ein Schalenstein in Mitterretzbach, Niederösterreich.
Nach Armer-Seelen-Sitz, Teufelssitz und Jagasitz wird der Sonderling zum Autorensitz.
Die Costa-Rica-Steinkugeln
Verborgenes im Wienerwald: bearbeiteter Stein unbekannter Herkunft