Bauer Bernhard Beamter Kafka. Janko Ferk
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Eine rechtliche und vor allem sozialrechtliche Absicherung für den „freien Schriftsteller“ mit der Zusicherung eines staatlichen Minimal- oder Mindesteinkommens wird derzeit rechtspolitisch nicht einmal in Erwägung gezogen. Thomas Bernhard beispielsweise hat jede Subventionierung eines Schriftstellers strikt abgelehnt, Preise9 hat er dennoch angenommen. Natürlich stellt sich die Frage, ob dies überhaupt eine Lösung wäre. Die erste Fragestellung ergibt sich schon bei den Kriterien für die Gewährung eines solchen gesicherten Einkommens. Viele weitere wären ebenso ungelöst.
Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich10 hat das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur eine Studie in Auftrag gegeben, die die Schriftstellerinnen und Schriftsteller berücksichtigt. Eine Grundschwingung, die in verschiedenen Zusammenhängen – den Fragebögen und persönlichen Gesprächen oder Experteninterviews – immer wieder zum Ausdruck kam, war das gesellschaftliche Image von Kunst und Kunstschaffen in Österreich.
Die zeitgenössische Kunst, konstatiert der Bericht aus dem Jahr 2008, erfahre zu wenig Interesse, der Wunsch nach einer eigenständigen Kunstszene mit internationalem Profil sei zu schwach und den Kunstschaffenden werde zu wenig zugetraut. Die Wertschätzung ihrer Arbeit sei zu gering. Als zeitgenössischer Künstler habe man es schwer – und gut dürfe es einem schon gar nicht gehen. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass qualitätsvolle künstlerische Arbeit auf individueller Ebene einer ökonomischen Grundlage und sozialen Absicherung bedürfe, um eine Kontinuität des Arbeitens herstellen zu können, die wiederum wesentliche Voraussetzung der künstlerischen Entwicklung sei.11
An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Literaturen der österreichischen Volksgruppen, so der Kärntner Slowenen und burgenländischen Kroaten, die ein wesentlicher Teil der österreichischen Dichtkunst sind, bis heute keinen einzigen freischaffenden Autor hervorgebracht haben, obwohl die Kärntner slowenische auf den Lyriker Gustav Januš12 und den Prosaisten Florjan Lipuš13 verweisen kann, die beide von Peter Handke ins Deutsche übersetzt wurden. Vielleicht ist darin ein unbewusster Beweggrund jüngerer Kärntner slowenischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu sehen, dass sie zweisprachig, auf Deutsch und Slowenisch, veröffentlichen. Aufgrund einer im Jahr 1990 erschienenen Lyrikanthologie14, die vom Verlag hervorragend ediert und vom Herausgeber außergewöhnlich gestaltet wurde, kann man feststellen, dass die österreichischen Volksgruppen bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten auf insgesamt neununddreißig – darunter nicht wenige namhafte – Lyrikerinnen und Lyriker verweisen konnten. Der Herausgeber hat in vorbildlicher Weise Autorinnen und Autoren der burgenländischen Kroaten und Ungarn, Jenischen, Juden, Kärntner Slowenen, Roma und Tschechen berücksichtigt. Eine aktuelle Bestandsaufnahme dieser Art wäre nicht weniger aufschlussreich.
Die Kärntner slowenische Literatur des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts schreiben achtzig Autorinnen und Autoren15, die in fast allen Fällen zumindest eine eigenständige Buchpublikation vorweisen können, einzelne Schriftsteller haben mehr als dreißig Bücher veröffentlicht.
Natürlich übersehe ich nicht, dass in Österreich wenigstens eine soziale Altersversorgung16 durch die „Literar-Mechana“ existiert und dadurch wiederkehrende Leistungen für die Alters-, Berufsunfähigkeits- oder Hinterbliebenenversorgung sowie Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung in Zig-Millionenhöhe erfolgen. Dies kann jedoch nicht die allein selig machende Perspektive für eine junge Frau oder einen jungen Mann sein, die vor der Entscheidung stehen, als Schriftstellerin oder Schriftsteller zu leben, weshalb wohl Doppel„karrieren“ entstehen. Mit diesen beschäftigt sich das vorliegende Buch. Mit exemplarischen jedenfalls.
In diesem Zusammenhang kann man wenigstens eines für die Dichterinnen und Dichter mit Neben- oder Zivilberufen bemerken: In finanzielle Notlagen sind sie nicht geraten, einige waren sogar wohlbestallt, was die weitere ausdrückliche Schlussfolgerung nach sich zieht, dass ein Künstler nicht am Hungertuch nagen muss, um kreativ zu sein.
Eine abschließende Bemerkung erscheint mir erforderlich. Bei der Arbeit an diesem Buch habe ich mich mit jeder Schriftstellerin und jedem Schriftsteller individuell, spezifisch und subjektiv befasst, handelt es sich doch um unvergleichliche Individualisten und Individuen, sodass die einzelnen Aufsätze sich in Art, Inhalt und Umfang merklich unterscheiden. Mein Bestreben war es, einfach gesagt, jeder Dichterin und jedem Dichter angemessen gerecht zu werden. Gesamtwerke zu erfassen und zu kommentieren konnte dabei nicht mein Ziel sein. Die Reihenfolge der Dichterinnen und Dichter richtet sich nach deren Geburtsjahr und reicht über drei Jahrhunderte, nämlich von Franz Grillparzer, der im achtzehnten Jahrhundert geboren wurde, bis zur jüngsten Schriftstellerin, Barbara Frischmuth.
Zu erkennen ist mit Gewissheit, dass ein Literaturheiliger meine Arbeit und die Untersuchungen geprägt hat, nämlich Franz Kafka, den ich seit meinen Gymnasialjahren in besonderer Weise studiere. Er war der Angel- und Drehpunkt der Idee für die Frage nach den Zivilberufen der Dichter und Dichterinnen. Auch Beruf und Berufung Anton Wildgans’ haben mich naturgemäß besonders interessiert.
Die traurigste Konstatierung ist aber jene, dass durch den unfassbaren und unsagbaren Wahnsinn der Zeit von 1938 bis 1945 Österreich besonders viel geistiges Potenzial verloren hat, das nie wieder zu ersetzen sein wird, und dass Berta Zuckerkandl sowie Albert Drach schlimmstes Leid erfahren haben. Franz Kafkas Schwestern sind in den Vernichtungslagern umgekommen. Die Fragezeichen nach den angenommenen Sterbejahren, die ich im Kapitel über Franz Kafka bewusst setze, bedeuten alles – und sagen nichts.
ANMERKUNGEN
Vgl.: Yvonne Nilges (Hg.): Dichterjuristen. Studien zur Poesie des Rechts vom 16. bis 21. Jahrhundert. Würzburg 2014, S. 9f.
Alfred de Vigny: Chatterton. Paris 1986: „Mein Zimmer verwandelte ich in eine Klosterzelle.“, S. 96
Bernard Lahire: Doppelleben. Schriftsteller zwischen Beruf und Berufung. Berlin 2011
http://search.obvsg.at/primo_library/libweb/action/search.do?dscnt=0&vl%281UI0