Glühende Retterliebe. Oswald J. Smith
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Dort oben stand er, scharf hoben sich die Umrisse seiner Gestalt gegen den blauen Himmel ab. Würde er fallen? Konnte er lange genug das Gleichgewicht halten, um seine Stellung zu behaupten? Jetzt schwang er die Axt. Etwa ein Meter von seinem Platz entfernt wiegte sich der Ast eines anderen Baumes im Wind hin und her. Was machte er da? War er von allen guten Geistern verlassen? Was für eine Verrücktheit!
Doch sieh! Die Axt ist niedergesaust. Der Ast ist getroffen, nein, glatt abgeschlagen und stürzt zu Boden. Jetzt bückt er sich. Atemlose Spannung hält die Zuschauer gefangen. Langsam gewinnt sein Körper sein Gleichgewicht zurück. Und fünf Minuten später langt er sicher und siegreich auf dem Boden an. Lauter Beifall begrüßt ihn von den erregten Holzfällern, die sich alle um ihn herumdrängen.
Der »High Rigger« hatte sich seine Lorbeeren verdient.
In der folgenden Nacht konnte der »High Rigger« nicht schlafen. Stundenlang warf er sich von einer Seite auf die andere und konnte keine Ruhe finden. Bilder aus vergangenen Tagen tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Längst vergessene Taten kamen ihm in den Sinn. Das alte heimatliche Gehöft, seine Mutter, die Kirche seiner Knabenzeit und eine Menge heiliger Erinnerungen zogen wie eine Sturmflut durch seine aufgeschreckte Seele.
»So geht’s nicht mehr weiter«, rief er. »Was ist nur mit mir los?«
Er stützte sich auf die Ellenbogen und lauschte in den Schlafsaal, bis er sich davon überzeugt hatte, dass alle, außer ihm, fest schliefen. Dann kroch er leise aus dem Bett, schlüpfte in seine Kleider und ging geräuschlos nach draußen.
Es war eine mondhelle Nacht. Die großen, langen Schatten der Bäume fielen über die Lichtung in einiger Entfernung. Jedes Haus war klar erkennbar. Kein Geräusch störte die Stille der Nacht. Selbst der mächtige Wald schien in Schlummer gehüllt.
Schnell glitt er zwischen den Bäumen dahin, geradewegs auf die Stelle zu, wo er vor einigen Stunden seine wunderbare Spitzenleistung vollbracht hatte. Er glaubte, der Gang durch die Nachtluft würde ihn von seiner Schlaflosigkeit befreien und die störenden Erinnerungen bannen.
Nach einer Stunde kehrte er zurück und kroch wieder lautlos in seine Schlafkoje. Jetzt verfiel er in leichten Schlaf, doch bald erschreckten sonderbare, merkwürdige Traumbilder seinen Schlummer. Wieder kletterte er an dem Baume hoch, aufs Äußerste angespannt, um die waghalsige Tat zu vollbringen.
Er holte mit seiner Axt weit aus, mit fieberhafter Energie begann er, das obere Stück des Baumes von dem größeren Stamm zu trennen. In einigen Augenblicken war er fertig mit Schlagen. Als dann der Wipfel zu schwanken begann, ließ er sich plötzlich tiefer herab, grub seine Steigeisen fest in den Stamm ein, warf sich an seinem Gurt zurück und erwartete den Gegenschlag. Schon im nächsten Augenblick setzte er ein, doch zu seinem Schrecken verpasste er die rechte Schwingung. Gleich darauf fühlte er den mächtigen Stamm gegen sein Gesicht schlagen. Weiter schwankte der Baum hin und her, bis es schien, als seien ihm alle Knochen zerbrochen. Er fühlte das heiße rote Blut hervorströmen, und als er aufwachte, war sein Gesicht in Schweiß gebadet, seine Nerven flogen vor Erregung.
Wieder schlief er ein. Dieses Mal schwang er seine Axt hoch oben auf dem Stamm und war nur durch seinen Gurt gehalten. Plötzlich verfehlte er den rechten Schlag, und in einem Augenblick war sein Gurt durchschnitten. Er fühlte, wie er in die Tiefe stürzte, und mit einem Mark und Bein durchdringenden Schrei wollte er sich krampfhaft an einem Ast festhalten, griff aber daneben. Dann kam das schreckliche Gefühl, das er so oft als Junge gehabt hatte, wenn er träumte, dass er fiel. In einem Augenblick war alles vorbei, als er mit schwerem, dumpfem Aufprall auf die Erde aufschlug. Er erwachte zum zweiten Male und fand sich auf dem Fußboden neben seinem Bett.
Er hatte Angst, sich wieder schlafen zu legen, noch einmal verließ er den Schlafsaal und wanderte zwischen den hohen Douglastannen, er wusste selbst nicht, wohin. Immer weiter ging er, achtete weder auf die Zeit noch auf die Richtung, und als er so dahinschritt, überkamen ihn wieder die Erinnerungen, gegen die er sich vergeblich gewehrt hatte.
Er sah sich zurückversetzt in die große Stadt. Es war vor einem Jahr gewesen. Eine Woche lang waren große Versammlungen gehalten worden, an denen auch er teilnahm. Durch die magnetische Kraft des Sprechers angezogen oder unter dem Zwang eines ihm unerklärlichen Einflusses hatte er plötzlich seinen Platz verlassen und sich einer Reihe von jungen Männern und Mädchen angeschlossen, die nach vorne gingen, um der Aufforderung nach Freiwilligen für die Missionsarbeit zu folgen. Es war ein ergreifender Augenblick in seinem Leben gewesen. Noch fühlte er die erhabene Weihe, die ihn bei diesem bedeutenden Erleben überkommen hatte.
Ja, auch er hatte es ganz aufrichtig gemeint. Doch bald schloss die Versammlung, und die große Begeisterung ließ nach. Er sah sich harten Tatsachen gegenübergestellt und musste die Kosten überschlagen. Als der zauberische Glanz verschwunden war, trat der heilige Entschluss immer mehr zurück. Weltliche Vergnügungen gewannen wieder ihre Macht über ihn, und in einigen Wochen hatte er die innere Stimme erstickt, und es war ihm wenigstens für geraume Zeit gelungen, sein Gelübde zu vergessen.
Doch ab und zu, besonders in ruhigen Augenblicken, war das Mahnen tief in der Brust wieder da und forderte Anerkennung. Mochte er kämpfen, wie er wollte, ganz vergessen konnte er doch nicht, was er einmal getan hatte. Endlich hatte er sich eines Tages in einem plötzlichen Anflug von Verzweiflung auf die Reise nach dem fernen Westen begeben und, um es kurz zu machen, war schließlich ein geschickter »High Rigger« in den großen Holzfällerlagern von BritischKolumbien geworden. Nachdem jetzt ein Jahr darüber verflossen war und er alles endgültig begraben glaubte, war er nun noch einmal unausweichlich seinem Ruf gegenübergestellt worden.
Zwei Stunden lang kämpfte und rang er mit sich selbst.
Drohend ragte der Preis vor ihm auf, den er zu zahlen hatte. Das darin einbegriffene Opfer sollte auch nicht einfach unterschätzt werden. Der Ruhm, den er sich als »High Rigger« erworben hatte, zog ihn zu den Wäldern. Seine Freiheit in dem Lager der Holzfäller, der Genuss des ungebundenen Lebens ließen ihn zögern und schwanken.
Doch plötzlich tauchte ein anderer vor seinem geistigen Auge auf, der auch versucht hatte, vor Gott zu fliehen. Und in einem Augenblick kam es ihm zum Bewusstsein, wie nutzlos das doch alles war. Jona war es schlecht ergangen. Ihn könnte sogar noch ein schlimmeres Ende treffen. Es konnte ihm teuer zu stehen kommen, wenn er die Entscheidung noch länger hinausschob.
Er ließ sich auf den Boden niedersinken, barg den Kopf zwischen seinen Knien und schluchzte, als sollte ihm das Herz brechen. Er vergoss Tränen bitterer Reue, als er in abgebrochenen Sätzen seine Schuld bekannte und Vergebung für seinen Ungehorsam suchte, indem er sich Gott aufs Neue für den Missionsdienst verpflichtete. Und als alles vorbei war, da senkte sich ein Friede auf ihn, den er nie zuvor gekannt hatte.
Der »High Rigger« war von Gott beschlagnahmt worden.
Was ist die Hauptaufgabe der
Gemeinde Jesu Christi?
Wir wollen gemeinsam einen Schriftabschnitt aus Hesekiel 3, V. 17–19 betrachten. Ich werde in diesem Text einige Worte abändern, um ihn auf unsere heutige Lage anzuwenden. Bitte achte genau auf die Veränderungen. Ich möchte unseren Text auf das Missionsfeld anwenden. Wir lesen von Vers 17 an:
»Knecht Gottes, ich habe dich zum Wächter gesetzt; du sollst aus meinem Munde das Wort hören und die Menschen in meinem Auftrag warnen. Wenn ich dem Heiden sage: ›Du musst des Todes sterben‹, und du warnst ihn nicht und sagst es dem Heiden nicht, damit er sich vor seinem heidnischen Wesen hüte, auf dass er lebendig bleibe; so wird der Heide um seiner Sünde