Alexa und das Zauberbuch. Astrid Seehaus

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Alexa und das Zauberbuch - Astrid Seehaus

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style="font-size:15px;">      Gisela überdachte ihre spontane Einladung. War es falsch gewesen, dieses Mädchen anzusprechen? Wenn sie es recht betrachtete, sah sie aus wie eine, die von zu Hause weggelaufen war. Eine, die womöglich bettelte, oder schlimmer: die stahl. Wieso musste sie ihre Nase auch überall reinstecken? Sie hätte sie doch gar nicht anzusprechen brauchen. Sie wandte sich abrupt ab. „Tut mir leid.“ Mit einem hastigen Blick auf ihre Armbanduhr fuhr sie fort: „Ich muss mich beeilen. Meine Mutter wartet mit dem Essen auf mich.“ Das stimmte zwar nicht, aber das konnte die eigenartige Fremde ja nicht wissen. Ohne ein weiteres Wort hastete Gisela davon.

      Alexa sah ihr bestürzt nach. Dieses Mädchen hatte sie einer Prüfung unterzogen, und sie hatte sich verraten. Hexen liebten Bier über alles, das war bekannt. Und nun wusste die Hexenjägerin, was sie war. Sie musste ihr folgen, um ihr den Bannzauber aufzuerlegen. Das Mädchen durfte unter gar keinen Umständen die Kirche erreichen.

      Alexa hob die Arme und intonierte: „Klariplex und Würgeschnack, ich aus dir ein Backstein macks...ks...ks ...“ Leider fing sie fürchterlich an zu niesen. Damit war der Zauber wertlos und die Jägerin immer noch kein Pflasterstein. Erneut fuchtelte sie mit den Armen. „Hacksehickse-dickse-du, ich habe endlich vor dir Ruh.“ Auch das half nichts, und Alexa sprach einen anderen Zauber. „Hammelbart und Ziegendreck, bist du bald vom Flecke weg!

      Nichts geschah. Sie hielt ratlos inne. Was war mit ihrer Hexenkunst geschehen?

      Plötzlich drehte sich Gisela um, und Alexa blieb nichts anderes übrig, als sich, so schnell sie konnte, ihren Blicken zu entziehen. Ohne nachzudenken schnippte sie und sprach die Ortsveränderung. In der nächsten Sekunde fand sie sich in einer vollen Regentonne wieder.

      Gurgelnd sprudelte sie: „Wasserralle, Ochsenblut, als Fisch bist du mir auch sehr gut.“ Und gurgelte sicherheitshalber hinterher: „Schuppenflechte, Karpfenmaul, sollst dich strecken zu ‘nem Gaul.

      Nichts! Einfach gar nichts!

      Die Situation wurde vollkommen verrückt. Missmutig krabbelte sie aus der Tonne und eilte der Hexenjägerin patschnass hinterher. Irgendwann würde das mit dem Bannen schon klappen.

      Zwei Tage ging das so. Nach diesen Tagen intensivster Beschattung stellte Alexa fest, dass die Hexenjägerin gar nicht daran dachte, eine Kirche aufzusuchen, sie kam noch nicht einmal in die Nähe einer Kirche. Am Morgen ging das Mädchen in die Schule. Am Nachmittag saß sie in ihrem Zimmer und betrieb ihre Studien. Danach holte sie einen kleinen Jungen ab und spielte mit ihm. In der Nacht blieb sie im Zimmer und verließ für keinen Moment das Bett, obwohl die Nächte so lau und schön waren.

       Verhexte Hexerei

      Alexa saß wieder in einem Baum im Park und hatte dieses Mal die Eingangstür der Schule im Auge. Sie hatte von Minne Vrouwe und den anderen Hexen viele Geschichten vernommen, aus denen hervorging, dass Hexenjäger nur mit äußerster Vorsicht von den Hexenmeistern gebannt werden konnten, weil sie verschlagen und hinterhältig waren. Man musste um das eigene Leben fürchten, nahm man den Kampf mit einem von ihnen auf.

      Das Mädchen, auf das sie nun wartete, erschien ihr überhaupt nicht verschlagen, sondern eher freundlich. Doch Freundlichkeit konnte auch der Speck sein, mit dem die Maus gefangen werden sollte. Und Alexa beschloss, nicht die Maus zu sein, sondern die Katze.

      Plötzlich öffnete sich die Schultür und zehn Jungen und Mädchen traten aus dem Gebäude, lärmend wie die Spatzen. Einige rannten ungeduldig die Stufen hinunter, angeführt von einem Mann mit silbergrauen Haaren, andere gingen gelangweilt hinterher, über die Straße in den Park. Dort fielen sie zusammen in einen lockeren Trab.

      Alexa beobachtete, wie sie im Kreis rannten, ohne ein einziges Mal die Wege zu verlassen. Die Hexenjägerin war das Schlusslicht der Gruppe. Ihr Gesicht war rot, und sie schnaufte wie ein Zugochse, der seine Last bergauf zog. Alexa konnte ihre Neugier nicht unterdrücken. Sie schnippte sich neben Gisela und lief locker neben ihr her. Keiner achtete auf sie.

      „Unterliegt ihr alle einem mächtigen Bannzauber?“ Alexa musterte Gisela fragend. „Hat euch der Mann mit dem Silber im Haar diese Folter auferlegt?“

      Gisela glotzte das Mädchen an, das so locker neben ihr herlief wie ein junges Fohlen. Sie waren kaum zehn Meter gelaufen und schon fing Gisela an zu keuchen. Im Stillen fluchte sie, dass sie überhaupt auf der Welt war. Sie hasste Sport.

      „Was machst du denn hier?“, presste sie hervor. „Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen?“

      Alexa musterte sie misstrauisch. Wollte ihr die Hexenjägerin damit etwa sagen, sie habe sie bereits im dunklen Verließ der Kirchenknechte geglaubt?

      „Deine Augen täuschen dich nicht, ich bin noch da. Hast du etwas anderes erwartet?“

      Gisela reagierte nicht weiter. Sie war schon jetzt total fertig.

      „Wieso quält euch dieser Schurke?“, fragte Alexa erneut.

      Gisela blickte Alexa verstört an. – Dieser Schurke? – Dieses Mädchen hatte eine seltsame Art zu sprechen. Wo kam die denn her? Sie lachte freudlos auf. „Das ist Herr Bastian, unser Kursleiter für das Freeclimbing, und er versucht, uns fit zu machen. Bei mir hat er leider keinen Erfolg.“

      „Warum nicht? Du tust schwere Arbeit. Schwerer als ein Bierkutschengaul.“

      Gisela grunzte beleidigt.

      Sie drehten ihre Runden, und es schien kein Ende zu nehmen, bis sie an eine Wand kamen, die aussah wie ein Felsen. Alexa schnippte sich, unbemerkt von Gisela und den anderen, auf einen Baum und wartete. Die Sportler streckten und dehnten ihre Körper. Manche gingen in die Grätsche und beugten sich vornüber, andere legten sich auf den Rücken und strampelten mit den Beinen in der Luft herum.

      „Clemens, du wirst zuerst klettern!“, beschloss Silberhaar und beendete damit diese wunderlichen Verrenkungen. Er nahm ein Seil mit einer Schlinge, das am oberen Ende der Felswand befestigt war, und reichte es einem Jungen mit kräftigen Beinen.

      Clemens, mit seinen braunen Locken und der leichten Sonnenbräune unverschämt gut aussehend, lachte. Die beiden Grübchen, die sich auf seinen Wangen zeigten, machten ihn noch sympathischer als er ohnehin schon aussah. Die Mädchen beteten ihn geradezu an, und Gisela, die kaum noch röcheln konnte, strahlte bei seinem Anblick wie ein Weihnachtsbaum mit Festbeleuchtung.

      Der Angehimmelte schlang den Sicherheitsgurt um den Bauch und ergriff etwas an der Wand, das sich über seinem Kopf befand. Er setzte einen Fuß auf einen nachgebildeten Felsvorsprung und zog sich in die Höhe. Dann griff seine Hand in eine Ritze, in der er sich festhielt, um den nächsthöheren Felsvorsprung zu erreichen. So zog er sich höher und höher, von Felsvorsprung zu Felsvorsprung, bis er oben angekommen war, auf die andere Seite hinüberkletterte, sich von Fels zu Fels wieder herunterschwang und wieder auf dem Boden landete. Gleich danach tauchte sein Lockenkopf hinter dem künstlichen Felsen auf und die Schlinge flog zurück in die Hand des Lehrers.

      „Wer ist der Nächste?“, fragte Herr Bastian.

      Es meldete sich ein Junge, und die gleiche Prozedur begann. Diesmal nicht ganz so schnell wie bei seinem Vorgänger.

      Er brauchte doppelt so lange.

      Die gesamte Gruppe musste sich an dieser Wand ausprobieren. Der Lehrer stoppte dabei die Zeit. Niemand hatte Clemens unterbieten können.

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