Coaching. Sonja Becker
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Unter dem preußischen König Friedrich I. erlebt Preußen eine große intellektuelle Blüte. Der überragende Denker dieser Phase war der Philosoph, Mathematiker, Diplomat und politische Berater G.W. Leibniz. Leibniz‘ Auffassung vom Staat war geprägt von dem Bemühen um Humanität. Ideen zur Beförderung des menschlichen Glücks hatten Vorrang vor nationalen Anwandlungen. Der Staat bildete für ihn eine moralische Instanz, die einem allgemeinen Willen entspricht. Der Staat sollte sich der Prinzipien des Naturrechts annehmen. Die Herrschaft des Gesetzes war die wesentliche Aufgabe des Staates, neben Sauberkeit, Unterstützung der Armen und die Kultivierung der Wissenschaften und Künste. Leibniz‘ Theodizee, sein populärstes Werk, ist eine Hymne an die Freiheit unter den Bedingungen der Vernunft. Er legte damit die philosophische Grundlage für die Reformideen von Christian Wolff.
Wolff wurde zunächst des Atheismus bezichtigt, des Reiches verwiesen und später von Friedrich Wilhelm I. rehabilitiert. Der Grund dafür war sein Weltruhm als führender Philosoph in Deutschland. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und galten an den Universitäten der Welt als Pflichtlektüre. Wolffs Rationalismus fand durch Propagandisten und Parodisten eine unvergleichliche Breitenwirkung. Doch noch zu Lebzeiten kamen seine Ideen aus der Mode, als neue französische und englische Denker Aufmerksamkeit erregten. Trotzdem war die so genannte Leibniz-Wolff-Schule im deutschen Kulturkreis derart fest institutionalisiert, dass Wolff als „Schulmeister der Deutschen“ galt, die mit seinem strengen und disziplinierten Denken einherging. „Sapere aude!“ – „Wage es, zu denken!“ war Wolffs Leitspruch, den später Immanuel Kant als Grundgedanken der Aufklärung zitierte. Nach seiner Auffassung hatte die Vernunft keine Grenzen. Als Philosoph versuchte Wolff, Leibniz‘ Ideen zu einem System zu verschmelzen, das Rationalismus und Empirismus zugunsten eines Determinismus ablöste: Sein vorgegriffener Utilitarismus besagte, dass die Gründung einer Gesellschaft notwendig sei, damit jeder einzelne seinen Pflichten nachgehen könne, sich zu einem perfekten Menschen zu machen.
Wolff sprach zum ersten Mal nicht von „Staat“ oder „Gesellschaft“, sondern von Gemeinwohl oder Gemeinschaft. Diese wurde von ihm als eine Art große Familie verstanden. Je mehr Menschen zusammenkommen, um ihrem Glück nachzugehen, umso höher das allgemeine Glück und der Wohlstand einer Nation. Bei Christian Wolff vollzieht sich zum ersten Mal eine scharfe Trennung von Staat und Gesellschaft. Aber selbstverständlich gilt der Mensch als gehorsamspflichtiger Untertan, der dem Staat dienlich ist. Hier ist zudem die dem deutschen Denken so charakteristische Trennung von Staat und Gesellschaft bereits angelegt, die gewöhnlich erst für das 19. Jahrhundert – seit Hegel – angenommen wird. Doch zwischen Wolff und Hegel liegt die Aufklärung Immanuel Kants. Es war die Zeit der großen Ideen in Deutschland. Damit war die Zeit reif, in der Deutschland seine größte Blüte erlebt und seine größte historische Chance auf eine Selbstbesinnung verspielt – ausgerechnet durch die Nachfolger der Aufklärung, die deutschen Idealisten und die Romantiker. Auf einmalige und erstaunliche Weise gelingt es den Deutschen gerade bei jeder evolutionären und revolutionären Veränderung der Denkgeschichte, dafür zu sorgen, dass sich alles verändert, damit alles bleibt, wie es ist: Staat auf der einen, Gesellschaft auf der anderen Seite. Mit der Aufklärung tritt das „Individuum“ hinzu. Und hier kommt ein Mann, den man schon zu Lebzeiten den „Alleszermalmer“ nannte, weil er mit nahezu jedem bestehenden Denkmodell bricht und eine vollkommen neuartige philosophische Konzeption vorlegte, die auch das Denken in Deutschland fundamental verändert. Die Rede ist von Immanuel Kant.
Kants Neugier
KANTS NEUGIER
Selten findet man den Antrieb, der einen das Leben lang verfolgt, so klar formuliert wie bei Immanuel Kant, einem der größten Philosophen der Menschheit. Er steht am Ende seiner „Kritik der praktischen Vernunft“, und am Ende seines Lebens auf seinem Grabstein, zu seinem 200. Todestag 2004 stand er auf dem Titel des SPIEGEL: „Nichts erfüllt das menschliche Gemüt mit mehr Ehrfurcht und Bewunderung als der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ Was wir nun tun, ist wissenschaftlich frivol: Wir wollen Kant in fünf Sätzen erklären. Kant war überzeugt, dass es nicht die Erfahrung ist, die uns allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten verschafft – denn sie müssten ja ständig neu bewiesen werden. Wo hört das Universum auf? Es hört nicht auf – doch wir können uns Unendlichkeit nicht vorstellen. Aber wir können es wissen.
Das ist Kants Neugier: Prinzipien des Wissens, die unabhängig von Erfahrung funktionieren. Diese Prinzipien „a priori“, unabhängig von der Erfahrung, sind Kants große Entdeckung: Im Denken können synthetische Urteile entspringen, Gesetze, denen etwas hinzugefügt wird, was unabhängig von Erfahrung ist, sondern dem Denken entspringt. Es wird also immer ein selbstständig denkendes und deshalb freies Wesen vorausgesetzt: Niemand, nur das Denken selbst kann Dir mitteilen, was wahr und falsch, gut und schlecht, was schön und hässlich ist. Kants Entdeckung (je)des Menschen als selbst denkendes und deshalb freies Wesen löste eine Revolution aus.
Das Zeitalter der frühen Aufklärung wurde die Ära der meinungsbildenden Medien, der Zeitungen. Schon 1700 gab es in Deutschland 58 Journale, zehn Jahre später waren es bereits 122 offizielle Zeitungen, weitere zehn Jahre später 241, gefüllt mit Sensationsgeschichten und Neuigkeiten aus der Gesellschaft, aber auch mit eine beträchtlichen Menge an historischem, politischem und philosophischem Inhalt. Trotz Zensur wurden bis 1790 in über 3.400 meist wöchentlich erscheinenden Journalen und Magazinen die Ideen der Leibniz-Wolff-Schule, von dem Königsberger Philosophen Immanuel Kant und anderer Vertreter diskutiert und verbreitet. Vor allem in den protestantischen Hochburgen, den Handelsstädten Leipzig, Frankfurt, Hamburg und den Universitätsstädten Halle und Jena erfreuten sich Zeitschriften immer größerer Beliebtheit. Immer stärker nahm auch die Zahl der kleinen Regionalzeitungen zu. Desgleichen erfuhren Bücher eine rasante Konjunktur. Waren es in den 1760er Jahren zwischen 2.000 und 3.000, so stieg die Zahl der Neuerscheinungen bis zum Ende des Jahrhunderts um fast 11.000 pro Jahr an. Und es wurde nicht nur von Intellektuellen gelesen. Auch ärmere und ungebildetere Schichten wurden ein Lesepublikum, das sich durchaus auch mit politischen und philosophischen Ideen, Texten, Gedichten und Romane der zeitgenössischen Dichter und Denker von Shakespeare bis zu den einschlagenden Werken von den politischen Ideen Montesquieus, Herders und Rousseaus, schließlich den poetischen Werken von Wieland, Lessing, Goethe und Schiller, der ein großes Interesse an der Verbreitung eines neuen, aufgeklärten Nationalgeistes hatte. Der Buchdruck erntete zum ersten Mal seine positiven Früchte: die der Individualität, der Persönlichkeit, des Menschen als „Zweck an sich“.
Licht, Liebe, Leben: Aufklärung nach Kant
LICHT, LIEBE, LEBEN: AUFKLÄRUNG NACH KANT
In der epochalen Phase Deutschlands zwischen 1795 und 1806, dem Ende des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ und dem Aufstieg der preußischen Regierung entstehen die wichtigsten kulturellen Errungenschaften des Landes auf dem Gebiet der Literatur und der Philosophie, die Erzeugnisse der heutigen „Klassiker“ und der Philosophen des Deutschen Idealismus, die Deutschland zum „Land der Dichter und Denker“ machten. Den neuen Ideen stand der regulierende, bürokratische deutsche Staat gegenüber. Viele Leute, die sich mit Freiheitsideen, dem Vaterland, Menschlichkeit und Freiheit gleichermaßen befassten und diese Ideen als Gegenpol zum herrschenden Staat betrachteten, waren in der Poesie beheimatet. Denn man war nur innerlich „frei“. Diese innere Freiheit brachte allerdings einen Schatz an Ideen hervor, die wissenschaftlich bis ins Letzte ergründet,