Der Flügelschlag des Zitronenfalters. Martin Scheil

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Der Flügelschlag des Zitronenfalters - Martin Scheil

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Kampf gegen die Roten und so? Mit dem Senator hier aus der Stadt?“

      Noch einmal Uff! Aber mit breiter Brust:

      „Ja, stimmt auch. Das war ich!“

      „Und sag’ mal, also ich sollte das jetzt vielleicht nicht sagen, aber, dass Du die ganzen Informationen vom Geheimdienst gekriegt hast und die Dir das alles bezahlt haben gestern Abend in der Katze? Also als Belohnung?“

      Auweia. Da waren ihm wohl ein bisschen die Pferde durchgegangen.

      „Ähmm, also weißt Du, eigentlich darf ich darüber gar nicht sprechen. Du weißt schon ...!“

      Er fühlte auf einmal eine seltsame Mischung aus Scham für die Lüge und echtem Stolz, dass er den Geheimagenten offenbar recht gute hatte abgeben können. Sie zuckte nur mit den Schultern, während sie ihren Slip hochzog.

      „Na ja, ist ja auch egal, ich sag’ keinem was. Und so viele Leute waren ja nicht da. Den meisten ist es eh nicht recht, wenn einer erfährt, dass sie Station in der Katze gemacht haben. Du musst Dir also keine Gedanken machen, glaube ich.“

      Jetzt doch wieder Uff! Geschafft! Raus aus der Gefahrenzone.

      Derart erleichtert verließ Pfeffer schon wenig später mit seiner Kurtisane das Hotelzimmer und weil ja nun einmal alles bereits bezahlt war, gingen die beiden auch gleich noch gemeinsam im hoteleigenen Restaurant frühstücken.

      In den folgenden Tagen und Wochen war die Seifritz-Affäre das tonangebende Thema in der Hansestadt an der Weser und Pfeffer war langsam froh, an jenem Abend in der Roten Katze noch einmal alle Register gezogen zu haben, denn nun war er pausenlos in Sachen Senatorensturz unterwegs. Was? Ja, ja, war ich. Kein anderer. Hätten Sie nicht gedacht, was? Und immer so weiter. Als Seifriz dann schließlich zurückgetreten war und langsam wieder Ruhe einkehrte, wurde es auch um Richard genannt Rick Pfeffer wieder still. Kein Schampus mehr, keine Nutten, keine Hände mehr, die seine schüttelten. Und weil ihm das so gar nicht gefiel, machte er da weiter, wo er bei dem Bremer Senator aufgehört hatte. Er las noch einmal den ursprünglichen Artikel und so langsam formte sich ein Bild vor seinem inneren Auge: hier ruhte eine wahre Lebensaufgabe. Er würde dem Roten Filz in der Hansestadt ein für alle Mal den Garaus machen. Er wusste, dass er es konnte, soviel war jetzt sicher. Er hatte es bewiesen. Erst Bremen, dann Niedersachsen, dann die Republik und dann die ganze Welt. Pfeffer Kommunistenschreck. Oder eigentlich ja Nazischreck. Altnazischreck? Egal, Titel sollten andere ihm verpassen, er hatte schließlich zu arbeiten. Aber wo anfangen?

      „In Ordnung“, dachte er sich, „erst einmal bescheiden bleiben und klein loslegen. Die Welt nehme ich mir dann später vor.“

      Doch leider fanden sich auf die Schnelle keine weiteren Skandale im Range eines Seifriz. Ja, es schien fast so, als sei die SPD in Bremen die Unschuld selbst, was nur einen Schluss übrig ließ: alle hatten sich gemeinsam im Roten Filz verwoben mit nichts als einem Ziel: am Ende doch noch die Rote Fahne auf dem Rathaus zu hissen. Oder so ähnlich. Wer weiß das schon?

      „So ist denen nicht beizukommen! Immer dieses Kleinklein“, das war Pfeffer schnell klar. Und daher begann er, selbst für Skandale und Skandälchen zu sorgen. Glaubste nicht? War aber so. Kostprobe zum Abschmecken gefällig? Es fing damit an, dass er, ausgestattet mit einem falschen Parteibuch der SPD und sonst keinerlei Dokumenten, einen Reisepass beantragte, den er dann sogar erhielt. Mit falschem Namen natürlich. Dieter Lindemann hatte er sich genannt, einfach so. Dazu eine falsche Adresse, auch ein bisschen jünger machte er sich noch, und schon war der falsche Pass fertig.

      Nicht so schlimm? Aber, aber!

      Eine Dokumentenfälschung auf diesem Niveau war in einer Zeit der Grenzkontrollen und Demarkationslinien, der Transitabkommen und Reisebestimmungen keine Kleinigkeit, und Pfeffer wusste alles dem roten Senat anzuhängen. Die mit ihrem Filz, die haben schon wieder. Und überhaupt! Und so ging es weiter. All die Jahre. Für ein Kind mit einem Hammer sieht eben alles wie ein Nagel aus.

      Es gab wieder Schampus, Schlagzeilen und leichte Mädchen, während sich die Klagen wegen Diffamierung und verleumderischer Nachrede auf seinem Schreibtisch nur so stapelten. Aber ebenso wuchs auch sein Renommee, so dass er zeitweise sogar kleinere Artikel für den SPIEGEL schrieb. Und das war ja bekanntlich das Sturmgeschütz der Demokratie. Echtheitsgarantie mit Gütesiegel und Eichenlaub. Aus dem Journalistenverband in Bremen musste er zwar irgendwann austreten, da man dort Wert auf die sogenannten journalistischen Tugenden der Recherche und Lauterkeit legte, aber das juckte Rick Pfeffer verhältnismäßig wenig. Für ihn war jede einzelne öffentliche Beleidigung durch einen Kollegen wie ein Orden. „... die zwielichtigste Figur, die in Politik und Medien der deutschen Nachkriegsgeschichte ihr Unwesen treibt!“, hatte zum Beispiel Gerhard Mumme, der große Chef der Bild-Zeitung über ihn gesagt. Herrlich! Mehr davon! Der Bremer Oberbürgermeister, ein Sozi natürlich, nannte ihn sogar „Ein subjektives Ferkel“. Großartig! Die rote Tapferkeitsmedaille à la Stephen Crane! 1

      „Viel Feind, viel Ehr’!“, sagte sich Pfeffer immer nur, und schließlich gab der Erfolg ihm ja auch Recht. Oder etwa nicht? Abstimmung mit dem Geldbeutel. Seine Artikel und Enthüllungsgeschichten lockten die Leser an, und die Zahl der Leser wiederum lockte Werbepartner an. Und da das Blatt im Handel kostenfrei erhältlich war, gelang es Pfeffer als Chefredakteur auf diesem Wege tatsächlich die Auflage von mickrigen 20.000 Exemplaren auf über 280.000 zu steigern. Donnerwetter! Aber verbrieft. Er schrieb sich also nicht ganz zu Unrecht auf die Fahnen, das partei- und privatfinanzierte Weser-Land-Blatt von einer nahezu ungelesenen Beilage zur Macht an der Weser gemacht zu haben. Allerdings war er der einzige, der die Zeitung so zu nennen pflegte. Und wenn der Preis hierfür war, hin und wieder eine Gegendarstellung bringen zu müssen oder ein Schmerzensgeld zu bezahlen, dann nahm er dies als doch recht billig in Kauf.

      Nun sind Glückssträhnen aber bekanntlich stets ein Grund, misstrauisch zu werden, und am Ende hatte es Richard genannt Rick Pfeffer dann doch übertrieben. Alles begann bei einem Gerichtstermin, auf welchem sich Pfeffer zum wiederholten Male wegen Beleidigung verantworten musste. Das Verfahren war für ihn im Grunde nur Routine und das Urteil zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von eintausend Mark nahm er mit verschmitzter Beliebigkeit in Kauf. Ein paar Meineide, ein paar Verpflichtungserklärungen, Unterlassung von diesem und jenem. Herr Vorsitzender können wir dann bitte? Wir werden hier schließlich nicht jünger. Was Richard genannt Rick Pfeffer allerdings sehr interessierte, war die als Zeugin Nummer Drei aufgerufene junge Dame, die in all ihrer Eleganz und Weiblichkeit den Saal betrat und derart überzeugend für den beleidigten Genossen aussagte, den Rick Pfeffer als Hure Moskaus bloßgestellt hatte, dass unser lieber Herr Pfeffer letztlich zu jener mittleren Geldstrafe verdonnert wurde. Das Urteil war ihm jedoch schlichtweg egal, er hatte ab diesem Zeitpunkt nur noch Augen für die junge Genossin und konnte das Ende der Verhandlung kaum abwarten.

      Als der Richter dann endlich den Hammer schwang und jener Lächerlichkeit ein Ende setzte – Pfeffer bezahlte die Strafe noch an der Gerichtskasse in bar – sprang er auf und eilte der davonschreitenden, nein, dahinschwebenden Schönheit hinterher. Er hielt die verwunderte Aphrodite flugs an, ließ all seinen Charme spielen, raspelte Süßholz und kassierte dafür eine derartige Abfuhr, wie er sie sein Leben lang noch nicht bekommen hatte. Was, aber ... das ist ja wohl, englitten ihm die Züge. Und sie sagte wörtlich: „Sie ekelhaftes Schwein, sie sollten sich was schämen. Was Sie da machen, ist wie der Stürmer mit Ihnen als Julius Streicher! Sie haben keinen Anstand, Herr Pfeffer, keine Moral und überhaupt kein Gewissen. Sie sind einer von diesen Perversen, die sich daran aufgeilen, wenn sie andere fertig machen.“

      Dann spuckte sie ihm ins Gesicht.

      „Außerdem sind sie hässlich! Jawohl, hässlich sind Sie! Glatze, Brille, fetter Bauch. Wahrscheinlich haben Sie auch

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