GegenStandpunkt 3-17. Группа авторов
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„Wir sind fest entschlossen, unser Land zurückzuerobern. Wir werden Donald Trumps Versprechen erfüllen.“ (David Duke, Ex-Chef des Ku-Klux-Klans und Mitorganisator der Demonstration)
Die Rückeroberung fängt an mit der Demonstration ihres Rechts auf die Anerkennung ihrer Gesinnung als die der „wahren“, aber „vergessenen“ Amerikaner, der unterdrückten eigentlichen Herrscher des Landes, als deren Erlöser Trump im Januar sein Amt angetreten hat. Sie lassen sich – dies der offizielle Anlass der Demonstration – die Symbole ihrer Helden nicht wegnehmen, in diesem Fall das Reiterstandbild des Generals Robert E. Lee, Oberbefehlshaber des konföderierten Heeres im amerikanischen Bürgerkrieg. Die Statue und ihre Kopien im gesamten Süden wurden hauptsächlich Ende des 19. Jahrhunderts und während der Bürgerrechtsbewegung in den 1960ern von rechten Politikern aufgestellt, um das – ‚eigentliche‘ – Vorrecht der Weißen in Amerika zu unterstreichen; und seit dem Erfolg der Bürgerrechtsbewegung, die diese angry white men für eine tragische Niederlage halten, stehen solche Statuen für ein letztes Stück Anerkennung für die entrechteten Weißen. Für die rechten Demonstranten ist mit Trumps Ankunft im Weißen Haus die Zeit endlich gekommen, ihr Recht wieder geltend zu machen; und ihr bewaffneter Auftritt lässt keinen Zweifel an ihrem Willen aufkommen, diesen Anspruch auch praktisch einzulösen. Kurz: Wir sind hier, wir sind bewaffnet, wir sind berechtigt! Nachdem die Polizei ihre Demo angesichts der Schlägerei mit linken Gegendemonstranten auflöst, macht sich ein rechter Gesinnungsgenosse auf, den berechtigten Kampf konsequent fortzuführen, und steuert sein Auto in die Menge der Gegendemonstranten.
Nach der Schlacht und dem Anschlag richten sich alle Augen auf den Präsidenten selbst, zu dessen Stellenbeschreibung das Spenden tröstender und versöhnender Worte anlässlich tragischer Ereignisse gehört. Für die Profis der Öffentlichkeit ist nämlich das Hauptopfer der Schlacht die Einheit der Nation über alle ethnischen, kulturellen und parteipolitischen Grenzen hinweg, und die entscheidende Frage ist, ob da der Präsident seinem Amt gerecht wird: Wenn die Einheit der Nation durch rechtsradikale Gewalt so bösartig angegriffen wird, dann ist es an dem Chief, nicht nur den obersten Inhaber der Staatsgewalt, sondern auch den Vater der nationalen Familie zu spielen und seinem Volk die nötige moralische Orientierung zu geben. Und nach einer für seine Verhältnisse ungewöhnlich langen, zweitägigen Sendepause kommt Trump dem Auftrag auf seine Art nach:
„Wir verurteilen in den stärkstmöglichen Worten dieses ungeheuerliche Zusammenspiel von Hass, Bigotterie und Gewalt, auf vielen Seiten. Auf vielen Seiten! Das läuft nun schon eine lange Zeit in unserem Land. Nicht Donald Trump, nicht Barack Obama. Das läuft schon eine lange Zeit, eine lange Zeit. Das hat keinen Platz in Amerika. Jetzt brauchen wir unbedingt die Wiederherstellung von Recht und Ordnung, den Schutz unschuldiger Bürger. Kein Bürger sollte sich jemals um seine Sicherheit sorgen müssen.“ (Trumps Statement zu Charlottesville, 12.8.17)
Schon die zeitliche Verzögerung seiner Ansprache und erst recht seine Worte zeugen davon, dass Trump sich hier zu einer Abweichung von seiner moralischen Richtlinie hat durchringen müssen. Er ergreift mal nicht Partei, nicht einmal für die fanatischen Anhänger, die ihn als ihren Anführer feiern. Er entschließt sich vielmehr zu einer überparteilichen, im Wortsinn staatsmännischen Reaktion: Er nimmt den Anschlag und die ihm vorausgegangene Straßenschlacht als das, was sie für das staatliche Gewaltmonopol allein sind: eine gewaltsame Auseinandersetzung, damit ein – „von vielen Seiten“ begangener – Verstoß gegen das vom Staat gewaltsam durchgesetzte Gesetz. Im Gegensatz zu all denen, die von ihm eine eindeutige Verurteilung der Rechtsradikalen erwarten, die in seinem Namen angetreten sind, das gute Amerika zu spalten, ist für Trump das Hauptopfer der Schlacht die verletzte Ordnung selbst, mitsamt ihrer anthropomorphen Fassung: dem „unschuldigen Bürger“, der diese Ordnung braucht, sich an sie hält und durch solche Gewalt überall in Amerika, nicht nur in Charlottesville, leiblich bedroht ist. Entsprechend diesem staatsmännischen Blick auf die Ereignisse lautet das von Trump ermittelte Motiv für den vielseitigen Bruch von Recht und Ordnung: Recht besehen hat sich in Charlottesville „der Hass“ selbst ausgetobt – ein Motiv, das keines ist, sondern bloß die in die Gesinnung der Täter projizierte Denunzierung der Gewalt, die die Staatsgewalt sich nicht gefallen lassen will. So führt Trump diese Gewalt auf keine politische Gesinnung zurück; er ist in dieser ersten Reaktion sichtlich und hörbar bemüht, die rechte Gesinnung nicht namhaft zu machen, die in Charlottesville zugeschlagen hat. Er diagnostiziert vielmehr eine reine Verneinung des Rechts, das der Staat allen Bürgern zukommen lässt und gegen alle durchsetzt, sodass die versprochene Heilung folglich in der Wiederherstellung des Respekts auf allen Seiten für Law & Order in Amerika besteht.
Auch Trumps anschließender Appell an die Nation – dies der Heilung zweiter Teil – fällt äußerst staatsmännisch aus:
„Der Hass und die Zwietracht müssen aufhören, und zwar sofort. Wir müssen als Amerikaner zusammenkommen: mit Liebe für unsere Nation und wahre – ich meine es wirklich ernst: wahre – Zuneigung füreinander.“ (Ebd.)
Die Bürger in Charlottesville und anderswo in Amerika mögen mit ihren Vorstellungen von einer guten amerikanischen Heimat einander noch so unversöhnlich gegenüberstehen: Solche Differenzen verblassen davor, dass sie alle Bürger des gleichen, von ihm regierten Kollektivs sind. So spricht er die Demonstranten, Gegendemonstranten und überhaupt die amerikanischen Bürger als das an, was sie für ihn als ihren Führer sind: die Mitglieder des von ihm geführten Volks, als solche geeint, nämlich durch seine Definition von ihnen und ihren Anliegen. Die auf der Demo zutage getretene Unversöhnlichkeit ist so gesehen ein Affront gegen Trump selbst, ein trauriger Schandfleck auf dem schönen Bild, das Amerika seit seinem Amtsantritt abgibt. Es ist nämlich so: Unter seiner Herrschaft funktioniert der nationale Kapitalismus einfach prächtig:
„Unser Land macht es gerade sehr gut auf vielen Wegen. Wir haben Rekord-, absolute Rekordbeschäftigung, die wenigsten Unbeschäftigten seit 17 Jahren. Firmen strömen in unser Land. Foxconn und Autofirmen, so viele andere kommen zurück in unser Land. Wir haben Handelsverträge nachverhandelt, um sie gut für unser Land und gut für den amerikanischen Arbeiter zu machen. Es passieren so viele unglaublich schöne Dinge in unserem Land. Wenn ich jetzt Charlottesville betrachte, erscheint es mir sehr, sehr traurig!“ (Ebd.)
Die großen Geschäftemacher machen große Geschäfte, immer mehr Amerikaner aller Couleur können glatt für deren Bereicherung arbeiten und kriegen sogar Geld dafür: Was soll also der ganze Hass?
Doch Trumps erste, überparteiliche Reaktion wird ihm nicht gedankt. Zwar bedankt sich die Mehrheit der demonstrierenden Rechtsradikalen bei ihm für die Ausgewogenheit seiner Schuldzuweisung; darin sehen sie nämlich den Beweis eines großen Fortschritts in der moralischen Lage der Nation: Sie sind nicht mehr die Bösewichte, denen eine geeinte Nation der selbsternannten Guten gegenübersteht; ihre Feinde – die Linksliberalen, die in ihren Augen die Macht und die kulturelle Hegemonie im Lande längst usurpiert haben – sind vom Präsidenten selbst als Feinde der Nation denunziert worden. Doch ansonsten erntet Trump nichts als Empörung. Und zwar nicht nur vom prominentesten Anführer der radikalen Rechten, David Duke, dem Trumps offensichtliche Bemühung, die rechte Gesinnung hinter der rechten Gewalt unerwähnt zu lassen, nicht reicht. Duke vermisst und verlangt die explizite und aggressive Parteilichkeit, die die Rechtsradikalen an Trump schon immer geschätzt haben, und für die sie ihn doch gewählt haben. Der Rest der Nation wirft Trump umgekehrt vor, den radikalen Rechten, die sich auf ihn berufen, gerade mit seiner überparteilichen, beidseitigen Schuldzuweisung die verdiente Denunziation zu ersparen. Demnach unterlässt er den ihm eigenen Hang zur rhetorischen Vernichtung des Feindes ausgerechnet dort, wo sie einmal wirklich angebracht wäre. Angeleitet von den rechtesten Republikanern im Kongress, die den demonstrierenden Neo-Nazis den Ehrentitel ‚patriotische Kämpfer in der Schlacht gegen das liberale Establishment‘ bestreiten, den sie für sich selbst reklamieren, fordern Opposition und Öffentlichkeit vom Präsidenten, endlich die schönen Worte zu sprechen, die die Würde des