New Cage. Johannes Fischler

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New Cage - Johannes Fischler

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Büchermarkt. Wer sein Geld noch dem Laden im Stadtzentrum anvertraut, der rufe sich den letzten Besuch des Selbigen noch einmal ins Gedächtnis. Wie viele Quadratmeter verschlingen inzwischen die Abteilungen Lebenshilfe, Esoterik, Spiritualität, Astrologie, Bewusstsein und Co.? In welcher Relation stehen diese zu den Bereichen Politik, Kochen oder gar Sprachen? Wie war das früher? Lässt sich hier eine Tendenz erkennen?

      Zumindest wohl dieselbe, die auch in den Geschäftsbüchern ihren Niederschlag findet. So lag 2005 der Anteil esoterischer Veröffentlichungen im Bereich „Sachbuch“ bei 13,4 Prozent. 2007 betrug der Umsatz mit Werken dieses Genres schon 500 Millionen Euro [25]. Ergab die Stichwortsuche „Esoterik“ beim Onlinehändler Amazon im Jahr 2004 noch 6072 [14] Titel, so finden sich 2013 an die 100.000 Treffer. Meinungsforscher konstatieren 20-prozentige Umsatzzuwächse in Sachen Metaphysik, und das in einem stagnierenden Buchmarkt [14].

      Wenn klassische Eso-Shops ihre Pforten schließen, dann wohl nur deshalb, weil viele herkömmliche Buchläden ihnen in Sachen Runenorakel und Seelenbotschaften sprichwörtlich das Weihwasser abgraben. Engelsfigürchen, Abwehr-Essenzen und Heilkristalle, alles, was man für das spirituelle Erwachen so braucht, aber mit Literatur herzlich wenig gemein hat. Die ehemalige Esoterikecke nimmt mancherorts derartige Ausmaße an, als stünde man mitten in einem New-Age-Supermarkt. Dabei bleibt dem klassischen Händler gar nichts anderes übrig, denn der Löwenanteil in Sachen Lebenshilfe findet zweifelsohne mittels der übermächtigen Online-Bookseller seine Käufer. Schließlich versteht sich Spiritualität heute vielmehr als eine Angelegenheit des Selbst-Wählens, des Sichselbst-Aussuchens. Wer braucht da noch Beratung? Hier fühlt sich jeder selbst schon als Experte. Man folgt seiner Intuition und bestellt diskret online.

      Die zunehmende Spezialisierung in der Esoterik 2.0

      Und genau diese Kursrichtung schlägt sich in vielen verschiedenen Marktsegmenten nieder. Gemeint ist die zunehmende Spezialisierung vonseiten der Anbieter als auch der Abnehmer. Man beginnt sich zu positionieren, und das innerhalb der Szene. Vergleichbar hierzu der Weg vom Web 1.0 zum interaktiven Getriebe des Web 2.0.: Den Einstieg haben die meisten schon hinter sich, nun geht es darum, sein Insiderwissen zu vertiefen. Schließlich verstehen sich esoterische Prinzipen für breite Teile der Gesellschaft schon als gelebte Praxis. Hier also immer mehr Fach-Communitys innerhalb digitaler sozialer Netzwerke, da immer extravagantere Zirkel innerhalb einer rosarot durchfärbten Geisteskultur. In diesem Zusammenhang liefern gerade die Entwicklungen am Zeitschriftenmarkt ein Spiegelbild davon, wohin uns die Esoterik 2.0 führt.

      Der esoterische Blätterwald

      Es sind zunächst die Klassiker, welche schon seit Jahrzehnten das magische Feld bestellen. Altbewährte Astrologie à la Astrowoche zieht da mit einer Auflagenhöhe von 100.000 [25] Exemplaren ins Feld. „Einmalige Lebensberatung, hochwertige Horoskope, Mondkalender und viele weitere Themen“ finden hier ihren Leser. Astrowoche Plus-Abonnenten erhalten zudem „einen individuell programmierbaren Mondpausenwarner“ [26] sowie ihre Tageshoroskope per E-Mail. Überboten wird die Zeitschrift aus der Bauer Media Group dennoch von Zukunftsblick aus dem Hause Questico. Und das nicht nur in Sachen Füllmenge – immerhin 268 Seiten für nur 1,40 Euro –, sondern auch im Vertrieb. 250.000 Stück [25] sollen monatlich in diversen Haushalten landen. Seitenweise finden sich Annoncen der Channel-Medien und Hellfühlenden, großteils via Telefon. Kontaktmagazine im spirituellen Format. Nur diesmal sind es nicht Sexhotlines, sondern jenseitige Tuchfühlungen, die da vermittelt werden. Und umgekehrt ist nun das Publikum durch die Bank weiblich.

       Magazine für esoterische „Insider“

      Mehr phantastischen Tiefgang beweist da schon der florierende Markt esoterischer Fachzeitschriften. Denn aus dem magischen Garn der ersten Generation häkelt nun jeder Kult seine ganz eigenen Muster. Die Rede ist von vielen verschiedenen Fangemeinden unterschiedlicher metaphysischer Labels. Jede Community besetzt ihr ganz eigenes Ressort und kommuniziert wiederum über ihr eigenes Medium. So zum Beispiel das Magazin Lichtfokus (Auflage circa 12.000) [25] mit den Schwerpunkten Lichtarbeit, Channeling und aufgestiegene Meister. Hier dreht sich alles um die Themen „Erwachen, Spiritualität, Neues Bewusstsein“, das Wörtchen „Esoterik“ sucht man in diesem Blatt allerdings vergebens. Wozu auch? Die Adressaten sind hier nicht „Esoteriker“, sondern schlicht die „Lichtarbeiter der Neuen Zeit“.

      Seit April 2008 erfährt auch der Engelspiritismus mediale Unterstützung. Das Engelmagazin spricht dem Leser aus dem Herzen: „Du verdienst es, geliebt zu werden“, versichert das Cover [27]. Immerhin 75.000 Stück verlassen alle zwei Monate die Druckerpresse und versorgen Erwachsene mit flauschigen Engelsgeschichten, um „der Sinnsuche und Sinnfindung mehr Raum im Leben“ zu geben [25]. „Spirituelle Lebenshilfe und Engelbotschaften für jeden Tag“ werden darin geboten, bis hin zu „Tiere, unsere Seelenpartner“ [28]. Aber auch hier wieder dasselbe Bild: von „Esoterik“ oder gar „New Age“ keine Spur.

       Das Wellnessmagazin als Türöffner

      Als etwas weniger exklusiv und somit für eine breitere Leserschaft konzipiert erweist sich das Monatsmagazin Visionen. „Spiritualität, Bewusstsein, Wellness“ [25] lauten hier die Themenschwerpunkte. 90.000 Stück informieren Monat für Monat in Sachen Zen-Buddhismus, Intuition und Gehirnforschung bis hin zu Tarot und Seelenpartnerschaft. Visionen liefert ein gutes Bespiel für das Ineinandergreifen von Esoterik- und Wellnessbewegung. Die Sehnsucht nach innerer Mitte und bewusstem Leben wird hier genauso angesprochen wie der Wunsch, „Engel und Sterne als Seelenführer“ [29] zu etablieren. So fungieren spirituell angehauchte Wellnessmagazine gewissermaßen als Steigbügelhalter für den oben erwähnten Insiderhandel. Sie sichern das Feld nach hinten ab und sorgen mithilfe einer marktgerechten Mixtur aus Vernunft und Unvernunft für einen tragfähigen ideologischen Unterbau, der spezialisierteren Zirkeln eine Abflugbasis bietet. Gerade also ein Streifzug durch den Blätterwald der Wellnessindustrie versinnbildlicht, wo die Themenschwerpunkte der Neuzeit anzusiedeln sind. Denn die „Zukunft steht nicht nur in den Sternen“, sie findet sich „auch zwischen den Beinen“, steht da in Body & Mind, dem Blatt für „Wellness und Wohlfühlen“ [30]. Schließlich hat die hier beworbene georgische Astrologin ihr Wissen bereits an über 4000 Genitalien erproben können. Doch intimes Handanlegen sei für eine „Prophezeiung“ nicht nötig, ein Foto genügt. Der Eros im Dienste des Spirit.

      Die Zukunft heißt „Mindstyle“

      Dass gerade dem gigantischen Markt der Frauenzeitschriften eine intensive Transformation bevorsteht, illustriert die Geburt der sogenannten „Mindstyle-Magazine“. Das Bauch-Beine-Po-Postulat erfährt hierbei eine trendgerechte Erweiterung. Body, Fitness und Sex bekommen Gesellschaft von Aura, Chakren und Lichtkörpern. Vormals Esoterisches avanciert stillschweigend zum neuen Life- oder eben Mindstyle. Dementsprechend pflegt man „einen bewussten Lebensstil“ [31] und schmückt sich zugleich mit spirituellem Aufputz. Genau deshalb gehört die Zeitschrift Happinez aus dem Heinrich Bauer Verlag selbstredend zur Welt der „New Luxury“-Magazine [32].

      Selbstverbesserung und „emotionale Weiterentwicklung“ [33] in „hochwertigster Haptik und Optik“ [34] versinnbildlichen in den Worten der Trendforscher einmal mehr, „wie das Übersinnliche die gesellschaftliche Mitte erobert“ [14]. Auffallend hier die Überlagerung weltlicher Themen mit einem spirituellen Nimbus. Job, Gesundheit, Ernährung, Lifestyle, Reise oder Kultur: Alles wird um eine bedeutende Dimension erweitert. Die eigene Vervollkommnung mit allem, was dazugehört, lautet wohl die Devise des Blattes für 35- bis 50-Jährige. Das Magazin, das „Weisheit, Psychologie und Spiritualität“ anvisiert, propagiert neben dem Gang zum Schamanen auch Kristallwasserstäbe zum Übertragen von Heilkräften und vermiest seinem Publikum Nicht-Tantra-Sex als „eine nackte, kalte Form von Sexualität“ [35].

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