Caffe della Vita. Daniel Morawek
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Caffe della Vita - Daniel Morawek страница 6
»Da sind Sie ja auf einmal wieder. Ich hätte schwören können, Sie hätten sich in Luft aufgelöst.« Der Verkäufer sah erstaunt auf.
»Sie müssen das nächste Mal einfach nur besser hinsehen«, sagte Gaetano und nahm das Wechselgeld entgegen.
Der Verkäufer erzählte noch eine Geschichte von einem seiner Neffen oder vielleicht auch von jemandem mit einem ähnlichen Verwandtschaftsgrad, doch Gaetano hörte ihm schon nicht mehr zu. Er dachte über die Journalistin nach und ob sie zu einer Gefahr für ihn werden könnte. Zum Glück gab es keine Gefahren, denen er sich nicht stellte, und wenn sie ein Problem darstellen sollte, wenn sie zu neugierig werden würde, würde er die Angelegenheit mit Freuden lösen. Wenn die Reporterin eine Schlagzeile will, dann helfe ich ihr, dass sie selbst zur Schlagzeile wird: »Reporterin des Cronaca Meridionale auf Geschäftsreise verschollen«.
Ob er noch einmal zurück zur Pension gehen sollte, um seine Beretta zu holen, bevor er sich mit dem Auftraggeber traf? Nein, dafür reichte die Zeit nicht mehr.
Er steckte die Batterien in seine Kameratasche und steuerte auf die Ausgangstür zu, als der Ladenbesitzer ihm hinterherrief: »Sagen Sie mal, sind Sie jetzt eigentlich Reporter oder nicht?«
»Reporter?«
Gaetano stand in der bereits geöffneten Tür und sah noch einmal kurz zu dem Mann hinter der Theke.
»Nicht wirklich«, sagte er und verschwand auf die Via Immacolata.
Der Wirt des Caffè della Vita, der zugleich der Barkeeper war, dafür aber nicht der Besitzer des Etablissements, gehörte kaum zu den Menschen, die man gemeinhin als gesprächig oder gar geschwätzig bezeichnen würde. Das Café führte er zusammen mit seiner Frau, die auch das Geld investiert hatte, und ähnlich wie in ihrer Ehe waren auch im Geschäftsleben die Aufgabenbereiche klar verteilt: Er war zuständig für das Arbeiten, sie für das Reden. Das Reden, das sie ununterbrochen und selbstverständlich laut zu tun pflegte, konnte bei ihr oftmals auch ohne Weiteres in ein unangenehmes und, was die Gespräche mit ihrem Mann betraf, zumeist anklagendes Schreien übergehen. Deshalb hatte der Wirt irgendwann fast gänzlich aufgehört zu sprechen, er sprach mittlerweile sogar weniger, als er es vor der Hochzeit getan hatte. So fristete er sein Dasein und war froh, dass er wenigstens während der Arbeitszeit seine Ruhe hatte, da seine Frau nur selten im Café vorbeikam, und wenn, dann in der Regel nur, um sich über irgendeine Nichtigkeit aufzuregen, zum Beispiel, dass der Spiegel in der Cafétoilette schon wieder entwendet worden sei und dass ihr Mann sich wieder einmal von irgendwelchen dahergelaufenen jugendlichen Vandalen auf der Nase hatte herumtanzen lassen.
Carla rückte ihre Bluse zurecht und ging über die große Piazza geradewegs auf das kleine Café zu.
Sie betrat den Hauptraum mit der Theke durch einen bunten Plastikvorhang und sah sich um. An der Wand hingen Neonreklamen aller möglichen Bier- und Getränkemarken in allen möglichen und unmöglichen Farben. Das Surren der Eistruhe war beinahe lauter als der Schlagersong, der aus dem Kofferradio dröhnte. Sie ging auf die Theke zu, die mit einer marmorierten Plastikfolie überzogen war, und sprach den Wirt an, der gerade mit einem Lappen den Zapfhahn abwischte.
»Entschuldigen Sie, ich bin eine Reporterin vom Cronaca Meridionale und brauche ein paar Informationen. Haben Sie mit einem meiner Kollegen ein Interview per Telefon geführt?«
Der Wirt sah nicht auf, als er ihr antwortete, und wischte weiter den Zapfhahn ab. »Das glaub ich kaum, ich geb nämlich keine Interviews. Wenn Sie reden wollen, dann gehen Sie doch zu dem Kellner da draußen. Der redet eh viel zu viel.«
Carla drehte sich um und entdeckte durch die Schlitze in dem Vorhang einen weiteren Kellner, der vor dem Café Plastikstühle und Plastiktische aufstellte. Sie drehte sich wieder zu dem Besitzer. »Sie können mir also nicht weiterhelfen?«
Der Barkeeper schüttelte gelangweilt den Kopf. Carla nahm ihre Sonnenbrille ab, schob sie zwischen ihre Haare und drehte sich um. Dann schritt sie durch den Ausgang auf den vermeintlichen Informationsträger zu.
»Entschuldigen Sie, ich bin Journalistin. Kann es sein, dass Sie mit meinem Kollegen ein Telefonat geführt haben?«
»Das war ich nicht, das war Antonio.« Der Kellner nahm einen weiteren Stuhl vom Stapel und stellte ihn an einen der Plastiktische.
»Und wo finde ich diesen Antonio?«
»Er arbeitet heute nicht. Aber wenn Sie wollen, kann ich Ihnen auch weiterhelfen. Sie sind auf der Suche nach dem Predicatore, nicht wahr?«
Sie schaute ihn erstaunt an – endlich schien sie jemanden gefunden zu haben, der etwas wusste und bereit war, mit ihr zu reden. »Woher wissen Sie das?«
»Signora, ich bin Kellner. Wir bekommen eine Menge mit bei unserer Arbeit. Ich kenne alle Menschen in diesem Dorf und ich kenne ihre Geschichten – und Antonio, den kenne ich auch. Er hat mir von Ihrem Kollegen erzählt.«
Sie lächelte.
»Und der Predicatore – was ist mit dem? Kennen Sie ihn auch?«
Der Kellner ließ sich nicht von seiner Arbeit ablenken und nahm den nächsten Plastikstuhl vom Stapel herunter.
»Keine Angst, Signora. Wenn Sie es wollen, dann werde ich Ihnen helfen, ihn zu finden.«
Carla war begeistert. »Natürlich will ich das! Sagen Sie mal, stimmt es, was die Leute sich erzählen, ich meine, dass er Zeichen und Wunder vollbringt? Sogar mehr noch als Padre Pio? Und dass selbst die Statuen der Heiligen echte Tränen vergießen, wenn er an ihnen vorbeiläuft?«
Sie kramte einen Notizblock und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche. Der Kellner verharrte für einen Augenblick, als er ihren Fragen zuhörte, atmete tief durch und ließ einen langen Moment der Stille vergehen. Dann antwortete er ihr: »Ja, das erzählen sich die Menschen. Aber wenn ich Ihnen einen Ratschlag geben darf – glauben Sie nicht alles, was die Leute sagen.«
Er drehte sich langsam zu ihr um und konnte die Enttäuschung auf ihrem Gesicht ablesen.
»Sie meinen, das ist alles nur erfunden?«, fragte sie ihn vorsichtig.
Er lächelte sie an. »Keine Angst. Das mit den Statuen stimmt vielleicht nicht, es gibt aber immer noch genügend Wundersames und Spannendes über den Predicatore zu berichten. Setzen Sie sich doch.« Er zeigte auf einen der Tische.
»Ich werde Ihnen alles erzählen, was Sie wissen müssen, um die Geschichte Ihres Lebens zu schreiben.«
Carla blickte auf ihre Armbanduhr, dann sah sie wieder zu dem Kellner auf.
»Aber ich habe nicht viel Zeit! Können Sie mir nicht einfach sagen, wo ich den Predicatore finden kann?«
Der Kellner lächelte immer noch. »Ich weiß, dass Sie es eilig haben. Doch glauben Sie mir, es ist nicht so einfach, ihn zu finden, wie Sie sich das vorstellen. Lassen Sie mich Ihnen helfen, dann können Sie ihn selber finden«, sagte er zu ihr und zeigte mit ausgestreckter Hand auf den Bistrotisch.
Carla zögerte einen Moment, setzte sich dann aber doch. Sie zündete sich eine Zigarette an und wartete ab, was er ihr