Die Vier-in-einem-Perspektive. Frigga Haug

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Die Vier-in-einem-Perspektive - Frigga Haug

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problematisch.

      3. Wenn nicht klar ist, was Männerarbeit, was Frauenarbeit ist, gerät die stark an die Arbeitstätigkeit gebundene Identität in Krise.

      4. Kulturelle Gewohnheiten in und um Arbeit werden zerstört: das betrifft z. B. Alkoholgenuss bei der Arbeit, Spaß, Kraftgefühl, welches »Männlichkeit« absicherte und auf körperlicher Arbeit beruhte.

      5. Die Art der Zusammenarbeit, das Verhältnis der Geschlechter, das Zueinander von Familie und Freizeit werden verändert. Die Bedrohungen, die mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit erahnbar werden – die Reduktion von Freundschaften auf zufällige Gleichzeitigkeit von Arbeits- und Freizeit und die Reduktion des Sozialen auf die innere Organisation der Familienzeiten sind hier erst ein Anfang.

       Subjektive Verarbeitungsweisen objektiver Umbrüche

      Bei einer empirischen Untersuchung an 240 Büroarbeitsplätzen in der Dateneingabe, der Dialogbearbeitung und der Systemanalyse zerlegten wir das Verhältnis der Einzelnen zum Arbeitsprozess analytisch in einzelne Aspekte und versuchten so, spezifische Erfahrungen der Arbeitenden mit den neuen Produktionsmitteln ausfindig zu machen. Das ist sehr viel leichter gesagt als getan. Wir fragten nach der Qualifikation, der Vielfältigkeit der Arbeit, der Arbeitsteilung und Hierarchie, den Formen der Zusammenarbeit und der Solidarität unter den Arbeitenden und schließlich nach Lern- und Weiterbildungsstrukturen. – Wir stießen sogleich auf zwei Merkwürdigkeiten:

      Zunächst auf eine relativ große Sicherheit der Betroffenen, dass die Computer weitgehend schlechte Folgen hätten, dass sie hauptsächlich monotone Arbeit hervorbrächten, die Arbeitsteilung sich eher verstärkt habe, Isolation die Folge sei und Lernen eigentlich nicht vorkäme. Allerdings träfe dies auf die anderen zu, die darum auch solidarisch untereinander seien, weil sie nichts zu verlieren hätten.

      Und zweitens gab es eine fast ebenso große Sicherheit, dass der Einsatz der Computer in der eigenen Arbeit zu höherer Qualifikation, größerer Vielfalt in der Arbeit, integrierten Arbeitsaufgaben, verdichteter Kooperation und schließlich auch zu verbesserten Lernmöglichkeiten geführt habe. Die Sicherheit des Andersseins war begleitet vom Gefühl des selbstbewussten Alleinseins.

      Dieser Befund verweist uns als ein erstes Ergebnis auf ein Problem, aus dem methodische Konsequenzen zu ziehen sind. Bei der Einschätzung der negativen Folgen der Computerisierung hatten die Befragten ganz offensichtlich von ihrer eigenen Erfahrung abstrahiert, sich selbst als Ausnahme begriffen. Die herrschende Auffassung setzt sich als Meinung gegen die eigene praktische Arbeitserfahrung durch. Ihre Nichtübereinstimmung mit eigener Praxis wird verarbeitet als Trennung des Ich von den Anderen. Nicht die herrschende Auffassung wird kritisiert, sondern die eigene Praxis wird selbstbewusst isoliert. Eine solche Verarbeitungsweise durch die betroffenen Subjekte lässt empirische Methoden, die sich mit der einfachen Antwort begnügen und die Ergebnisse als widerspruchsfreie Tatsachensammlung behaupten, sehr fragwürdig werden.

      Immer wieder trafen wir auf Vereinzelungsstrategien und -phänomene. Die neuen Bedingungen werden als Bedrohung der Privatperson, der Privatsphäre, des Privaten schlechthin wahrgenommen. Wir können sicher davon ausgehen, dass in diesem Rückzug auch das gesellschaftliche Projekt, soweit es sich ankündigt, zusammen mit den Übergriffen der Unternehmer und den entfremdeten Arbeitsverhältnissen abgewehrt wird. Der Widerstand geht in die Befestigung der privaten Fluchtburg.

      Auch solche Umbrüche, die schon heute objektiv als eine Bereicherung wahrgenommen und ergriffen werden könnten, werden unter dem Blickwinkel der alten Verhältnisse und der »alten Menschen« strukturiert und erfahren. Z. B. wird die autonomere Zeitverfügung von einer Gruppe von Programmierern als Entleerung und als Strukturmangel wahrgenommen und setzt ein Verlangen nach der alten Ordnung frei. Die Inkompetenz der Vorgesetzten wird zwar mit einem gewissen Stolz verkündet, jedoch die soziale Anerkennung, die mit diesem Kompetenzverlust von oben einhergeht, als fehlend eingeklagt. Ebendieser Mangel führte selbst bei arbeitsmäßig und politisch engagierten Programmierern zur »Verlagerung ihres Lebensmittelpunktes« in die Familie, um dort »soziale Anerkennung« an die Kinder zu vergeben, damit sie zu Menschen werden könnten. Und die Faszination, die die neue Arbeit auf die Einzelnen ausübt, wird schließlich als Verführung abgewehrt, als Versuchung, das Private zu vergessen (ebd.).

      Allgemein können wir formulieren, dass eine Zunahme von Angst und Vereinzelung zu den Verarbeitungsmustern der neuen Produktionsmittel und -arrangements gehört.

       Folgen für die Arbeitspsychologie

      Eine Bestandsaufnahme über die typischen Aufgaben von Betriebspsychologen lehrt uns: Sie beraten die Arbeitenden in sogenannten persönlichen Fragen wie Ehe und Familie, Kindererziehung; hinzu kommen Fragen der Eignung für die Arbeitsplätze und die Herausbildung solcher Eignungstests; manchmal sind Fragen der angemessenen Ausbildung und der zumutbaren Belastung Aspekte ihrer Tätigkeit; ganz selten gehört auch die Arbeitsgestaltung dazu.

      Diese Fragen haben auf den ersten Blick nicht allzu viel mit den oben diskutierten Veränderungen in den Produktionsbedingungen und den damit auftretenden Problematiken zu tun, bekommen aber in den Zeiten der Umbrüche eine neue Dimension. Es ist ja weder davon auszugehen, dass die Arbeitssituation so einfach und unumwunden die Familiensituation bestimmt, wie wir dies noch vor Jahren mit dem vereinfachten Modell der Weitergabe von Unterdrückung annahmen (der männliche Arbeiter wird im Betrieb unterdrückt und gibt diese Erfahrung sozusagen kompensatorisch an die Familie weiter). Auch die umgekehrte Behauptung, dass die Familie den Arbeitsfrieden störe, erscheint als zu einfach und gradlinig. Unsere empirischen Untersuchungen zeigten vielmehr, dass die Weise, wie privat Probleme angeordnet und gelöst werden – nämlich vereinzelt, hierarchisch und unter Eliminierung aller Widersprüche –, das Problemlöseverhalten auch im Betrieb bestimmt und unter den neuen Bedingungen dort scheitert.

      »Arbeits-« und »Lebens«weise sind als ein Zusammenhang zu begreifen. Die dringliche Aufgabe einer »eingreifenden« Arbeitsforschung ist, dazu beizutragen, dass die Handlungsfähigkeit der Arbeitenden in schnellen Veränderungsprozessen auf höherem Niveau wiederherstellbar wird. Dabei können die Betroffenen nicht als Objekte solcher Forschung konzipiert werden, denn es geht nicht um arbeitsteiliges Diagnostizieren von Problemen, sondern die neue Weise zu produzieren ist solcherart, dass Handlungsfähigkeit der Arbeitenden nur erreichbar ist, wenn sie ihre eigene Arbeitssituation beherrschen. Dafür ist eine erste Voraussetzung die Analyse der Arbeitsprozesse durch die Handelnden selber. Die Zweifel über die eigene Identität und die damit verbundenen Probleme fehlenden Selbstbewusstseins bedürfen einer historischen Betrachtung der eigenen Arbeit und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft. Wie lässt sich anders Sinn und Bedeutung finden, wenn etwa die Aufgabe als Versetzen eines Kommas oder eines Bindestrichs beschrieben wird (wie dies uns durch eine Gruppe von Programmierern nahegelegt wurde), in einem Feld allgemeiner Neudefinition von Arbeit und Beruf?

      Die theoretisch-praktische Beherrschung des eigenen Arbeitsfeldes beinhaltet das Lernen des Lernens, ist bestimmt durch die Möglichkeit, verändernd eingreifen zu können, Alternativen zu entwerfen, Kritik zu üben. Wenngleich diese Dimensionen sich abstrakt und utopisch anhören mögen, sind sie doch Wirklichkeit auf den verschiedenen Niveaus computerisierter Arbeit und dort zu studieren. Statt um Anpassung an die gegebenen Arbeitsstrukturen muss es jetzt um deren Aneignung gehen.

       Projektforschung

      Lernen steht in jeder Weise im Zentrum der neuen Arbeit. Alle Umbrüche in den Arbeitsbedingungen verlangen neue Lernformen und aktive Anstrengungen, um einer Auslieferung zu entgehen, die ohnehin für den Umgang mit den neuen Technologien nicht tragfähig ist. Arbeitsforschung, die nicht bloß konstatierend, sondern eingreifend tätig sein und in den neuen Arbeitsstrukturen die Erforschten als Subjekte einschließen will, verlangt ebenfalls neue Formen des Herangehens. Unter den bisher möglichen Formen scheint mir das Projektstudium für dieses Unterfangen am geeignetsten zu sein. Es

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