Briefe aus der Ferne. Группа авторов
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Briefe aus der Ferne - Группа авторов страница 13
Und doch macht die offizielle Begründung, die für solche Kriege gegeben wird, oftmals unzulässigen Gebrauch von fortschrittlicher Politik. Im Krieg gegen Afghanistan gab es unzulässige Beschwörungen von »Feminismus«, als die USA für sich in Anspruch nahmen, afghanische Frauen aus ihrer Unterdrückung zu befreien. Dass jüngst Ayaan Hirsi Ali gefeiert wird, stellt eine ähnliche Bemühung dar, Feminismus als antiislamisch zu definieren und den »Westen« als sicheren Hafen für Frauen zu feiern. Ähnlich behaupteten die niederländischen Staatsbürgerschaftstests, die Verteidigung von Homosexuellenrechten sei Zeichen ihrer Modernität. In diesen Fällen werden sowohl Feminismus als auch fortschrittliche Sexualpolitiken dazu instrumentalisiert, religiöse und ethnische Minderheiten zu dämonisieren und herabzusetzen. Im Ergebnis können wir erkennen, wie der Staat in der Kriegsrhetorik und in der Einwanderungspolitik versucht, sexuelle Minderheiten und Frauen von neuen und jüngeren religiösen Minderheiten zu trennen. Mit anderen Worten: Der Staat versucht die Möglichkeit eines Bündnisses, das aus sich überschneidenden Prozessen der Minderheitenbildung entstehen kann, zu untergraben. Diese Fassung der gegenwärtigen Situation übersieht, dass diese verschiedenen Identitäten einander bereits kreuzen und wichtige Bindungen unterhalten: Es gibt muslimische feministische Bewegungen, arabische Schwulenorganisationen und -bars und verschiedene Formen der Bündnispolitik, in denen eine Reihe von Leuten aus all diesen Gruppen zusammenarbeiten, um sich gegen Diskriminierung, gesetzliche Entrechtung, Polizeischikane und staatlichen Zwang zu wehren.
Ich möchte mit zwei Punkten schließen. Erstens: Ein neues Verständnis der Linken bleibt nicht bei einer neuen und komplexen Reflexion über Prozesse der Minderheitenbildung stehen, die die Entstehung und Auslöschung verschiedener Gruppen beeinflussen. Zweitens: Wir müssen die wichtige Frage der Prekarität einbeziehen. Diejenigen, deren Leben Hunger, Obdachlosigkeit, Armut, gesetzlicher und politischer Entrechtung und mangelnder Gesundheitsversorgung ausgesetzt ist, bilden prekäre Bevölkerungen, solche, deren Leben extremen Bedingungen von Prekarität unterworfen ist. Wir könnten zwar sagen, dass jedes Leben prekäres Leben ist, dennoch bleibt wahr, dass manches Leben in die Prekarität gestoßen, nicht als schützenswert, nicht als wertvoll angesehen wird, ja nicht einmal als betrauernswert, wenn es verloren wird. Das nicht betrauerbare Leben ist das Leben, das nie als Leben angesehen wurde, und somit auch das unlebbare Leben. Wir müssen die konventionellen Modelle des Multikulturalismus überschreiten, um zu verstehen, wie Prekarität ungleich verteilt ist.
Der Widerstand gegen die ungleiche Verteilung der Prekarität ist ein wichtiger Punkt für jedes zukünftige Bündnis. Entsprechend müssen sich Bündnisse und Allianzen weiter dem Kampf sowohl gegen Rassismus als auch gegen Homophobie verpflichten, sowohl gegen einwanderungsfeindliche Politik als auch gegen mannigfaltige Formen von Frauenfeindlichkeit. Eine starke Bewegung auf der Linken muss Bündnisse mit religiösen und sexuellen Minderheiten gleichermaßen suchen und aufrechterhalten und sich auf die Kritik von staatlichem Zwang und staatlicher Gewalt konzentrieren. Diese letztgenannte Kritik würde auch zu einem Argument gegen die gegenwärtigen Diskurszwänge im politischen Denken, die Minderheitenpositionen und -interessen polarisieren.
Ich will nicht behaupten, dass Bündnisse immer glücklich sind oder immer funktionieren. Ich denke vielmehr, dass es Antagonismen gibt, die zum Bündnis dazugehören, und dass der Antagonismus Bündnisse offen, selbstkritisch und dynamisch hält. Die Frage ist, wie man im Rahmen von Bündnissen Antagonismen aufrechterhalten kann, und das bedeutet, den temporären und unbeständigen Charakter dieser sozialen Form zu akzeptieren. Wie denken wir über einen Kampf, in dem Subjekte durch die politischen Ziele des Kampfes und durch ihre Zusammenarbeit verändert werden? Wird das Subjekt auf diese Weise zum Gemeinwesen? Und wie denken wir über diese Transformation selbst als Ziel der Bewegung selbst? Ein Grund für die Unmöglichkeit, das Subjekt als Grundlage für Politik zu nehmen, besteht darin, dass es ständig im Prozess der Formung ist. Es wird nicht nur von und durch Macht geformt, sondern auch im Verhältnis zu anderen Subjektformierungen. Das Subjekt wird etwas anderes kraft seiner politischen Aktivität, was bedeutet, dass das Subjekt kein fester Ausgangspunkt ist. Und es strebt auch nicht einfach oder immer danach, zu sich zurückzukehren. Was, wenn es keine Rückkehr zum früheren Selbst gibt? Was, wenn wir alle als Folge neuer politischer Herausforderungen, denen wir begegnen, Veränderungen durchmachen müssen? Das Subjekt, das in ein Bündnis eintritt, ist dann nicht dasselbe wie das Subjekt, das durch das Bündnis transformiert wurde. Und die politische Praxis transformiert das Subjekt der Politik. Das bedeutet auch, dass dort nicht die erhoffte Ordnung erneuert wird, sondern lediglich die Aufgabe, in neuer Unordnung einen Sinn zu finden, der uns mehr oder weniger zusammenhält.
Literatur
Laclau, Ernesto, u. Chantal Mouffe (1991): Hegemonie und Radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus. Wien.
Woodhead, Linda (2008): »Secular Privilege, Religious Disadvantage«, in: British Journal of Sociology 59.1, S. 53–58
Gabriela Cañas
Madrid, Spanien
Gabriela Cañas ist als Journalistin auf gesellschaftspolitische Themen spezialisiert; seit 1981 gehört sie zur Redaktion der spanischen Tageszeitung El País; 2002 wurde sie mit dem Journalistinnenpreis des Red Europea de Mujeres Periodistas (Verband europäischer Journalistinnen) ausgezeichnet.
Von Klamotten und Silikon15
Körperkult setzt sich durch, und Frauen übernehmen die Rolle des Hypersexualisierten (des Sexsymbols), die man von ihnen erwartet angesichts der Schwierigkeiten, sich in einer durch das Gewicht von Geld und männlichen Werten aus dem Gleichgewicht geratenen Gesellschaft zu behaupten.
Es ist schade, dass Frauen sich nicht wie die Männer eine kleine Auswahl an Uniformen zugelegt haben, um jegliche ideologische Last zu vermeiden, die immer noch auf weiblicher Kleidung liegt. Die Sache ist von derartiger Tragweite, dass der Versuch, ein weibliches Kleidungsstück, den Ganzkörperschleier, zu verbieten in den letzten Monaten eine lange und erbitterte Debatte ausgelöst hat, an der Männer genauso teilgenommen haben wie Frauen (ein Phänomen, das es extra zu untersuchen gälte).
In dieser aufgeheizten und leidenschaftlichen Debatte wurden zwei Auffassungen vertreten: die Verteidigung der Würde der Frau und die Ungereimtheiten der westlichen Gesellschaft und Kultur, die geneigt ist, diejenige zu verfolgen, die sich übertrieben bedeckt, und diejenige zu tolerieren, die genau das Gegenteil tut.
Zur Würde der Frau haben sich auch die radikalsten Imane zu Wort gemeldet, um für die freie Wahl (?), den Schleier zu tragen, einzutreten. Die westlichen Ungereimtheiten sind dabei jedoch mit einem Schleier bedeckt worden, der noch undurchdringlicher ist als die Burka. Die Burka ist nicht die entscheidende Frage, aber vielleicht eine grobe Falle zur Ablenkung von der eigentlichen Frage. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass viele von uns verblüfft all die Einzelheiten des öffentlichen Auftretens und Verhaltens von Frauen beobachten, die uns einen Hinweis darauf geben, dass wir uns in einer gewissen