Briefe aus der Ferne. Группа авторов

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gibt es viele, und alle zeigen, dass die westliche Frau offensichtlich Sklavin ihres Körpers und des von ihr geforderten hypersexualisierten Stereotyps ist. Diese Sklaverei beruht auf denselben Vorurteilen, mit denen der Ganzkörperschleier verteidigt wird. Es geht in beiden Kulturen um den Körper der Frau als Objekt männlichen Begehrens, egal, ob er vor anderen versteckt oder umgekehrt zur Schau gestellt wird, um männliches Gefallen zu finden.

      Während sich junge Frauen Samstagnacht frech als Lolitas aufmachen und andere mit Magersucht kokettieren, werden sie von ihren Freunden in Gossensprache auf ihre Funktion als Sexualwesen reduziert. Die gängige Mode verlangt leichte Kleidung als ausdrückliche sexuelle Einladung an Männer, die deutlich mehr anhaben. Schauspielerinnen bearbeiten ihren Körper mit Diäten und Skalpell. Fotomodelle machen den größten Eindruck, wenn sie den Laufsteg nutzen, um intime Einblicke zu gewähren, und erfolgreiche berufstätige Frauen verbringen ihren Tag auf Stöckelschuhen, die zwar ihren Rücken kaputt machen, aber Symbol von Eleganz und Weiblichkeit sind.

      Martha Nussbaum, Philosophie-Professorin an der Universität Chicago, erinnert in einem kürzlich in der New York Times erschienen Artikel daran, dass die Burka als erniedrigendes Gefängnis betrachtet wird, und fragt: »Und was ist mit dem erniedrigenden Gefängnis der Schönheitschirurgie?« Vielleicht erscheint uns das als ein übertriebener Vergleich, aber ich fürchte, es gibt nur wenige Frauen in unserer Konsumgesellschaft, die die sozialen Erwartungen ans Frauenbild nicht als Zentnerlast empfinden, welche sie neben ihrer Doppelbelastung als berufstätige Hausfrau auch noch zu Sklavinnen ihres Körpers macht.

      Folglich widmet sich eine Mehrheit mit Verbissenheit dem verrückten Wettlauf mit den natürlichen Altersanzeichen und widmet sich dem stetigen Kampf gegen Fettpölsterchen (die dort sind, wo sie natürlicherweise sein sollen), gegen das Alter, gegen schlaffe Haut und graue Haare, um nur einige Schlachtfelder zu nennen, die sich ohne Unterlass auftun und natürlich die Frage der Kleidung einschließen, die ununterbrochen erneuert werden muss und niemals ausreicht für das aktive Leben, das die große Mehrheit führt.

      Einige soziologische Studien zeigen, dass Frauen, die am meisten auf ihr Äußeres achten, diejenigen sind, die eine gewisse Stellung im Beruf erreicht haben, und nicht die ohne Berufsarbeit, die dafür mehr Zeit hätten. Das hat damit zu tun, dass ein entsprechendes Äußeres geradezu unverzichtbar für den sozialen Erfolg einer Frau ist. Die systematisch von Männern kontrollierten Medien legen die Stereotypen unserer Zeit fest. Wenn man sich einfach nur die Gesichter anschaut, die gewöhnlich auf dem kleinen Bildschirm zu sehen sind, reicht das, um das feste Band von Erfolg und Aussehen zu bestätigen. Ein Außerirdischer, der eben erst auf der Erde gelandet ist, würde aus dem Fernsehen sofort schließen müssen, dass Männer Wesen von großer antropomorpher Vielfalt und großer Langlebigkeit sind, während Frauen grazile, bunte Kreaturen sind, die früh sterben, weil man kaum je eine Frau jenseits der vierzig sieht. Leider macht das feste Bild, das wir den Kindern, die ebenso wie der Außerirdische noch nicht lange bei uns sind, präsentieren, diese reale Ungleichheit nur zu deutlich. Das Talent von Frauen, über das auch nach Jahren des Vergleichs akademischer Grade niemand redet, ist als Wert immer noch relativ und nebensächlich. Kaum eine Sängerin macht im Showgeschäft Karriere, wenn sie sich darauf beschränkt, schöne Lieder zu komponieren und treffend vorzutragen. Nur eine suggestive Ausstrahlung macht sie zu einem Star. Auf diese Weise haben wir eine Welt der Schizoiden geschaffen, in der man die jungen Frauen einlädt, wie die Löwinnen zu studieren und sich wie Panther anzuziehen. Denn wenn nicht, wird das Glück ihnen nicht hold sein.

      Ende Juni (2010) feierte die Presse die Wahl von Julia Gillard als erste Premierministerin von Australien. Zum ersten Mal in der Geschichte dieses Landes wird eine Frau der Exekutive vorsitzen, die den Wahl­ergebnissen vom Wochenende zufolge nicht lange im Amt bleiben könnte. Und beim Blick in die Welt springt uns die starrsinnige und entnervende Realität an: Sieben Premierministerinnen und zehn Staatschefinnen weltweit. Auf demselben Rekordstand befanden wir uns schon 1995, und seitdem hat sich nichts mehr getan.

      Im letzten Jahrzehnt hat sich der Vormarsch der Frauen (der zweifellos enorm ist) verlangsamt, wenn er nicht überhaupt stagniert in einer Gesellschaft, die von diesem Neo-Machismo beherrscht wird, über den schon Amparo Rubiales nachgedacht hat und der uns raffiniert seine Regeln aufzwingt; so mächtig, dass eine Frau fürchten muss, als puritanisch gebrandmarkt zu werden, wenn sie die schamlose Ausbeutung des weiblichen Körpers kritisiert. Die Europäer verdienen 15 Prozent mehr als die Europäerinnen, und der Kommission zufolge gibt es keine Hinweise, dass dieser Graben schmaler wird. Die Verwaltungsräte bilden weiterhin eine Mauer gegen Frauen, es gibt keine Quotenregelung, die an den Märkten greift, die gebieten, wie die Krise gezeigt hat.

      Es sieht so aus, als hätten sich die Frauen, müde von so viel sinnlosem Kampf, angesichts seiner Unbesiegbarkeit mit dem Feind verbündet. Der klassische Feminismus hat nicht den Glanz, den die heutigen Zeiten erfordern. Gegen die Ungleichheit bei der Bezahlung und Behandlung von Frauen aufzubegehren ist, als würde man das Ende des Hungers auf der Welt fordern, es ist unattraktiv für die Massenmedien. Sie bevorzugen bei allen Frauenthemen die Stereotypen, in die sich so viele gefügt haben.

      Blicken wir in die Geschichte zurück, die wir abgeschlossen haben: Männer haben in allen Bereichen Geschichte gemacht. Die Welt quillt über von Stierkämpfern, Schauspielern, Fußballern, Tennisspielern, Politikern, Gurus neuer Technologien, Unternehmern, Radfahrern …Nur sie scheinen eine große Auswahl an Berufen zu haben, und nur sie scheinen das Monopol darauf zu haben, ihr Land mit Tränen in den Augen und der Hand auf ihrem Herzen zu vertreten.

      Damit die Medien einer Frau breiten Raum für positive Darstellungen geben, eifert sie am besten Lady Gaga und ihren schrillen Videoclips, ihrer Leidenschaft für schräge Kostüme und ihrer Diskomusik nach. Sie unterwirft sich nicht nur dem Stereotyp, sie verwandelt es auch noch in Gold. Um die Zeitungsenten über die mutmaßliche Eifersucht der ­neuen Favoritin gegenüber zu widerlegen (die Rivalität der Frauen ist ein alter, aber gültiger Topos), führten beide im Fernsehen einen erotischen Scheinkampf nach Art der Katzen auf. Und machen Kasse.

      Wir leben in einer Zeit, die neue Formen gefunden hat, die männlichen Werte zu heiligen. Zeiten, in denen das Ungleichgewicht, verursacht vom Gewicht der Macht, des Geldes und des Testosterons bestehen bleibt, und in der die Frauen, besser ausgebildet denn je, sich nachweislich großen Schwierigkeiten gegenübersehen, ihren Platz zu finden.

      Cynthia Cockburn

      London, Großbritannien

      Dr. Cynthia Cockburn, Professorin der Sozio­logie an der City University London.

      Veröffentlichungen: Die Herrschaftsmaschine, Hamburg 1988; The Space Between Us: Negotiating Gender and National Identities in Conflict, London 1998; From Where We Stand: War, Women’s Activism and Feminist Analysis. London/New York 2007.

      Für mich wie für viele Frauen, die in den 1960er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts politisch wurden, war der erste Schritt in Richtung Feminismus eine Marx-Lektüregruppe. Wir entdeckten das Kapital, Band 1, und die Deutsche Ideologie (oder entdeckten sie wieder, falls wir sie schon kannten). Wir lasen mit Bewunderung, kritisierten aber auch mit einem neu erwachten Frauenbewusstsein. Da war Arbeit – aber wo war unbezahlte Arbeit, Ausbeutung von Frauen? Da waren Klassenunterschiede – aber wo war Geschlechterdiskriminierung? Da war die Reproduktion kapitalistischer Klassenverhältnisse – aber wo war die biologische Reproduktion? Diese (Neu-) Lektüre war für viele von uns ein Sprungbrett für die Forschung über Arbeit und Arbeitsprozesse. Sie half auch denen von uns, die wie ich an Geschlecht, Qualifikation und technologischer Entwicklung (Produktivkräften) interessiert waren.

      Ein Verständnis von Herrschaft zu entwickeln bedeutete

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