Briefe aus der Ferne. Группа авторов

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Bewegung von rechts und aus dem Mainstream, er traf zugleich auf einen Feminismus, der sich längst aufgegeben hatte.3

      Ziehen wir noch ein letztes Mal die leninschen Briefe zu Rate. Bei der Analyse der vielfältig überdeterminierten Situation, in der die »­erste Etappe« der Revolution in Russland wirklich wurde, schärft er wiederholt ein, dass es wesentlich sei, »alle politischen Richtungen und Aktions­methoden« (9) zu studieren; benennt den Betrug und die Entzweiung der Arbeiter, den Hunger und schärft ein, zu erkennen, dass sich völlig verschiedene Ströme, »völlig ungleichartige Klasseninteressen, völlig entgegengesetzte politische und soziale Bestrebungen vereinigten« (13). Jetzt gelte es, klare, von allen verstandene und gewollte einfache Losungen zu finden, die nicht von oben, von außen vorzustellen seien, sondern aus dem vielfältigen Begehren der Unterdrückten kamen: Frieden, Brot und Freiheit.

      Das Projekt der Frauenbefreiung

      Unsere Situation ist eine andere. Sie ist weniger dramatisch und verlangt doch zugleich großen Mut. Allen Lehren widersprechend, dass es ein Kollektiv-Subjekt Frauen nicht gebe, dass die divergierenden und entgegengesetzten Interessen größer seien als die gemeinsamen, gilt es, das Projekt der Frauenbefreiung neu zu eröffnen. Es ist der Schlüssel für eine alternative Gesellschaft. Bei diesem Aufbruch sind wir nicht allein. Schon gibt es Stimmen, die den Verlust des politischen Subjekts beklagen und zum neuerlichen Aufbruch mahnen.4

      In der Regierungspolitik zur Weltwirtschaftskrise wird überaus deutlich, dass diese Gesellschaft nicht vom Standpunkt ihrer Reproduktion gefasst wird, sondern stur und hilflos vom Versuch, alles genau so wiederherzustellen, wie es war – mit Überakkumulation von Gütern und von Kapital, mit Krieg –, und dabei Hunger, wachsende Arbeitslosigkeit und Angst in Kauf nehmend. Vom Reproduktionsstandpunkt sieht man ohne Weiteres, dass die Ressourcen verbraucht werden, dass es für die meisten heißt, den Gürtel, der nicht sonderlich weit war, sehr viel enger zu schnallen, und dass niemand so recht zu wissen scheint, wie alle in diese schwere Lage kamen. Die krisenhafte Entwicklung geht so schnell, dass es sogar schwerfällt, die Verwandlung der eigenen Wünsche zu erinnern. Noch vor wenigen Jahrzehnten ging es um die Verkürzung der Arbeitszeit und Humanisierung der Arbeitswelt; aus der Frauenbewegung kamen die Forderungen nach Anerkennung von Hausarbeit als Arbeit. Dann kam mit dem Neoliberalismus als neue Lösung aller Pro­bleme die vollständige Selbstbestimmung eines jeden als Fortschritt. Die Losung, ein jeder und eine jede könnten Unternehmer sein, und sei es nur ihrer eigenen Arbeitskraft, bleibt eine zynische Verbrämung der Verwandlung so vieler in neue Sklaven und Sklavinnen der Banken, deren Kredite ein neues Leben versprachen: Eigentumswohnungen und Glück durch Konsum. Und jetzt in der Weltwirtschaftskrise geraten die einzelnen Momente täglichen Lebens aus den Fugen. Schon geht es nurmehr darum, überhaupt einen Arbeitsplatz zu haben, egal welcher Qualität. Der Klassenkampf scheint stillgestellt und ebenso der Konflikt mit dem ›Feind im eigenen Bett‹. Dramatisch gehen die Scheidungsraten nach unten. Da man nicht weiß, wie viel schlechter alles wird, scheint es sicherer, vorerst zusammenzubleiben, wie zerstritten auch immer. Die versprengten Einzelnen ducken sich, um vielleicht davonzukommen.

      Die Vier-in-einem-Perspektive

      Aber dies ist der Moment, sich aufzurichten und die Fragen noch einmal neu zu durchdenken.

      Vom Standpunkt der Reproduktion der Gesellschaft gewinnen die einzelnen Bereiche des Lebens eine andere Bedeutung. An oberste Stelle rückt das Leben selbst als Zweck und Ziel und also das Verlangen, dass es gut sei. Alle Arbeit, die hierfür direkt geleistet wird, ist selbstverständlich Arbeit, gehört aufgewertet und als soziale Befähigung für alle Geschlechter5 zugänglich gemacht. Sie braucht Raum und Zeit. So wird ein feministisches Projekt einer Linken heute nicht bei der Gleichstellung der Geschlechter in der schlecht verwalteten und barbarischen Gesellschaft beginnen, sondern bei der Arbeit und ihrer Verteilung. Dafür müssen wir als Erstes gegen den bornierten Blick streiten, der nur das als Arbeit zählt, was heute in der Form der Lohnarbeit geregelt ist. Alle Arbeit in der Gesellschaft gehört besichtigt und ihre Verteilung gerecht angegangen. Dafür brauchen wir einen anderen Arbeitsbegriff und eine andere Vorstellung von Gerechtigkeit, die nicht mehr bloße Tauschgerechtigkeit wäre, sondern orientiert ist an ihrem Gegensatz, dass keinem Unrecht geschehe. Besichtigen wir die Gesamtgesellschaft, so gibt es überall Aufgaben im Überfluss, von deren Erfüllung nur ein Teil bezahlt wird und vieles überhaupt ungetan bleibt, weil keine Zeit und keine Kraft vorhanden und weil andere Ziele dominant sind. Das gilt wohl für viele Fragen des Umgangs mit Natur, der menschlichen wie der, die zu unseren Lebensbedingungen zählt. Eine gerechte Verteilung der Arbeit beträfe die Verteilung der Arbeit an den Mitteln des Lebens, die in der heutigen Form der Lohnarbeit ein zum guten Leben ausreichendes Einkommen erbringen muss; dann der Menschheitsarbeit, sich des neuen, des kranken, des alten Lebens und seiner selbst sorgend anzunehmen, heute Reproduktions- oder auch Sorgearbeit, manchmal Familienarbeit geheißen. Beides sind Menschenrechte. Als Menschenrecht soll auch gelten, die eigenen Anlagen zu entfalten. Dies ist sowohl eine Notwendigkeit wegen der schnell sich ändernden Erfordernisse des Lernens, aber auch eine sinnhafte Aufgabe, als schöpferischer Mensch sein Leben als Kunstwerk zu begreifen. Schließlich bleibt die Arbeit der politischen Gestaltung von Gesellschaft im Großen, die wir Politik nennen. Uneingelöst ist in der Abgabe des Politischen an eine spezielle Berufsgruppe mit nachfolgender politischer Entmündigung der Bürger das menschliche Bedürfnis, seine Lebens- und Arbeitsbedingungen zu gestalten. – Dass Politik ein Bedürfnis auch nach Lebenssinn ist, zeigt die wachsende Zahl von »­ehrenamtlich« Tätigen, die sich – fast jeder Zweite in Deutschland – unentgeltlich der Gemeinwesenarbeit verpflichten.

      Eine politische Utopie für die Neuordnung der Bereiche des Lebens, die zugleich Anleitung zum alltäglichen politischen Handeln ist, ist die Vier-in-einem-Perspektive.6 Suchen wir daraus die »klare Losung« für politisches Handeln, so wäre es: Das geteilte Leben muss in ein ganzes Leben zusammengebracht werden. Eine gerechte Teilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit und Demokratie jetzt! Es muss um die Verfügung über Zeit gestritten werden. Dafür braucht es eine radikale Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit tendenziell auf ein Viertel des alltäglich tätigen Lebens und einen guten Arbeitsplatz als Menschenrecht wie ebenso die Teilhabe aller an der Arbeit für Mensch und Natur in einem weiteren Viertel. Zeit und Raum für Entwicklung als Menschenwürde und politische Beteiligung von allen. Alle anderen hier nicht diskutierten Bereiche lassen sich in dieser Verknüpfung anordnen.

      Die neue Linke

      Auf der einen Seite scheint die Lage der Frauen in Deutschland schlecht, und nur wenige sind gewillt, sich ihrer gesondert anzunehmen. Die beste Losung scheint die der modernisierten CDU, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als die Verhängung von Dauerstress über das weibliche Volk verstärkt voranzutreiben. Auf der anderen Seite geschah es 2007 fast wie ein Wunder, dass sich die vielen versprengten Linken und die Gebliebenen aus dem aufgegebenen Sozialismus mit den von der Sozialdemokratie enttäuschten Gewerkschaftern zusammenschlossen zu einer neuen Linken. Das Projekt schreitet, wie zu erwarten behindert durch innere Zerwürfnisse und durch Medienblockaden oder -­kampagnen, dennoch voran. Als Hauptprogrammatik hat es einige Lehren aus den sozialen Bewegungen aufgenommen. So, dass sich die neue Partei als sozial, als ökologisch und als feministisch begreift.

      Die Partei wächst nicht sprunghaft, jedoch stetig. Der nach außen verkündete Feminismus erschöpft sich bislang in der Quote, die einzuhalten schwierig ist, wenn die weiblichen Mitglieder nicht entsprechend nachwachsen. Es ist zu wenig, wenn die Kultur und die Programmatik den Feminismus nicht grundlegend einbeziehen, so dass linke Frauen sie als ihre Partei erkennen, in die sie sich einmischen wollen.

      Das Programm der neuen Linken so auf eine alternative Gesellschaft zu orientieren, dass sie gleichwohl auch innerhalb der alten Gesellschaft handlungsfähig bleibt, dazu dient das Projekt der Vier-in-einem-Per­spektive. Es kann bei der Diskussion des neuen Programms, die bis zum Jahr 2011 abgeschlossen sein wird, hilfreich sein. Dieser Prozess hat begonnen.

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