Geburtsort: Königsberg. Ursula Klein

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Geburtsort: Königsberg - Ursula  Klein

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gingen sie an die Aufgaben des Tages. Am Abend wurden im Familienkreis die Sorgen und Nöte dem Herrn im Gebet vorgetragen. Dadurch wussten die Kinder immer, welche Probleme ihre Eltern dem lieben Gott erzählten und welcher Kummer sie bewegte. Nach dem gemeinsamen „Amen“ hatten alle das Gefühl, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine waren und der liebe Gott in der höchsten Not, wenn sie nur richtig beteten, ihnen auch helfen wird. Diese Sicherheit übertrug sich auch auf die Kinder und sie hatten vor keinem Problem mehr Angst, wenn sie ins Bett gingen.

      Auch Hanna hatte nach dem Gebet keine Angst mehr vor dem Morgen. Sie fühlte sich geborgen. Fest nahm sie sich vor: „Wenn ich groß bin und eine eigene Familie habe – dann mache ich es auch so!“

      Auch in der Gemeinde wurden optimistische Gedanken ausgetauscht und trotz aller Probleme, die es gab, wurden die Menschen wieder aufgeschlossener und fröhlicher.

      Denn es gab zwei wesentliche Ereignisse in Königsberg, die an einen Aufschwung glauben ließen. Zunächst wurde im Sommer der „Seedienst Ostpreußen“ eingerichtet. Das war eine tiefgreifende Maßnahme, konnten doch dadurch die Königsberger und alle anderen Ostpreußen mit dem Schiff ins Reich fahren, ohne den Landweg – den polnischen Korridor – zu benutzen. Die Schifffahrt ermöglichte auch, die alten Handelsbeziehungen wieder aufzunehmen. Das alleine war eine positive Entwicklung, die viele Menschen beflügelte. Die Dampfer des „Seedienstes“ legten in Swinemünde und Pillau an, später auch in Travemünde und Helsinki. Der Reisedienst Meyhoefer organisierte Fahrten nach Warschau, Finnland, Memelland, Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Russland und Polen und auch nach Berlin. Damit war verkehrsmäßig die Verbindung zum „Reich“ wieder verbessert und die Grundlage geschaffen, die Ostmesse in Königsberg, die am 28. September 1920 eröffnet wurde, zu einem Erfolg werden zu lassen. Sogar der Reichspräsident Friedrich Ebert bekundete für dieses weitere große Ereignis durch seine Anwesenheit die Verbundenheit des Reiches mit Ostpreußen und gab damit der Messe ein besonderes Gepräge. Damit war Königsberg im Osten Deutschlands wieder zu einem Handelsplatz geworden und war außerdem nicht mehr vom Reich so stark abgegrenzt. Es herrschte Volksfeststimmung.

      Viele Händler kamen nach Königsberg, um in der neuen Messe ihre Produkte auszustellen und sie zum Verkauf an andere Händler anzubieten. Zwar gab es zur Eröffnung nur einen einzigen Steinbau – nämlich den Eingangsbereich, in dem sich auch die Verwaltung der Messe befand – aber die anderen Aussteller behalfen sich mit provisorischen Unterkünften. Dafür war der Eingangsbereich ein sehr schönes, langgestrecktes Gebäude, das die Interessenten förmlich zur Besichtigung einlud.

      Auch Vater leistete sich das Vergnügen und schaute sich die ausgestellten Erzeugnisse an. Begeistert erzählte er seiner Anna, dass sich die Messe sehr viele Leute angeschaut haben, überall Fahnen wehen, die Menschen miteinander sprechen und verhandeln, viele Stände mit Holz, Teer, Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse, Haushaltsgeräten und vieles andere zu sehen war und auch Maschinen für die Landwirtschaft von der Firma Hanomag entwickelt worden sind, damit die Arbeit der Bauern erleichtert werden kann.

      „Wenn dann wieder mehr angebaut wird, haben wir auch wieder mehr zu essen, “ war seine logische Schlussfolgerung an seine Frau. „Dass unser Oberbürgermeister, Herr Lohmeyer, und der Bürgermeister, Herr Goerdeler, eine solche Messe bei uns in Königsberg organisiert haben, bringt uns bestimmt wieder voran. Denn wenn wir wieder mehr handeln, geht es uns auch wieder besser. Außerdem muss ja dann auch wieder gebaut werden, und dann habe ich weiterhin Arbeit.“ „Na, siehst du, Vater, jetzt glaubst du auch wieder an eine bessere Zukunft, “ freute sich Anna mit ihm.

      Und wie zur Bestätigung, dass das alte Leben weiterging, hörten sie von der Straße her – wie immer montags - den Lumpensammler rufen:

      „Lumpen, Knochen, Eisen, Altpapier,

      ausgestopfte Teddys und viel mehr sammeln wir.“

      Diesen Ausruf kleidete er in eine sich nie verändernde Melodie, so dass alle Bewohner, die ihn hörten, auch gleich aus dem Fenster sahen und ihn um Geduld baten, bis sie die Sachen geholt hatten. Der Händler besah sie sich und je nach dem, was er am besten weiterverkaufen konnte, fiel auch das Entgelt aus, das er auszahlte. Es waren zwar nur kleine Beträge, aber so konnte jeder seine entbehrlichen Gegenstände loswerden und hatte auch gleich noch ein wenig Geld. Nur bei Familie Krohn bekam er selten etwas zum Kauf angeboten, denn es wurde ja alles verarbeitet oder verwendet. Aber der Lumpenmann mit seinem Karren gehörte zum Stadtbild. Und mit zuverlässiger Pünktlichkeit kam er immer gegen 17 Uhr am Haus vorbei.

      Der Milchmann kam mit seinen Milchkannen auf dem Karren immer vormittags gegen 10 Uhr. Er sang kein Lied, sondern hatte eine Glocke, die er in dem entsprechenden Häuserbereich läutete und somit seine Kunden lockte. Peinlich genau wurden die Messbecher in der großen Milchkanne gefüllt und darauf geachtet, dass kein Tröpfchen daneben ging. Auch die Kannen mit den unterschiedlichen Farbmarkierungen für Magermilch, Vollmilch, Buttermilch und Molke wurden mit den Augen kontrolliert, dass man nicht etwa Magermilch bekam und Vollmilch bezahlt hatte. Der Fritz, so wurde er allgemein anonym bezeichnet, kam schon viele Jahre mit seinem zweirädrigen Karren, dem Stützfuß und der langen Lederleine, die er sich um die Schultern legte, wenn er seinen Wagen zum nächsten Häuserkomplex zog. Er war auch immer zu kleinen Scherzen aufgelegt und die Frauen wiederum freuten sich über eine kleine Abwechslung im täglichen Einerlei des Haushaltes. Auch erzählte er oft die neuesten Informationen über Politik und Wirtschaft und war darum nicht nur allgemein der Milchmann, sondern gleichzeitig noch ein bisschen Zeitung. Wenn sich nun eine Familie keine Zeitung leisten konnte, bezahlte sie zwar einen geringen Beitrag mehr für die Milch, hatte aber auch die Stadtinformationen und die Milch gleich Zuhause.

      Die Fischfrau kam mittwochs. Auch sie hatte einen zweirädrigen Karren. In großen Fässern waren die unterschiedlichen Fische untergebracht, die, frisch gefangen, noch am gleichen Tag in den entsprechenden Straßen der Vorstädte verkauft wurden. Damit hatte zwar der Händler mehr Arbeit, weil er ja zu den Kunden hinfuhr, aber er hatte auch mehr Umsatz. Für Anna war das Angebot der Fischfrau immer sehr günstig, denn freitags bekam Vater Geld. Am Mittwoch und Donnerstag war nicht mehr viel im Geldbeutel drin. Aber für eine Fischsuppe reichten die letzten Pfennige immer noch, auch wenn es vielleicht nur Fischköpfe waren. Und darum gab es bei Familie Krohn immer mittwochs und donnerstags zum Mittagessen Fisch, weil das die billigste Mahlzeit war und Mutter nicht in die Stadt fahren musste. Die Fischfrau, Frau Grieß, hörte man schon von weitem rufen: „Frische Därsch! Holt Stint, so lang noch welche sind!“ Sie hatte eine sehr kräftige Stimme, unverkennbar ein Fischweib, wohlgenährt und vollbusig wie auf dem Fischmarkt.

      Der fand wochentags auf der Fischbrücke statt. Das war die gepflasterte Uferstraße am Pregel. Dort hatte die Familie auch einen Stand, der immer guten Umsatz mit den frischen und zum Teil noch lebenden Fischen machte. Wie jeder Fischer brachte ihr Mann den Fang in den frühen Morgenstunden in den Hafen. Dann wurde von der ganzen Familie sortiert und verkauft. Manche Fischer verkauften auch gleich aus dem Kahn oder Fischkutter an die Kunden und sparten sich so das Standgeld. Der Verkauf durfte aber erst beginnen, wenn das Marktzeichen, eine Fahne, für alle sichtbar war. Gegenüber den anderen Händlern mit Frischware hatten die Fischverkäufer eine Ausnahmegenehmigung: Damit die frischen Fische auch tatsächlich frisch bei den Kunden ankamen, durften die Wiederverkäufer, also Zwischenhändler, bereits nach der Morgenmesse größere Mengen aufkaufen.

      Die Bauern, die ihre Waren anboten, wurden – wie auch die Fischhändler – von Marktboten, Ratsherren und Gewerkmeistern überprüft. Da ein sogenannter Vorkauf streng verboten war, also vor den Toren und außerhalb des Marktes kein Handel stattfinden durfte, wurden die Zufahrtswege der Märkte besonders überprüft. Kein Bürger und kein Handlungsdiener durfte die Bauern auf dem Weg zum Markt abfangen und Verhandlungen beginnen. Das ging so weit, dass niemand die Wagen oder Schlitten begleiten und auch nicht die Hand auf die Fuhrwerke auflegen durfte als Zeichen dafür, dass er bereits Besitzer sein könnte. Da die Märkte alle in der Innenstadt waren, hatten die Händler, die die Vorstädte versorgten, eine Sondergenehmigung.

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