Die 8te Pforte. Akron Frey
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Читать онлайн книгу Die 8te Pforte - Akron Frey страница 14
„Wir sind gekommen, um dich am Ende des Weges wieder mit uns heimzunehmen“, hörte ich ihre festlichen Gesänge.
„Ist es schon so weit?“, stöhnte es in mir. „Und wo bin ich hier?“
„Du hängst ziemlich hilflos in deiner selbst auserkorenen Mehrdimensionalität drin“, spottete Niemand in seiner liebenswürdigen Art. „Und? Wie fühlt sich dieser ausserordentliche Zustand an?“
„Ich habe meine verschiedenen Persönlichkeitsanteile noch nie so stark gespürt“, erwiderte ich schwach. Ich erlebte mich gleichzeitig ‚verschieden voneinander‘, aber ich konnte nicht richtig mit ihnen kommunizieren: „Bitte erklärt mir, was hier vor sich geht!“, röchelte mein Alltagsverstand.
„Du bist über die Realität hinausgeschossen und hast dich geteilt“, hörte ich ihre Stimmen neben meinem Ohr. „Wir haben schon viele Seelen über die Schwelle geführt, aber so etwas ist uns noch nie passiert.“
„Geteilt?“ Plötzlich nahm ich an ihrer Stelle den behandelnden Arzt und seine Assistentin wahr, die sich mit verschiedenen Apparaturen und Geräten an meinem Leib zu schaffen machten. Ich überlegte noch, was das wohl zu bedeuten hatte und ob das wirklich zwei verschiedene Paare waren, ein himmlisches und ein irdisches … oder ob ich diese Unterteilung nur in meinem Kopf vornahm. Irgendwie war mir aber auch, als hätte ich meinen Körper verlassen, denn obwohl ich einen Teil von mir ganz tief unten in der materiellen Sphäre auf dem Rücken liegend wahrnahm, wusste ich nicht, ob ich meine Augen offen oder geschlossen hatte und ob ich in meinem Leib oder in meinem Traumkörper war. Schmale Blicke glitzerten über mir und funkelten mich an und eine leichte Berührung im Nacken liess mich aufschrecken: „Auf der einen Seite sind wir viel mehr als nur die Summe deiner Teile, andererseits sind wir mit allem verbunden, was du bist.“
„Können wir uns deshalb so gut miteinander unterhalten?“ Ich analysierte die Situation: Ich war vor zwei Stunden überfahren worden und jetzt lag ich im Schockraum im Spital. Und plötzlich schien mir die Sache klar: Meine beiden geistigen Erscheinungen bemühten sich um meine geistige Ablösung oben, während sich das Medizinpersonal unten um meine irdische Hülle kümmerte. Seele blickte mich tiefgründig an und nickte: „Aus Sicht der anderen Seite versteht sich alles wie von selbst, denn die Inhalte im Unbewussten sind so strukturiert, dass sich die Bilder in der Seele von alleine aufspannen, wenn man die kontrollierende Absicht des Verstandes loslassen kann.“
Die beiden Seelenbegleiter waren mir ganz nah: „Wir sind der Erinnerungsimpuls aus dem kollektiven Bewusstseinsspeicher, der sich auf die Frequenzen deines Denkens eingeschwungen hat, sozusagen die Schwelle zwischen dem Unbewussten und dem Ich, deshalb darfst du uns nicht mit der Gesamtheit deines Selbst verwechseln, aber im Dialog miteinander bilden wir den Schnittpunkt zwischen den Welten, wo Erkenntnisse hin- und her fliessen. Das ist der Begegnungsort mit den sechs Geistern.“
„Geister?“, stöhnte ich. „Soll das heißen, dass ich nichts über mein eigenes Wesen weiß?“ Ihre Botschaft verführte mich zu endlosen Spekulationen. „Das macht mir aber grosse Angst!“ Schmerzhaft verzog ich den Mund.
Seele hob ihren Blick und schaute versunken in die Ferne: „Das menschliche Ego verliert den Boden unter den Füssen immer wieder und besonders ganz am Schluss. Der Tod zieht alles in die Tiefe. Jede Zeit geht zu Ende, alles muss sterben, nichts bleibt bestehen.“ Dann reichte sie mir tröstlich die Hand.
„Das wird ja immer toller …“ Ich spürte, wie der Hauch des Lebens langsam verging. Ich fühlte die Hand des Todes auf meiner Stirn.
„Sind Krisen deshalb nicht immer auch ein notwendiger Teil der individuellen Entwicklung?“ Ich fühlte das Ende, wie es langsam in mich hineinkroch. „Krisen sind der Ausdruck eines Prozesses im Menschen, den man mit der Angst vor dem Leben umschreiben könnte“, tönte es geheimnisvoll zurück, „denn Glück und Zufriedenheit sind nicht erzwungenermassen Bestandteile der Evolution. Das menschliche Wachstum liegt nicht nur in der weisen Erkenntnis, sondern auch im ständig zunehmenden Intellekt, der in den Lösungen auf die Probleme von gestern die Probleme von morgen schafft, die dann wiederum nach den Lösungen von übermorgen verlangen.“
„Aber warum kann der Mensch dann nicht lernen, bescheidener zu werden?“, wagte ich entmutigt einzuwenden.
„Sobald der Mensch aufhören würde, ständig mehr und mehr zu wollen, bräche alles zusammen“, setzten sich die Worte in meinen Gehörknöchelchen fest. „Das bedeutet auch: Er müsste sich nicht nur auf ein Ziel ausrichten, das er ständig zu erreichen sucht, sondern gleichzeitig auch merken, dass diese Suche sein Ende wäre, falls er den Ort wirklich erreichen würde!“
„Sagt mir, ist das unser letzter Austausch, bevor ich mich wieder mit dem Geist vereine?“, schlich sich eine andere Frage in mein Hirn und die alte Sehnsucht nach dem Himmlischen war wieder da. Tränen flossen mir übers Gesicht.
„Nach der Vermischung mit den sechs Geistern fliesst du als ein Ausdruck alchimistischen Ringens um die letzten Geheimnisse der menschlichen Dinge in das kosmische Nichts zurück“, strömte es als Antwort aus meiner Seele. „Jeder Erfahrung, die über das Wesen eines Menschen hinausreicht, wohnt der Tod als alles entscheidender Antrieb inne. Während dieses Bewusstseinsvorgangs löst sich das gewohnte Ich wie ein pulsierender Wirbel auf, und während es in viele leuchtende Flämmchen zerfällt, entstehen gleichzeitig neue Impulse, zwischen denen eine neue kosmische Ordnung entsteht. Das ist auch der Grund, warum wir miteinander sprechen können, obwohl wir uns ausserhalb der menschlichen Form befinden. Aber durch unsere geistige Nähe haben wir die Schranken überwunden und schwingen gemeinsam auf einer bewusstseinsmässig übergreifenden Frequenz.“
Ich glaubte, über mir die Sterne zu sehen, und ich spürte auch, wie sich in diesem anderen Teil meines Selbst die Blickrichtung veränderte und ich meine Erinnerungen wie Lianen benutzte, um mich im Licht der Erkenntnis in die Zukunft zu schwingen: „Du kommst vors Jüngste Gericht. Dort begegnest du den sechs Geistern, deinen inneren Richtern.“ Ich empfand eine Art Einladung, einen leichten Sog. Dann hatte ich die seltsame Gewissheit, als wäre es mein eigenes Auge, das mich ansah, und ich verschmolz in einer Flamme aus regenbogenfarbenem Licht.
„Schau nicht nur zu den Sternen empor“, erwiderte Niemand mit einem beinahe zärtlichen Unterton, „blick auch nach unten in die irdische Hölle und teil mir den Unterschied mit, den du siehst.“ Er stand neben meinem Bett und schaute mich mitfühlend an. Nur widerwillig kehrte ich in meinen Körper zurück.
Im gleichen Moment wurde mir aber auch bewusst, dass sich mein Blickfeld mehrdimensional anfühlte. Auf der Bewusstseinsoberfläche erkannte ich Seele, wie sie in der Tiefe verschwand. Es war wie die Rückkehr zu Niemands Traum, den ich zwar längst vergessen hatte, der mich aber immer noch verfolgte. Mich überfiel ein glitzernder innerer Schauder, als die Bilder aus dem Teich der Versenkung herauf langsam vor mein Bewusstsein stiegen und mir signalisierten, dass ich im Begriff war, etwas zu finden, was schon längst in meinem Unbewussten versunken war. Andererseits wusste ich auch, dass der Tod nahe war. Meine Lebensflamme ging unaufhaltsam zu Ende. Vergeblich versuchte ich, auf die Füsse