Die 8te Pforte. Akron Frey
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„Was willst du damit sagen?“
Ich konnte seine Augen in der Dunkelheit leuchten sehen. „Ich blicke in dir auf viele verwandte Erinnerungen zurück, aus denen auch ich einst hervorging, denn ich bin die Summe dessen, der du am Ende deines Weges sein wirst“, spürte ich seine Worte tief in mir, denn sie schienen mir etwas vermitteln zu wollen, das über meine Wahrnehmung hinausging, das Unsagbare nämlich, das nicht wirklich vorstellbar war. „Vergangenheit und Zukunft sind nichts anderes als kosmische Chips oder duale Komponenten, von der Schöpfung als Zeit-Raum Wahrnehmungsmuster im Gehirn unserer Spezies verdrahtet, um die dualen Abläufe in der menschlichen Wahrnehmung zu gewährleisten, und keinesfalls als unabdingbare Form. In diesem Sinn bin ich deine erinnerte Zukunft, in die du einst hineinwachsen wirst, auch wenn alle Teile, die du einst sein wirst, längst in dir vorhanden sind, ähnlich wie deine Lebenswünsche lange schon vor ihrer Erfüllung in deiner Seele fest verankert sind, auch wenn sie nach materiellen Gesichtspunkten noch gar nicht existieren.“
„Du willst meine erinnerte Zukunft sein …“, krächzte ich. „Glaubst du denn wirklich, ich will zu dir?“ Ich stellte fest, dass seine Aussage mehr als eine Feststellung war; es war wie eine gefühlte innere Stimme, eine Art sechster Sinn.
Seine Antwort fiel sehr knapp aus: „Jedes Ego strebt am Ende zu seinem höheren Selbst: Zu mir!“ Die Atmosphäre rund um seine Gesichtszüge flackerte. Ich spürte, dass es nichts mehr zu sagen gab; mein schnodderiger Einwand hatte die Kommunikation verwehrt und es gab nichts mehr, über was wir uns sonst noch hätten unterhalten können. Sein Blick trübte sich ein und ich befürchtete schon, Niemand verschwände oder löste sich auf.
Doch schon im nächsten Moment war sein Blick wieder durchdringend und klar. Er konzentrierte sich auf den kranialen Ansatz meiner Nasenwurzel: „Du glaubst, dass das, was ich sage, einfältig und simpel ist“, sagte er ungerührt, „nur weil du dir wahrscheinlich unendlich tief und sensibel vorkommst – doch dem ist nicht so! Jedes Ego glaubt, sein Leben wäre eine tolle Abenteuergeschichte, die sich vor ihm ausrollt. Erst wenn der Mensch in zunehmendem Alter merkt, dass die Lebensströme immer mehr versickern, bis das Ganze am Ende schliesslich ganz versiegt, ist er am Ziel. Denn im Grunde handelt es sich um eine sich immer enger zusammenziehende Kurzgeschichte, die sich nur durch die kontrollierende Instanz des Ego wie ein grosser Abenteuerroman anfühlt. Am Ende des Lebens haben die wenigsten Menschen die Kraft, sich selbst zu betrügen.“
„Allmählich begreife ich, was du mir sagen möchtest“, entgegnete ich nach einer gewissen Zeit kleinlaut. Dann begann er wieder über den Tod und uns beide zu sprechen und wunderte sich über meine Art, die wirklichen Dinge selbst am Ende des Lebens noch zu verdrängen. Er beschrieb die Zeit und die Erkenntnisse aus den Abläufen der aufeinander folgenden Abschnitte als das wahre Bindeglied zwischen den Generationen und legte dabei besonderen Wert auf die Erkenntnis, dass er für mich genau die Antwort parat hätte, die ich Zeit meines Lebens in der Welt gesucht hätte.
„Ich danke dir! Es scheint mir, als wolltest du mir durch die Blume sagen, dass du gleichermassen Vergangenheit und Zukunft für mich bist, Vater“, antwortete ich sehr berührt. Irgendwie nahm mich dieser Gedanke für sich ein, denn ich fürchtete mich nicht vor der Aufspaltung des Ego, ganz im Gegenteil, ich sehnte mich nach der Verbindung nach etwas Größerem, nach dem Unbekannten, das mein Bewusstsein in höhere Sphären geleitete. Das Gefühl kam aus meinem Geist und heftete sich an das geistige Bild, das ich mir von ihm machte.
„Es ist schon wahr, dass du dich nur verwirrst, wenn du denkst, und du weisst auch immer noch nicht, was du aus unserer Verbindung für dich entdecken kannst, denn es ist eine Fusion zwischen Bild und Geist oder zwischen Geist und Bild“, entgegnete er bestimmt. „Während sich das persönliche Ego, das sich durch die Aneinanderreihung der persönlichen Erlebnisse definiert, in Funken auflöst, bleibt jedem einzelnen Funken sein persönliches Empfinden erhalten. Man kann also sagen, der Geist hat alle Variationen der Seele in alle Winde ausgestreut, aus der sich die Seelen bedienen, bevor sie wieder auf dieser Erde geboren werden. Das Ganze ist wie ein Kaleidoskop, das sich aus den immer gleichen Bausteinen in unendlichen Variationen ausströmt. Das ist auch der Grund, weshalb auf eurem Planeten eine Entwicklung nur schwer möglich ist.“
„Keine Entwicklung?“ Und wieder stand die missverständliche Wand verschiedener Seins-Ebenen zwischen uns. „Das kann ich nicht glauben – ich denke, die Menschheit entwickelt sich ständig.“
„Das ist eine Illusion“, sagte er behutsam. „Was sich bewegt ist nicht die Entwicklung, sondern die Sichtweise des Menschen, der sich atemlos und hektisch um die unveränderbare Nabe des menschlichen Erlebens dreht. Aus dieser Sicht bin ich nicht nur dein geistiger Vater, ich bin auch eine Art Schicksalsnabe, um die du dich drehst.“
„Das versteh ich nicht. Die Menschheit ist doch heute geistig viel weiter und auch sozial viel reifer als noch vor zweitausend Jahren“, tat ich ihm kund.
„Unsinn“, hörte ich ihn sagen. Dann erst bemerkte ich, dass es stockdunkel im Zimmer war, und ich war mir nicht sicher, ob ich meine Augen offen oder geschlossen hatte. „Wir sind nicht die Schöpfer einer besseren Welt“, sprudelten die Worte, „sondern nur die Gestalter immer neuer Illusionen, die sich aus unseren Kreationen ergeben. Menschliche Schatten wie Angst, Misstrauen, gegenseitige Kontrolle sowie die Grundlage des Übels, das alles überwuchernde krebsartige Geschwür kapitalistischen Wachstums und Zugewinns, werden schon in naher Zukunft zu einem unlösbaren Problem.“
„Unlösbar? Was willst du damit sagen?“ Ich deutete mit dem Kinn auf eine imaginäre Stelle im Raum.
„Tod und Zerstörung sind erst dann einsichtig, wenn man die geistigen Zusammenhänge erkennt.“ Plötzlich war er weg, schien vor meinem Auge verschwunden, obwohl ich ihn einen Moment zuvor noch gesehen hatte.
„Meinst du das im Ernst?“ Und dann war er abwechselnd da und wieder nicht.
„Nein!“ Die Antwort erklang wie ein Posaunenstoss aus einer anderen Dimension. „Du hast in meine Augen gesehen“, ich spürte, wie mir der Atem stockte, „da sahst du in die Spiegel einer anderen Welt, die dir nur deine eigene Meinung reflektieren, also das, was du glauben willst, was dir gefällt. Es ist deine eigene Meinung, die du in mir siehst!“
Ich erwachte wie aus einem verrückten Traum. Trotz wirrem Kopf wurde mir die Situation allmählich klar: Ich hatte die Augen halb geschlossen und schien Zeit und Raum völlig entrückt zu sein. „So hat diese Begegnung für uns keinerlei Bedeutung?“, erlaubte ich mir einen leisen Einwand.
„Ganz im Gegenteil! Dass ich dich anschaue und mit dir spreche, bedeutet doch auch, dass ich dich willkommen heisse“, ertönte seine Stimme, „Willkommen zuhause! Willkommen in dir!“
„Das versteh ich nicht!“ Ich konnte meine eigene Betroffenheit spüren und registrierte im gleichen Augenblick, wie mein Sterbeschweiss das Laken dunkel färbte. Dann hatte ich einen Flash und sagte zu ihm: „Auf der einen Seite bist du nur ein Spiegelbild, das mir ständig meinen eigenen Standpunkt reflektiert, und auf der anderen behauptest du, dass wir füreinander wichtig sind: Du, weil ich von dir lernen kann, und ich, weil ich dich durch meine Erkenntnisse vollständig machen kann, wenn ich wieder zu dir zurückkehre …“
„Das braucht sich nicht auszuschliessen“, entgegnete er sehr sanft. Ich spürte seine Energie, die sich zu einer leuchtenden Erkenntnis ausdehnte und meine Wahrnehmung umkreiste: „Hier geht es nicht um die Frage, welches Ding von zweien, hier geht es um eine Situation von Dualität oder Multiplizität.“
Ich