Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer. Erik Lorenz

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Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer - Erik Lorenz

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      Schon in den frühen Jahren ihrer Kindheit wuchs in Liselotte Welskopf-Henrich der Drang, aktiv die Hilfebedürftigen zu unterstützen; dieser Drang zu helfen setzte sich ein Leben lang fort.

      Neben ihrer Tätigkeit in der Wissenschaft engagierte Welskopf-Henrich sich vor allem in der Politik. In den ersten Nachkriegsjahren beteiligte sie sich enthusiastisch am Wiederaufbau. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie unkritisch gewesen wäre. Wie die DDR-Regierung ihre Arbeit als Wissenschaftlerin in gleichem Maße unterstützte und behinderte, unterstützte und behinderte Welskopf-Henrich das System der DDR.

      Sie setzte sich für einen angemessenen, offenen und ehrlichen Umgang mit der deutschen Vergangenheit ein, zu dem sie persönlich beitrug. Zugleich lehnte sie sich gegen inkompetente Wirtschaftsfunktionäre der DDR auf und kämpfte gegen Nepotismus und Bürokratie.

      Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie, beeinflusst durch ihren späteren Mann Rudolf Welskopf, eine überzeugte Kommunistin, galt der Kommunismus doch als der schärfste Gegensatz zur NS-Ideologie. Als antifaschistische Widerstandskämpferin erschien er ihr als die attraktivste Alternative zur Hitlerdiktatur mit ihren katastrophalen Auswirkungen. 1945 und in den ersten Nachkriegsjahren verband sie mit dieser Alternative große Hoffnungen, war jedoch von der praktischen Umsetzung der kommunistischen Idee in der DDR zunehmend enttäuscht. Dabei glaubte sie lange, dass die Defizite in der DDR vor allem darin begründet seien, dass die Menschen nicht richtig gemeinschaftlich zusammenleben wollten. Sie suchte die Ursachen also vor allem im Subjektiven und war der Meinung, dass in materieller Hinsicht im Wesentlichen alles in Ordnung war; die Menschen besaßen Kleidung, hatten Arbeit und lebten in warmen Wohnungen.

      Im Laufe der fünfziger Jahre, vor allem 1956, als sich der ungarische Volksaufstand ereignete, mit dem die Ungarn sich von der sowjetischen Unterdrückung zu befreien suchten, wurden Welskopf-Henrich die ernsthaften Schwierigkeiten des Systems immer bewusster.

      Welskopf-Henrich half ungarischen Schriftstellern und Künstlern, die nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes durch die Rote Armee verfolgt wurden. Gleiches tat sie in der Zeit nach dem Prager Frühling 1968. Welskopf-Henrich engagierte sich illegal, indem sie Geld und andere Unterstützung für ungarische und tschechische Kollegen und Freunde sammelte und verschiedenste Dinge in die DDR hinein- und aus der DDR herausschmuggelte.

      Trotz aller Probleme betrachtete sie den Kommunismus lange Zeit als das System des kleineren Übels. Und bei all ihrer Kritik an der Umsetzung der kommunistischen Idee, auch innerhalb der SED, deren Mitglied sie war, lernte Welskopf-Henrich, mit den Problemen umzugehen und die Freiräume, die es gab, auszunutzen, ohne ständig auf der Hut davor zu sein, eventuell etwas Unerwünschtes oder Verbotenes zu tun. Sie verstand es, sich durchzusetzen.

      Die DDR bot Welskopf-Henrich große Chancen; so konnte sie ihren lange gehegten Wunsch realisieren und wurde Dozentin (später Professorin) an der Humboldt-Universität.

      Um ihre Ziele zu erreichen, scheute sie sich nicht, ihre gesellschaftliche Stellung wieder und wieder geltend zu machen: Humboldt-Professorin, Akademiemitglied, verschiedene Orden, Widerstandskämpferin usw. Das machte Eindruck und bedeutete gesellschaftlichen und politischen Einfluss. Besonders beim Zentralkomitee der SED hatte sie dadurch, dass sie unter Einsatz ihres Lebens den Antifaschisten Rudolf Welskopf rettete, einen großen Stein im Brett. Das wurde ihr nie vergessen und dessen war sie sich sehr wohl bewusst. Aus dem Vertrauen, das man ihr entgegenbrachte, konnte sie so manchen Vorteil ziehen.

      Überhaupt hatte Welskopf-Henrich eine bestimmte Art und Weise, an verschlossene Türen zu klopfen; nicht nur im übertragenen, sondern auch im wörtlichen Sinne. An der Humboldt-Universität war sie dafür bekannt. Wenn sie wegen irgendeiner Angelegenheit zur Verwaltung musste, interessierte sie sich nicht für Sprechstunden. Mit ihrem Ringfinger klopfte sie in der für sie typischen Weise an die Tür, so dass die Mitarbeiter schnell wussten: »Da steht die Welskopf vor der Tür, und wenn wir jetzt nicht aufmachen, kann es Ärger geben.«

      Ärger machte sie aber nicht nur manchen wissenschaftlichen Kollegen. Besonders für die DDR-Führung war Welskopf-Henrich eine oft unbequeme Person. Mit dem der SED-Führung kritisch gegenüberstehenden, antifaschistischen Politiktheoretiker Robert Havemann (1910-1982, auch er hatte Hartke zum Gegner) führte sie in wissenschaftlichen Zeitschriften Diskussionen, mit dessen Freund, dem Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann (geb. 1936), war sie ebenfalls bekannt.

      Sie lehnte sich in Aufsätzen gegen die strenge ideologische Zensur und unqualifizierte Kritik in der DDR auf:

      Das Nichterscheinen von mit rassistischen und diskriminierenden Vorurteilen belasteten Büchern befürwortete sie hingegen.

      Welskopf-Henrich schrieb viele Briefe an Beamte und veröffentlichte Artikel, mit denen sie versuchte, die Entwicklungen zu stoppen, die wenig mit dem Traum von einem sozialistischen Staat zu tun hatten, den sie während des Krieges gemeinsam mit ihrem Mann geträumt hatte. Zwischenzeitlich wurde Welskopf-Henrich eine regelrechte Untergrundarbeiterin, da öffentliche und offene Konfrontationen oftmals nichts bewirkten. Das wurde zum Beispiel am Fall Havemann erkennbar: Dessen Auflehnung gegen die SED blieb ohne nachhaltigen Erfolg und brachte für ihn eine Reihe persönlicher Nachteile mit sich.

      Noch härter als sie traf die mangelhafte Umsetzung des Sozialismus ihren Mann Rudolf Welskopf, der die Idee, die ihn während seiner schwersten Zeit im Zweiten Weltkrieg aufrecht gehalten hatte, verraten sah und doch nichts dagegen zu tun vermochte.

      Als kommissarische Leiterin der Abteilung Alte Geschichte setzte sie sich für Kollegen und Studenten ein, die als politisch-ideologisch verdächtig galten und schützte sie vor Repressionen. Einer ihrer Schüler und späteren Kollegen, der Althistoriker Peter Musiolek, wurde infolge eines angeblichen Missverständnisses in der Nachkriegszeit in einem sowjetischen Lager inhaftiert. Als er entlassen wurde, hatte er große Probleme, sich in der DDR gesellschaftlich und beruflich zu etablieren. Welskopf-Henrich nahm ihn bei sich zu Hause auf, beschaffte ihm eine Arbeit und ermöglichte ihm so die Rückkehr in ein geregeltes Leben.

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