Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer. Erik Lorenz
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Während der jahrelangen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten scheute sich Welskopf-Henrich nicht, Hartke zu provozieren. Hartke wiederum verfuhr mit ihr nicht anders, wie sie berichtete. Als Welskopf-Henrich gerade an einem ihrer autobiographischen Romane arbeitete, sprach sie Hartke mit der Bemerkung an, in ihrer Geschichte tauche ein SS-Offizier auf. Sie komme mit dessen Sprache und Ausdrucksweise einfach nicht klar – da könne der verehrte Professor Hartke doch sicher einmal behilflich sein.
Differenzen gab es auch mit Erfurt, dem Lektor des Akademieverlages, in dem einige ihrer wissenschaftlichen Arbeiten erschienen. Erfurt hatte die Angewohnheit, sprachliche Verbesserungen, die er für nötig hielt, in die Manuskripte zu schreiben. Diese »Verbesserungen« waren oftmals jedoch sehr fragwürdig. So missbilligte er das schlichte Wort »und« und pflegte es stets durch ein »sowie« zu ersetzen.
Welskopf-Henrich stapelte daraufhin die von diesem Lektor durchgesehenen Arbeiten auf einem Schrank im Versammlungszimmer. Empfing sie nun Gäste oder erhielt wissenschaftlichen Besuch, konnten ihre Kollegen ein Blatt Papier sehen, das aus diesem Stapel Papier heraushing und auf dem in großen Buchstaben geschrieben stand: »Von Herrn Erfurt verdorbene Manuskripte«. Welskopf-Henrich, die ihren Mitarbeitern weitgehende Eigenständigkeit gewährte, beanspruchte und forderte diese auch für sich selbst.
Abgesehen davon war sie nur in äußerst seltenen Fällen wirklich unzufrieden. Ein solcher Fall lag etwa vor, als einer ihrer Mitarbeiter, statt konstruktive Beiträge abzuliefern, allzu oft über private Probleme klagte und für das aktuelle Projekt keine sichtbaren Erfolge erzielte. Hier wurde Welskopf-Henrich, die selbst bis ins hohe Alter sorgfältig und zügig arbeitete und das auch bei anderen voraussetzte, energisch: »Ich bin nicht Ihr Beichtvater, ich bin Ihr Arbeitgeber!«17
17 Nach der Schilderung von Rößler.
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Für Außenstehende mögen Welskopf-Henrichs Tätigkeiten als Wissenschaftlerin und Schriftstellerin den Eindruck einer Art Doppelleben erwecken. Tatsächlich schenkten Welskopf-Henrichs Kollegen ihrer schriftstellerischen Arbeit nie viel Aufmerksamkeit (so zum Beispiel Rößler, der die Romane Welskopf-Henrichs nach eigener Aussage zu seinem Bedauern viel zu spät las) und bekamen Welskopf-Henrichs Begeisterung für die Indianer nur bei wenigen Gelegenheiten zu spüren, zum Beispiel wenn sie ihnen in Arbeitspausen Pemmikan servierte, eine nahrhafte Mischung aus zerstoßenem Dörrfleisch, Fett und eventuell Beeren oder Kräutern. Aufgrund seiner Haltbarkeit war Pemmikan bei den Indianern als Proviant auf Reisen und als Wintervorrat sehr beliebt. Welskopf-Henrich verstand es ausgezeichnet, dieses Gericht zuzubereiten und ihre Gäste damit zu bewirten.
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So wie es für Welskopf-Henrichs Kollegen kaum Berührungspunkte mit ihrer Schriftstellerei gab, so wussten die Bewunderer ihrer belletristischen Werke meist nichts von ihrem Beruf als Althistorikerin und ihren wissenschaftlichen Veröffentlichungen.
Für Welskopf-Henrich selbst bildeten ihre beiden Passionen eine Einheit: Beim Verfassen wissenschaftlicher Abhandlungen über das Altertum, auf der Suche nach den richtigen Formulierungen und dem Umgang mit Sprache profitierte sie von ihrer Arbeit als Autorin. Bei der systematischen Recherche von Hintergrundinformationen für ihre Romane wiederum war ihre Erfahrung als Wissenschaftlerin unbezahlbar. Ihre schriftstellerische Tätigkeit wäre ohne die wissenschaftliche kaum denkbar gewesen, zumal ein wichtiger Aspekt ihrer Indianerbücher die Vermittlung eines authentischen Geschichtsbildes ist.
Während sie die Wissenschaft als geliebten Beruf betrachtete, bezeichnete Welskopf-Henrich das Schreiben als ihr persönliches Hobby und als »Ernst« ihrer Freizeit, der ihr finanzielle Unabhängigkeit ermöglichte und dem sie sich lediglich in ihrer freien Zeit widmete, das heißt abends, nachts und im Urlaub.
Auch über diese scheinbar zwei Persönlichkeiten hinaus erschien Welskopf-Henrich ihren Mitmenschen als Mensch der Gegensätze. Justus Cobet, wissenschaftlicher Fachkollege Welskopf-Henrichs:
Ich sah ihre wachen und zugleich strengen Augen. Kurz zuvor hatte sie [...] einen am Flügel verletzten Schwan aus der Kälte des Treptower Parks gerettet und in der Badewanne gepflegt, sie, die strenge Wissenschaftlerin und strenge Kommunistin. Wie passte das alles zusammen? 18
18 Stark, Isolde: Konferenzband, S. 301.
Das alles »passt zusammen«, wenn man das Wort »streng« durch »entschlossen« ersetzt. Die Begriffe scheinen eng verwandt zu sein und besitzen doch verschiedene Gewichtungen. Wenn sie etwas für richtig befunden hatte, konnte Welskopf-Henrich in der Tat einen strengen Blick aufsetzen. Diese Strenge stand jedoch nicht für Hartherzigkeit oder Unnachgiebigkeit, sondern für Willensstärke und Konsequenz. Welskopf-Henrich war von Natur aus vor allem zielstrebig und nach eigener Aussage »ganz unglaublich zäh«19. Entschlossen verfolgte sie wissenschaftliche Pläne, zäh war sie, wenn es um die Umsetzung ihrer wissenschaftlichen Projekte ging.
19 In: »Die Zeit« vom 07.07.1978.
Entschlossen war sie auch bei der Arbeit an ihren Romanen oder wenn sie für ein bereits fertiggestelltes Buch einen Verleger suchte (siehe Kapitel »ein steiniger Weg«). Das Durchsetzungs- bzw. Durchhaltevermögen Welskopf-Henrichs war sicher eine ihrer wichtigsten Eigenschaften.
Ließ sie die Idee für eine neue Erzählung nicht mehr los, zog sie sich ihrem Sohn Rudolf Welskopf zufolge zurück und schrieb, bis der neue Roman vollendet war. »Ich schreibe, weil ich es nicht lassen kann«, stellte sie einst fest.20
20 ABBAW 183. Zitiert in einem Zeitungsartikel von Gerd Noglik aus dem Jahre 1971, ohne genauere Quelle.
Warum aber kann ich es nicht lassen? Kunst und Dichtung waren historisch die erste, heute sind sie neben der Wissenschaft die zweite Form der Weltdeutung, des Verstehens der Menschen untereinander und der Selbsterkenntnis. Wem diese Form aus innerer Leidenschaft und harter Arbeit zugänglich geworden ist, der will sie nicht mehr aufgeben.
Und wahrhaftig: Welskopf-Henrich gab das Schreiben nie auf: Sie frönte dieser Leidenschaft bis ins hohe Alter, selbst in Perioden vollster Terminkalender fand sie dafür Zeit. Mit Hilfe ihrer reichen Phantasie versetzte sie sich in ihre Erzählungen hinein und arbeitete daran bis tief in die Nacht. Sah sie sich mit einem Konflikt in der Handlung einer ihrer Geschichten konfrontiert, dessen Lösung ihr nicht einfallen wollte, beschäftigte sie das zutiefst. Dann grübelte sie, überlegte hin und her, änderte und setzte von Neuem an. Aus dieser persönlichen Beziehung zu ihren Geschichten resultierten ungewöhnlich lebendige Schilderungen und glaubhafte Charaktere – beides Stärken Welskopf-Henrichs, einer Autorin, die selbst bei einem recht knappen Schreibstil, wie er für »Jan und Jutta« charakteristisch ist, das Feingefühl für leise Zwischentöne und die Vermittlung von Gefühlen besaß.
Welskopf-Henrich machte sich das Schreiben nie leicht; an jeder einzelnen Seite feilte sie solange, bis sie ihren Vorstellungen entsprach. Beinahe sämtliche Bücher verfasste sie zwei bis drei Mal, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden war.
Ihren Besuchern schenkte Welskopf-Henrich in den 50er Jahren oft die gerade erschienene, wieder überarbeitete Fassung von »Die Söhne der Großen Bärin«. Der Verlag schickte