Wenig Work, viel Travel. Desirée Tischner
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Couchpremiere
Über die Internetplattform haben wir Jenna gefunden, eine Mitzwanzigerin, die gemeinsam mit ihrem Mitbewohner Adam die Couch in ihrem Wohnzimmer zur Verfügung stellt. Wir sind aufgeregt, insbesondere natürlich ich, denn ich mache mir im Vorfeld mal wieder viel zu viele Gedanken: Wo werden wir parken? Wie läuft das Couchsurfen ab? Sind wir zu irgendetwas verpflichtet? Werden wir den ganzen Abend am Küchentisch zusammen sitzen und uns Anekdoten aus unserer Kindheit erzählen? Das Gedankenkarussell dreht sich pausenlos. Wir kommen viel früher als mit Jenna vereinbart in Fredericton an und entschließen uns daher, ein wenig die Stadt zu erkunden. Haut uns erst einmal nicht so vom Hocker, aber wir genießen die Wärme, die uns in den letzten zwei Wochen gefehlt hat. Es mutet fast schon sommerlich an. Als es endlich Zeit ist, schnappen wir unsere Koffer und machen uns auf dem Weg zu Jenna. Sie wohnt direkt in der Innenstadt, die Türen sind unverschlossen und auf einmal stehen wir schon mitten in ihrer Küche. Rote Haare und Sommersprossen, wie eine Irin sieht sie aus, die Jenna, und wie sich im anschließenden, sehr kurzen Gespräch herausstellt, hat sie tatsächlich irische Wurzeln und will diesen Sommer couchsurfend durch das Land ihrer Vorfahren reisen. Sie heißt uns willkommen und zeigt uns erst einmal unsere Schlafgelegenheit für diese Nacht. Es handelt sich um ein Klappsofa, das in ein Futon umgewandelt werden kann. Sieht glücklicherweise alles ganz nett und sauber aus und wir nehmen in der Küche Platz. Wie uns Jenna schnell mitteilt, wurde es in der vorhergehenden Nacht wohl etwas länger und deswegen ist sie sehr müde. Dementsprechend schleppend kommt das Gespräch dann auch nur in Gang. Höflich werden ein paar Sätze gewechselt, aber der Funken springt, glaube ich, auf beiden Seiten nicht über. Es ist nicht zu übersehen, dass sie an diesem Tag eigentlich gar keine Lust auf Couchsurfer hat. Sie deutet zwar kurz an, dass wir die Flasche Sekt, die wir als kleines Dankeschön mitgebracht haben, zusammen köpfen könnten, es kommt jedoch irgendwie nicht dazu. Ich glaube, das war eher so eine rhetorische Sache. Auch ist sie zu müde, um mit uns noch ein wenig um die Häuser zu ziehen, gibt uns aber freundlich Auskunft zu Sehenswürdigkeiten und guten Bars sowie Cafés in der Stadt. Bevor wir die Wohnung zu einem erneuten Streifzug verlassen, lernen wir noch ihren Mitbewohner Adam kennen, der scheinbar noch viel weniger Lust auf Couchsurfer hat, denn er sagt kurz Hallo und dann gleich wieder Tschüss und macht sich auf den Weg zu seiner Freundin, wo er auch die Nacht verbringen wird. Leicht ernüchtert unternehmen wir noch einen kleinen Spaziergang. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Nach zwei Wochen in Nova Scotia, wo uns wirklich nur Herzlichkeit entgegengebracht wurde, fühle ich mich zum ersten Mal etwas niedergeschlagen. Natürlich bin ich nicht davon ausgegangen, dass ich meine neue beste Freundin in Fredericton kennenlerne. Aber ich fühle mich ohnehin schon unwohl, weil wir ohne Gegenleistung bei jemandem Fremden übernachten und dann kommt jetzt noch das Gefühl hinzu, dass man gar nicht richtig erwünscht ist. Wahrscheinlich mache ich mir aber nur wieder zu viele Gedanken. Die Stadt macht auf den zweiten Blick auf jeden Fall einen viel charmanteren Eindruck, insbesondere aufgrund der vielen viktorianischen Wohnhäuser, die das Stadtbild prägen. Wir kehren in die Wohnung zurück, bekommen von Jenna netterweise noch eine Schale frischer Erdbeeren und versuchen, zur Ruhe zu kommen. Die Nacht ist warm, unruhig und unbequem. Früh kommen wir wieder in die Gänge, um gemeinsam mit Jenna, die zur Arbeit muss, die Wohnung zu verlassen. Wir schütteln einander die Hände und schon ist unser erstes Couchsurfingerlebnis vorbei. Hat nicht weh getan, brauche ich aber in der nächsten Zeit auch erst einmal nicht mehr. Es kommt mir vor, als stünden wir in Jennas Schuld, was natürlich totaler Blödsinn ist. Oder? In dieser Hinsicht bin ich irgendwie so ganz korrekt Deutsch, oder vielleicht auch total spießig? Möglicherweise beides. Aber für weiteres Grübeln ist jetzt keine Zeit.
Die Stimmung zwischen Daniel und mir ist etwas angespannt. Wir wollen noch in einen Park laufen, den Jenna empfohlen hat, der Weg stellt sich aber als viel zu weit per Fuß heraus. Schließlich müssen wir heute noch etwa sechseinhalb Stunden fahren. Kaum, dass wir dann endlich im Auto sitzen und wieder auf der Straße sind, entspannen wir merklich und freuen uns auf unser nächstes Ziel: die 590 Kilometer entfernte Stadt Québec in der gleichnamigen Provinz. Heute durchfahren wir auch die erste Zeitzone unseres Auslandsjahres – wie aufregend! Québec ist die Provinz Kanadas, in der Französisch als Hauptsprache gilt. Obwohl das Französisch, was hier gesprochen wird, nicht viel mit dem zu tun hat, was wir Europäer, oder gar die Franzosen, kennen. Dennoch gibt es eine Gemeinsamkeit: Ähnlich wie unsere westlichen Nachbarn sind die Québécois sehr stolz auf ihre Sprache und mögen gar nicht so gerne Englisch sprechen, zumindest sagt man ihnen dies nach. Als wir das westliche New Brunswick durchfahren, gehen die Ortsnamen langsam ins Französische über und auch die englischen Radiosender gehen einer nach dem anderen im Rauschen unter. Irgendwie strange. In Québec versuchen wir uns an einer neuen Übernachtungsmöglichkeit: Über die Internetplattform AirBnB, auf der Privatleute einzelne Räume oder ihre komplette Wohnung vermieten, haben wir ein Zimmer bei der Frankokanadierin Sandrine und ihrem mexikanischen Freund Enrique gebucht. Die beiden leben in einem ehemaligen Arbeiterviertel am Rande der Innenstadt. Dank unseres Navigationsgeräts, das wir in Nova Scotia gekauft haben, finden wir die Wohnung relativ schnell und verfahren uns lediglich einmal.
Notre maison
Auch hier kommen wir wieder zu früh an und haben noch zwei Stunden, bis Sandrine vom Arbeiten nach Hause kommt. Wir sind gespannt, was uns erwartet, insbesondere nach unserer letzten Nacht, und spazieren erst einmal auf gut Glück in Richtung Innenstadt. Québec City gefällt uns sehr gut. Man könnte sich tatsächlich in Frankreich wähnen. Alles wirkt sehr europäisch und vor allem übersichtlich. Schnell erreichen wir die Rue Saint Jean, die bekannt ist für ihre leckeren Restaurants und kleinen Läden und gleichzeitig als das Herz des Künstlerviertels St. Jean Baptiste gilt. Eher zufällig passieren wir das Restaurant L’Hobbit, welches uns von Daniels Cousin Rob, der in Boston lebt, empfohlen wurde. Kurzentschlossen entscheiden wir, dort am Abend zu essen und gehen hinein, um eine Reservierung vorzunehmen. Hier lerne ich nicht zum letzten Mal dieses Jahr eine weitere Facette meines Ehemanns kennen, denn er hat sich scheinbar in den letzten, eher schweigsamen, Minuten ein paar Worte auf Französisch zurecht gelegt und arrangiert nun souverän die Reservierung. Der Restaurantmitarbeiter stellt nicht auf Unverständnis oder wechselt ungeduldig ins Englische, so wie wir es erwartet hatten, sondern freut sich sichtlich über den gelungenen Versuch und führt die Konversation auf Französisch fort. Dazu muss man erwähnen, dass wir jeweils nur über ein paar wenige Jahre Schulfranzösisch verfügen. Wir sind also davon ausgegangen, dass wir uns hier ausschließlich auf Englisch durchschlagen und dabei auf wenig verständnisvolle Ohren stoßen, aber diese Aktion macht uns Mut.
Wir kehren zurück zu unserem Auto und somit auch zu unserem Übernachtungsplatz und werden herzlichst von der kleinen und quirligen Sandrine willkommen geheißen. Was für ein Unterschied zu dem Empfang von gestern! Wir sind glücklich, Sandrine wohl auch, zeigt uns gleich