Ich trinke den Wind. Gesine Auffenberg
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Das Messer in der Scheide trage ich wie die Männer hier am Oberarm, um es jederzeit griffbereit zu haben. Aber der Stock, wo war der Stock? Die Hunde fürchten ihn, zu oft hat man sie geschlagen. Meine Hand tastet über sprödes Gestein, verfängt sich in Luftwurzeln und zerrt sich wieder frei. Fingert über Baumrinde. Kehrt zu Luftwurzeln zurück. Erkaltet in fieberhafter Suche. Nun ist es eine Eishand, die vorgibt, einen Stock zu suchen und dabei den Wurzeln die Wärme stiehlt. Kälte löst das Fieber ab. Sie breitet sich aus wie Leichenstarre und legt sich zwischen den Herzschlag. Ich schreie. Es ist der Schrei eines Tieres. Gedanken widerlegen kalt meine Hoffnung. Einfache Malaria, Wechselfieber, endet mit Herzkreislaufversagen. Ich muss Ayn frei binden, damit er sich ernähren kann.
»Ayn«, stammele ich, »Ayn«.
Ich höre ihn aus der Dunkelheit schnauben. An langem Seil trottet er auf mich zu, stellt sich über mich und senkt die Nüstern. Mir scheint, er stößt seinen Atem gegen mein kaltes Herz. So bleibt er stehen während der ganzen Nacht.
Am Morgen kehrt das Fieber zurück, pulsierend wie neues Leben. Da sind die Schatten noch jung. Das Fieber steigt schnell. Die Farben der Erde zerkochen zu seimigem Blut. Nur am Horizont tanzen Glasfarben. Die Schatten der Bäume zerschmelzen und lösen sich auf im Fieber des Mittags. Nackt sehen die kleinen Bäume aus ohne ihre dunklen Begleiter. Sie ziehen sich hinter runzlige Rinde zurück. Die Stimmen aus dem Dorf verstummen. Kein Wind, kein Luftzug. Die Stille des Mittags.
Auf dem Baum wartet der Geier.
Machmoud kommt und legt mir nasse Tücher auf die Stirn. Er gibt mir Wasser und Brot. Er tränkt Ayn. Als er geht, kommen die Träume wieder. Sie sind sehr klar, die Träume im Fieber. Ich treibe in einer Hirnschale auf dem Meer. Es ist rot. Ich suche ein Ufer, Land, das nicht in Sicht ist. Ich müsste es erschaffen, in der Nacht. Ich weiß genau, das es so ist. Ich habe Durst. Ich rufe nach Wasser. Das Meer ist voller Blut. Da ist immer diese Frau. Sie ist im Wasser. Sie sieht mich an. Ich weiß nicht, ob sie lacht oder weint. Oder lockt. Ich glaube sie gehört zu den Toten. Und spricht zu den Träumern. Wenn sie spricht, gehört auch sie zu den Träumern. Für diesen Moment. Sie spricht leise. Ich versuchte, ihr zuzuhören.
Das Fieber ist sehr laut. Es schlägt auf mich ein. Machmoud kommt und gibt mir wieder Wasser. Ich frage ihn, was die Frau sagt, ich kann sie nicht verstehen. Er sagt, es gäbe keine Frau. Ich sehe sie und habe versucht, vernünftig zu fragen. Ich höre sie sprechen, während er antwortet. Ich weine. Jetzt, als ich weine, kann ich sie verstehen. Sie redet vom Krieg.
Sie ist jeden Tag da. Sie wird mit dem Fieber zurück gehen. Ich werde versuchen, ihr zu folgen. Sie ist jeden Tag da und trägt jetzt ein Kind. Das Kind ist tot. Sie streichelt das Kind. Sie streichelt das Kind mit Händen, die so weiß sind, dass es schwer fällt ihnen zu glauben. Sie küsst das Kind und sagt: »Allah Karim.«
Das Fieber ist gesunken. Ich liege an dem traumleeren See. Machmoud kommt und bringt mir Wasser und Brot. Er sieht müde aus. Ich weiß, ich muss gehen. Ich sage, ich wolle in die Stadt reiten, um mich behandeln zu lassen. Ich wisse nicht, wann die Malaria wieder käme, ich wisse nur, dass sie wieder käme. Machmoud hilft mir beim Satteln. Er will keinen Dank für seine Pflege und erst recht kein Geld.
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