Budschakenblut. Martina von Schaewen
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Olga stöhnte leise, als sie aufstand. Langsam ging sie in die Küche und kochte sich einen Tee. Sie füllte den Waschzuber mit kaltem Wasser aus den Eimern, die immer gefüllt neben dem Herd standen. Sie wusch sich mit dem eiskalten Wasser und steckte am Schluss noch ihren ganzen Kopf in den Zuber.
Abgetrocknet und wieder angezogen, trank sie ihren lauwarmen Tee und fühlte sich besser.
Olga stellte sich mit ihrer Teetasse in der Hand ans Fenster und schaute auf den Hof.
Ihr Blick wanderte vom Stall über die letzten Schneereste, die noch vereinzelt in den Ecken lagen. Alles wirkte friedlich und ruhig. In der Ferne bellte ein Hund.
Es war Ende Februar und immer noch sehr kalt. Bestimmt freuten sich die Menschen, wenn endlich der Frühling anbrechen würde. Hoffnungsvoll sahen alle dem Jahr entgegen und sehnten sich nach den Farben der ersten Blumen und dem Duft ihrer Blüten. Der Wunsch nach Frieden nach diesem langen Krieg war vergangenes Jahr im November endlich in Erfüllung gegangen. Wäre nicht der Tod der Mutter gewesen, könnte Olga auch allem mit mehr Freude entgegenblicken.
Katharina, die jede freie Minute an ihrer Nähmaschine verbracht hatte. Katharina, in einem neuen Kleid aus blauem Seidenstoff, so blau wie ihre Augen. Elegant hatte sie darin ausgesehen, zu fein für diese Umgebung. Als Kind war es Olga manchmal unangenehm gewesen, wenn die Mutter mit ihr an der Hand in solch einer Aufmachung in den Kaufladen ging oder durch den Ort lief. Trafen die Kleine böse Blicke mancher Bäuerinnen, schämte sie sich für die Mutter. Ebenso unangenehm war es ihr, bei erstaunten oder gar aufmunternden Blicken mancher Männer im Dorf.
Die Mutter schien das nicht zu bemerken, sie schritt erhobenen Hauptes durch Sarata. Als Olga Jahre später die gleiche Leidenschaft gegenüber Stoffen und raffiniert geschnittenen Kleidern erfasste, spazierte sie ebenso gleichgültig und stolz in eigen entworfenen Modellen durch den Ort. So wie Katharina die meiste Zeit an der Nähmaschine verbracht hatte, so tat es jetzt Olga. Entweder nähte sie, oder sie ging auf den Markt Stoffe aussuchen. Auch in der Tuchfabrik war sie eine gern gesehene Kundin, die zwar anspruchsvoll war, aber auch großzügig einkaufte, wenn sie etwas fand. Nur leider gab es wenige Monate nach Kriegsende hier noch keine Auswahl an Stoffen. Hoffentlich würde sich das bald ändern.
Olga stellte ihre Teetasse ab und schaute auf die Uhr. Sie war zwar heute sehr spät aufgestanden, doch wenn es nach ihr gegangen wäre, könnte es bereits Mittag sein. Wie langsam aber auch die Zeit heute Vormittag verging, dachte sie und lauschte eine Weile dem Ticken der alten Wanduhr.
Man hatte ihr gesagt, im Laufe des Vormittags würde die Lieferung eintreffen. Vor Mittag brauchte sie nicht zu kommen. Die vergangenen drei Vormittage verbrachte Olga bereits mit Warten. Jedes Mal wurde sie enttäuscht, als sie ihre Bestellung abholen wollte und diese nicht eingetroffen war. Von Deutschland bis ans Schwarze Meer nach Bessarabien war es eben doch ein langer Weg.
Olga hörte Geräusche von außen. Jemand rannte über den Hof. Es war Berta die ins Haus stürmte.
»Sie haben mich genommen!«, rief Berta ihrer Schwester entgegen. Ihr Gesicht strahlte vor Freude und ihre Augen funkelten. Dann starrte sie entsetzt zu Olga: »Wie siehst du denn aus?«
Olga zuckte mit den Schultern.
»Na ja, ich meine nur«, Berta fasste an Olgas Haare. »Da fehlt ein ...«
»Du hast es also geschafft, gratuliere«, unterbrach Olga.
»Ich bin noch ganz aufgeregt. Es hat sich verdient gemacht, dass ich während dem Krieg im Lazarett geholfen habe.«
»Hoffentlich. Schließlich hast du dich für die vielen Verletzten bis zur Erschöpfung aufgeopfert. Es hat ja nicht mehr viel gefehlt und wir hätten dich pflegen müssen.«
»Olga, endlich!« Berta umarmte die Schwester stürmisch. »Endlich darf ich die Ausbildung zur Krankenschwester machen.«
»Du weißt auch hoffentlich, was das heißt: zwei Jahre Schülerin, zwei ...«
»Zwei Jahre Probeschwester«, unterbrach Berta. »Und danach Hilfsschwester. Wenn ich 25 bin, werden sie mich als Schwester einsegnen.« Zufrieden schaute Berta auf Olga.
»Ach Berta, ich freu mich für dich. Aber du wirst jetzt dein Leben lang in einem dunkelgrauen Kleid mit einer hellgrauen Schürze darüber rumlaufen. Dazu den braven weißen Kragen am Hals und das schlimmste: diese weiße Haube. Überleg dir das gut. Tag für Tag grau und weiß.«
»Du hast vielleicht Sorgen«, lachte Berta. »Wenn das so schlimm ist, dann frag ich mich, warum sich am Sarataer Diakonissenhaus so viel mehr Schülerinnen melden, als aufgenommen werden können.«
Olga zuckte nur mit den Schultern. Sie verstand das nicht. Krankenschwester werden konnte sie sich nie und nimmer vorstellen.
»Olga, jetzt sag schon, was hast du mit deinen Haaren gemacht?«
»Solltest du auch tun, das ist viel praktischer. Vor allem für dich, du trägst ja bald Zeit deines Lebens eine Haube.«
»Spotte nur«, meinte Berta beleidigt.
»Ach komm«, fiel ihr Olga ins Wort und umarmte die Schwester. »Es war nicht richtig von mir, das zu sagen. Hilfst du mir heute Abend, die Haare gleichmäßig abzuschneiden? Ist mir nicht so gut gelungen.«
Berta nickte. »Ich muss gleich mal zu Lydia rüber und ihr die Neuigkeit sagen.«
Bevor Olga noch etwas sagen konnte, schlug Berta bereits die Türe hinter sich zu.
Wieder schaute Olga auf die Uhr. Sie würde jetzt die Zeit nutzen und die Küche aufräumen und putzen. Damit konnte sie Berta eine große Freude machen. Berta war nämlich diejenige, die sich hauptsächlich darum kümmerte, dass Haus und Hof saubergehalten wurden und jeden Tag ein warmes Essen auf dem Tisch stand. Olga wusste gar nicht, wie es werden sollte, wenn Berta als Schwesternschülerin anfing. Dann war sie selbst wohl oder übel auch mal dran mit der Hausarbeit.
Olga stürzte sich in die Putzarbeit. Als die Wanduhr endlich zwölfmal schlug, ließ sie den Lappen einfach fallen. Sie schwang ihr Wolltuch über die Schultern und setzte einen Hut auf. Obwohl es noch Zeit war, lief sie schnell zum Marktplatz, in die Wernerstraße.
Insgeheim bangte Olga, dass sie wie die vergangenen Tage auch, mit leeren Händen nach Hause kommen würde. Hoffentlich hatte sie heute Glück und musste sich nicht wieder auf den nächsten Tag vertrösten lassen.
In Sarata gab es jetzt endlich eine Buchhandlung, die auch gleichzeitig Galanterie war. Der Buchhändler hatte ihr erzählt, dass er die erste deutsche Modezeitschrift, die Kleiderschnitte aus neuerer Zeit einführte, für die Frauen in Sarata bestellt hatte. In Deutschland kleidete man sich jetzt, nach dem Krieg, nämlich nach der Mode. Olga befürchtete allerdings, dass das in diesem Kolonistenort noch lange dauern würde. Natürlich hatte sie sich gleich als sie davon erfuhr, ein Exemplar reservieren lassen.
Olga betrat den Laden und war die einzige Kundin. Gespannt schaute sie den Buchhändler