Kapitän in zwei Welten. Hans-Hermann Diestel
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Die PASSAT – das Schwesterschiff der PAMIR
Am 12. Dezember 1956 verließ die PAMIR mit 2 500 t Methylalkohol in 11 716 Fässern, die auch in den Tieftank gestaut worden waren, Antwerpen. Kapitän Eggers war sich wohl von Anfang an der Stabilitätsprobleme bewusst. Er hat nach Rollversuchen auf Terneuzen Reede die Reuelrahen, die an Deck gelegt worden waren, nicht wieder aufgebracht. Nach dem Passieren von Kap Lizard wurden die Segel gesetzt. Schon bei Windstärke 3 hatte der Segler eine Schlagseite von 11°. Am 21. Dezember beschloss Kapitän Eggers, ohne eine Entscheidung der Reederei abzuwarten, Falmouth als Nothafen anzulaufen. Dort wurden 1 256 im Tieftank gestaute Fässer gelöscht und der Tank mit Wasser gefüllt. Vor dieser Aktion hatte das Schiff eine Rollperiode von 24 Sekunden und danach von 16,5 Sekunden. Die vor dem Seeamt befragten Segelschiffskapitäne hatten 16 Sekunden als obere Grenze angesehen.
7. Ladung: Auf den fünf Reisen vor Diebitsch hat die PAMIR unter Eggers 3 x Weizen und 2 x Gerste befördert. Es gibt in den Unterlagen des Seeamtes keinen Hinweis darauf, dass bei Eggers die Gerste gesackt an Bord kam. Wahrscheinlich ist, dass sie bei Eggers, der über eine viel größere Erfahrung als Diebitsch verfügte, besser gestaut wurde. Es fällt mir sehr schwer, für den Umstand, dass die PASSAT auf ihrer letzten Reise nach dem Untergang der PAMIR, erneut lose Gerste beförderte!, angemessene Worte zu finden. Vor dem Seeamt und bei anderen Gelegenheiten hatten erfahrene Segelschiffskapitäne ausgesagt, dass sie Gerste nie lose akzeptiert hätten.
8. Führungs- und Leitungstätigkeit: Die in den verschiedenen Punkten aufgezeigten Mängel beruhen, bis auf die des Schiffes und in gewissem Umfang die der Beladung, auf einem Versagen der Leitungstätigkeit des Kapitäns. Weder die Vorbereitung des Schiffes und der Besatzung auf das von „Carrie“ ausgehende Wetter noch Kurs und Segelführung entsprachen den Regeln guter Seemannschaft in dieser Situation. Alle einschränkenden und damit die Gefahren für Schiff und Besatzung verstärkenden Faktoren wie die Stabilität des Schiffes, die von der Ladung und ihrer Stauung ausgehenden Gefahren sowie die Qualität der Besatzung hätten den Kapitän zu größtmöglicher Wachsamkeit und Vorsorge veranlassen müssen. Bei dieser großen Anzahl von Amateuren an Bord war eine straffe Schiffsführung gefragt. Der Kapitän war nicht in der Lage, diese zu etablieren. Da Diebitsch lange auf dem Schulschiff DEUTSCHLAND gefahren war, hätte er die Möglichkeit, aus dem Zusammentreffen von PAMIR und dem Hurrikan „Carrie“ ein Lehrstück machen zu können, erkennen müssen. Er tat es nicht, es blieb bei einer Kaffeefahrt mit Zigaretten und Schnaps.
Von der 86 Mann starken Besatzung wurden nur 6 gerettet.
Zwischen dem Untergang der PAMIR und dem des DSR-Motortankers BÖHLEN bestehen einige Parallelen. Zu ihnen gehören, dass kein Nautischer Offizier gerettet wurde, dass auf beiden Schiffen ein unverantwortlich laxer Schiffsbetrieb herrschte, dass die unmittelbare Gefahr für das jeweilige Schiff nicht erkannt wurde und dass das Verlassen des Schiffes eine einzige Katastrophe war, die unnötig viele Seeleute das Leben kostete. Auf die meisten Fragen im Zusammenhang mit dem Untergang des Tankers hat die Seekammer in Rostock überzeugende Antworten gegeben. Es gab keine Vertuschungen, auch wenn das nach 1990 von sich in billigem Populismus gefallenden Medien immer wieder behauptet wurde. Trotzdem beantwortete die Seekammer die folgenden Fragen nicht oder nicht ausreichend:
1. Einschätzung der Leitung des Schiffes durch Kapitän Siegbert Rennecke generell und nach der Grundberührung des Schiffes im Besonderen. Dazu gehört auch sein Alkoholkonsum.
2. Rolle des Chief mate Hans-Joachim Wabst, der zu meinem Lehrjahr (1957) gehörte und den ich als einen sehr sportlichen jungen Mann in Erinnerung habe.
3. Verhalten der Brückenwache vor und während der Grundberührung.
Als sehr informativ empfinde ich die vom Seeamt Lübeck im Spruch angeführten Zeugenaussagen der Überlebenden. Im Spruch der Seekammer fehlt vor allem eine Aussage des Funkers Schultze, des einzigen überlebenden Offiziers vom Vorschiff.
Der Motortanker BÖHLEN
Ein Gespräch mit Kapitän Rolf Permien, der als Verantwortlicher für die Seeunfalluntersuchung der DSR den Funker befragte, konnte die Fragen nicht völlig beantworten, aber zumindest die Situation ein wenig aufhellen.
Kapitän Rennecke war nicht betrunken, diese Aussage ist eindeutig. Davon bin ich bei meiner Einschätzung der Situation auch nie ausgegangen. Allerdings war er Alkoholiker. Dies berichtete mir der Politoffizier Rudi Gündel, der darüber den Flottenbereich Spezialschiffahrt informierte. Die medizinische Forschung hat schon seit Langem herausgefunden, dass Alkoholmissbrauch zu psychischen, sozialen oder körperlichen Schäden führt. Eine deutliche Leistungsminderung und Störungen in der Leistung von Gedächtnis, Konzentration, Antrieb und Aufmerksamkeit gehören zum Krankheitsbild. Welche Erklärung ist sonst für den Fakt vorstellbar, dass ein Kapitän über viele Stunden nichts zur Rettung seines Schiffes und seiner Besatzung unternimmt. Die leitenden Offiziere sollen angenommen haben, dass ein Tankschiff unsinkbar sei. Das ist ein Gedanke, der seit dem Untergang der TITANIC abenteuerlich ist. Von der Brücke war über Stunden zu beobachten, wie sich die Lage des Schiffes verschlimmerte. Warum hat Wabst nicht eingegriffen?
Hans-Joachim Wabst (1. von rechts) mit anderen Lehrlingen der THEODOR KÖRNER 1959 in Izmir
Diese Frage hat mich, seit einigermaßen verlässliche Aussagen zu dem Seeunfall vorliegen, beschäftigt. Vielleicht liegt die Antwort in den Beobachtungen des Technischen Inspektors Heinz-Jürgen „Atze“ Marnau, der die geretteten Besatzungsmitglieder der Maschine befragte. Er sagte in einem Gespräch zu mir: „Ich wurde beauftragt, die Überlebenden der technischen Besatzung zu befragen. Die Überlebenden haben aus falsch verstandener Kameradschaft und weil sie unberechtigt Angst hatten, dass die Versicherung für die auf See Gebliebenen nicht zahlen könnte, mit der Wahrheit hinterm Berg gehalten. Sie gaben mir verschiedene Informationen, erlaubten mir aber nicht, diese aufzuschreiben oder zu verwenden. Sie machten mir klar, dass sie diese Aussagen vor der Seekammer nicht machen würden. Aus diesen wurde deutlich, dass der Dienstbetrieb auf dem Schiff in allen Bereichen von großer Schlamperei gekennzeichnet war. Dafür war im Maschinenbereich der Chief verantwortlich.
Chief „Atze“ Marnau beim täglichen Kontrollgang im Maschinenraum
Da er seine Frau mit an Bord hatte, kümmerte er sich noch weniger als sonst um den Dienstbetrieb. Er ist auch vom Wachingenieur nach der Grundberührung nicht angemessen informiert worden. Es wurden nicht alle möglichen und notwendigen Kontrollen vorgenommen. Eines der Probleme auf dem Schiff war, dass dort in einem für die Sicherheit eines Tankers unverantwortlichen Maße getrunken wurde. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass die Inspektion dies nicht gewusst hat.“
Es ist sehr gut vorstellbar, dass sich Wabst aus dieser verfahrenen Situation nicht lösen konnte. Die Aussagen der Seekammer zur Navigation des Schiffes unterstreichen die Beobachtungen von Marnau. Im Spruch der Seekammer heißt es: „Auf Grund mangelhafter Navigation, die in der unzureichenden