Kapitän in zwei Welten. Hans-Hermann Diestel
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Auch deutsche Kapitäne lieferten eindrucksvolle Beispiele unzureichender Leitungstätigkeit, die nicht wenige Besatzungsmitglieder mit dem Leben bezahlten. Beispiele dafür sind Kapitän Johannes Diebitsch von der PAMIR und Siegbert Rennecke von der BÖHLEN. Bei Diebitsch komme ich aufgrund des Spruches des Seeamtes Lübeck zu folgenden Aussagen:
1. Besatzung: Seine Erfahrung als Kapitän belief sich auf 1 Jahr (1926/27 auf zwei Dampfern), 2 Monate (1940) und auf seine Zeit auf der XARIFA (Yacht, Dreimastgaffelschoner). Ansonsten war er als Zweiter und Erster Offizier auf dem Segelschulschiff DEUTSCHLAND gefahren. Diesen Mangel an Erfahrung in der Ladung befördernden Segelschifffahrt und in der Führungs- und Leitungstätigkeit konnten andere Offiziere nicht ausgleichen. Der Erste Offizier hatte nach dem Krieg das Patent gemacht und war als Vierter und Dritter Offizier auf Dampfern und Motorschiffen gefahren. Am 14. Mai 1956 stieg er als II. NO auf die PAMIR auf. Nach etwas über einem Jahr wurde er als Erster Offizier angemustert.
Der Zweite Offizier war als Jungmann, Leichtmatrose und Vollmatrose auf der PAMIR und PASSAT gefahren. Nachdem er das Patent zum Steuermann auf Großer Fahrt (A5) erhalten hatte, kam er am 8. Oktober 1956 als III. NO auf die PAMIR. Seit dem 1. März 1957 war er als II. NO gemustert.
Kapitän Johannes Diebitsch
Als außerplanmäßiger Erster Offizier war der Seeschriftsteller Alfred Schmidt und als außerplanmäßiger II. NO Kapitänleutnant Buscher an Bord. Bei der Mannschaft sah es nicht besser aus. Der Bootsmann war fast 68 Jahre alt (Aussage Kraaz: „Half dem alten, sehr kranken Bootsmann, der schlecht laufen konnte, sich unter Deck etwas anzuziehen.“). Diese Aussage sprach er nach der Rettung auf Dimafon. In der Hauptverhandlung zog er die Aussage zurück. Das Ladung befördernde Segelschulschiff mit einer derartigen Besatzung zur Ausbildung von 30 Jungmännern und 22 Schiffsjungen sowie einigen Leichtmatrosen auf See zu schicken, war unverantwortlich. Entweder hätte der Kapitän oder zumindest der Erste ein ausgewiesener Fachmann für ein Ladung beförderndes Segelschiff sein müssen.
2. Umbauten: Unter neuseeländischer Flagge und in der Zeit, in der es sich im Besitz von Reeder Schliewen befand, wurden am Schiff zahlreiche Umbauten vorgenommen. Diese beeinträchtigten die Stabilität und die Seetüchtigkeit des Schiffes. Kapitän Diebitsch war offensichtlich nicht fähig, ihre Auswirkungen einzuschätzen.
Die Viermastbark PAMIR unter finnischer Flagge unter Vollzeug; John Oxley Library, State Library of Queensland, gemeinfrei
3. Reisevorbereitung und Kurs: Die Vorbereitung der Besatzung und des Schiffes auf das angekündigte schwere Wetter war katastrophal. Die Besatzung war nicht informiert und dadurch auch nicht auf die sich entwickelnde schwierige Situation eingestellt. Anstatt Essen wurden Zigaretten und Schnaps ausgegeben. Die Aussagen vor dem Seeamt lesen sich, als hätte sich das Schiff auf einer Kaffeefahrt befunden.
Das Schiff war ebenfalls nicht auf das sich ständig verschlechternde Wetter vorbereitet worden. Folgende Aussagen belegen dies eindrucksvoll. Wirth: Die Eisen-Schutz-Türen waren nicht eingesetzt; Kraaz: In der Matrosenmesse waren auf der Bb.-Seite die Bullaugen über Nacht offen und Wasser drang durch sie ein. Die eisernen Schutztüren waren nicht eingesetzt.
Der Kapitän ließ die Segel zu spät wegnehmen. Für die beim plötzlichen (?) Einsetzen des Sturmes auf der PAMIR gesetzte Segelfläche und bei Windstärke 10 ergab sich nach Aussage der Sachverständigen eine Neigung von 27 bis 29º. Wären die Segel weggenommen worden, hätte das Schiff bei Bft 10 noch eine Krängung von 12º gehabt. Wie es die angeführten Aussagen schon andeuteten, war der Verschlusszustand des Schiffes (Bullaugen gerieten im Kadettenraum bei 10º, Bullaugen Brücke bei 28º, Poopbullaugen bei 35º und Türsüll Brücke bei 35º unter Wasser) nicht hergestellt worden. Strecktaue wurden erst nach Eintritt der Schlagseite gespannt. Aussage Wirth: Die Räume waren bereits halb voll Wasser, als sie den Befehl bekamen, die eisernen Blenden vor die Bullaugen festzuschrauben. Kapitän Diebitsch hatte ausreichend Zeit, sich mit der Entwicklung des Hurrikans zu beschäftigen. Wenn Diebitsch, wie es immer wieder gesagt wurde, Schubarts Orkankunde „fast auswendig“ gekannt hat, dann ist es, zu dieser Auffassung kam das Seeamt, nicht unwahrscheinlich, dass das starre Durchhalten des Nordkurses, welches das immer schärfere Anbrassen der Rahen (und Dichtholen der Schoten) erforderte, auf den bei Schubart S. 120 gegebenen Ratschlag zurückzuführen. Sollte Kapitän Diebitsch diesen Ratschlag bei seinen Maßnahmen im Sinn gehabt haben, so hat er ihn missverstanden oder allzu schulmäßig befolgt.
Die Wahl seines Kurses ist nicht nachvollziehbar. 1992 befand ich mich mit der MEYENBURG auf der Reise von Brasilien nach Keelung. Südlich von Taiwan näherte sich uns ein Taifun. Nachdem die Technischen Offiziere die ausgefallene Hauptmaschine gerade wieder repariert hatten, setzte ich die Reise fort. Die Hauptmaschine konnte aber aufgrund des miserablen Bunkers jederzeit wieder ausfallen. Deshalb musste ich überlegen, ob ich unter diesen Umständen eine der wichtigsten Regeln guter Seemannschaft – wenn irgendwie möglich, einen tropischen Wirbelsturm zu vermeiden – bei dem nördlichen Kurs einhalten konnte.
MS MEYENBURG in Wismar
Ich kam nach einigen Stunden zu der Auffassung, dass das Risiko zu groß war. Das Schiff wurde auf Gegenkurs gebracht und wir warteten in einer Entfernung von 80 sm darauf, dass der Taifun vorbeizog. Als das geschehen war, wurde die Reise wieder aufgenommen. Die gleiche Möglichkeit hatte Diebitsch.
4. Wetter: Nach den Ermittlungen des Seeamtes erreichte der Wind als obere Grenze 70 kn. Die Aussage Fredrichs: „04.00 BZ Wind Bft 7 – 8, Wind und See stetig ohne Böen oder Richtungsänderungen quer von Stb“ belegt, dass das kein außergewöhnlich schweres Wetter war.
5. Segelführung: Dem sich systematisch und vorhersehbar ändernden Wetter entsprach nicht die Segelführung, das belegen die Aussagen von Fredrichs: „Um 04.00 BZ standen noch 12 Segel“ und von Haselbach: „Um 11 Uhr BZ flogen die Segel weg“.
6. Stabilität: Die Stabilität musste, wie das Vorbereiten der Besatzung und des