indem sie entweder im logischen Zirkel irgendwann die Beweisführung oder Erkenntnissuche abbricht (erkenntnistheoretische Immunisierung), oder sie erklärt keinen weiteren Begründungszwang bzw. lässt keine Kritik mehr gelten. Es muss jetzt umgekehrt die Abweichung erklärt werden und nicht mehr die Erkenntnis.
Daraus hat sich der Kritische Rationalismus gebildet, der von der permanenten Unsicherheit des Wissens ausgeht und letztendliche Wahrheiten nicht mit Beweisen (Verifikation) von Annahmen (Hypothesen), sondern über Ausschluss des Falschen (Falsifikation) sucht. Salopp ausgedrückt: Wenn ich nicht weiß was wirklich wahr ist, so schließe ich aus was unwahr ist und komme damit der letztendlichen Wahrheit näher. Eng einher geht mit diesem Ansatz der Anspruch, dass Wissenschaft wertfrei ist bzw. sein muss. Das heißt aus wissenschaftlichen Erkenntnissen sind z. B. keine gesellschaftlich moralischen Ansprüche abzuleiten. Diese Auffassung prägte das 19. und 20. Jh. und führte auch dazu, dass damit jede Wissenschaft und Forschung gerechtfertigt wurde (bis hin zu den Menschenversuchen im Nationalsozialismus oder bei genetischen Experimenten).
In der zweiten Hälfte des 20. Jh. entwickelte sich der Modernismus, der nach beobachtbaren Vorhersagen sucht (reproduzierbare Experimente). Hier kommen entsprechend vornehmlich quantitative Methoden der Beweisführung zum Einsatz. Die lange Erfahrung mit wichtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zu großen Veränderungen geführt haben, zeigt aber, dass diese i. d. R. nicht durch Vernunft und Logik, Verifikation und Falsifikation oder empirische Ergebnisse ausgelöst oder begleitet wurden, sondern oft durch rhetorische Überzeugungsarbeit oder politische Macht.
Ökonomische Theorie will theoretische (durch rationale Vernunft und Logik) oder empirische (durch Beobachtung und Erfahrung) Tests bestehen, die einmal als Rationalität definiert wurden, mit dem Ziel, aus diesen Modellen wirtschaftsrationale Entscheidungen abzuleiten. Da sich die Realität aber sehr oft anders verhält, reichen heute, im Zeitalter des Konventionalismus, meist einfachere Beweisführungen aus, z. B. indem ökonomische Zusammenhänge definiert werden ohne weitere rationale Begründung (= konventionelle Wahrheit).
Und damit ist das Dilemma perfekt: Während die klassische Wissenschaftstheorie (vom Rationalismus bis zum Modernismus) natürlich weiter nach letztendlicher Wahrheit forscht, hat der Konventionalismus in gewisser Weise auch Recht. Denn i. d. R. besteht bei Entscheidungen oft das Problem, dass wir z. B. zu wenige Informationen haben oder unter Zeitdruck stehen. Deshalb sind äußerlich scheinbar irrationale oder falsche Entscheidungen häufig doch rational. Denn auch äußerlich sichtbares (von Dritten für nicht-rational gehaltenes Verhalten) kann das Ergebnis individueller rationaler Entscheidungen unter den gegebenen Umständen sein.
Für die Zukunft der Wissenschaftstheorie zeichnet sich ab, dass immer mehr die Verhaltensspielräume und -grenzensowie die gesellschaftliche Legitimität untersucht werden, was zunehmend die Entwicklung vom Anspruch einer wertfreien Wissenschaft (die es ja nie geben kann) in Richtung einer angewandten und wertenden Wissenschaft zielt. Nicht mehr das reale Verhalten der Menschen oder die realen physikalischen Gegebenheiten werden allein untersucht, sondern die Spielräume und die gesellschaftliche Legitimität oder Auswirkungen, der über Jahrhunderte i. d. R. unkritisch unterstellten Prinzipien. Dies ist sicher eine gesellschaftliche Entwicklung, die auch ihren Grund in der Nicht-Verantwortung von Wissenschaft für reale Ergebnisse und Anwendung ihrer Forschung hat.
Das wissenschaftliche Ziel der Betriebswirtschaftslehre ist es, Erkenntnisse für das praktische Handeln in Unternehmen zu gewinnen (sog. ökonomische Theoriebildung). Die wissenschaftliche betriebswirtschaftliche Diskussion unterscheidet hierbei hauptsächlich zwischen einem traditionellen faktortheoretischen Ansatz und den moderneren sozialwissenschaftlich beeinflussten system- und entscheidungstheoretischen Ansätzen:
Der faktortheoretische Ansatz (nach E. Gutenberg) geht von der Grundannahme aus, dass das Erkenntnisobjekt im Unternehmen die effizientesten Beziehungen zwischen den im Unternehmen eingesetzten Produktionsfaktoren ermöglicht. Das bedeutet für die Unternehmensführung, dass ihr Hauptaugenmerk auf die möglichst kostengünstigste oder gewinnoptimale Kombination bzw. Variation der eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit (Arbeitskraft, Qualifikation …), Boden (Standort, Gebäude, Maschinen, Betriebsmittel …) und Kapital (Eigen-, Fremdkapital …) liegt. Stark ausgeprägt ist dabei entsprechend eine kostenrechnungsorientierte Unternehmensführung. Dieses Denken ist bis heute fast dogmatisch verbreitet, gekoppelt mit der Auffassung, dass Betriebswirtschaft wissenschaftlich ein wertfreies Forschungsobjekt ist, d. h.es gibt eine reine Theorie der Betriebswirtschaft ohne praktische Einschränkungen. Und wenn etwas nicht stimmt, werden die störenden Bedingungen, z. B. menschliches Handeln, zur weiteren wissenschaftlichen Betrachtung ausgeklammert.
Grundannahme im systemtheoretischen Ansatz (nach O. Ulrich) ist, dass Unternehmen als Betriebswirtschaften produktive soziale Systeme mit interdisziplinären Gestaltungs- und Führungsproblemen sind. Für die Unternehmensführung bedeutet das, dass betriebswirtschaftliches Denken und Handeln eine angewandte (wertende) Wissenschaft ist, die sich an realen Problemen und Erscheinungen im Unternehmen orientiert. Es wird weitestgehend auf eine theoretisch geschlossene Betrachtung und quantitative Beweisführung verzichtet zugunsten praktischer Relevanz. Dies wird auch häufig als sozialwissenschaftliche Öffnung der Betriebswirtschaft bezeichnet. Eine Erweiterung erfährt dieser Ansatz im entscheidungsorientierten Ansatz (nach E. Heinen), der die Grenzen wissenschaftstheoretischer Erkenntnisse durch das nicht uneingeschränkt planbare menschliche Verhalten erweitert und damit den Menschen (z. B. als Mitarbeiter, Kunde, Nachbar) als soziales Wesen in einer dynamischen Entwicklung sieht.
Der faktortheoretische Ansatz wird aber immer noch als Paradigma (= beispielhaftes Vorbild) in der Betriebswirtschaftslehre gesehen. Die beiden eher sozialwissenschaftlich geprägten system- und entscheidungstheoretischen Ansätze haben noch nicht den Stellenwert, dass von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden könnte. Zum Beispiel kommt es durch die Wertevielfalt der Beteiligten zu einer komplexen, oft unüberschaubaren Interessenvielfalt und damit auch zu Zielkonflikten, die mathematisch oder in traditionellen ökonomischen Bewertungsschemata nicht erfassbar bzw. bewertbar sind. Weitere Ansätze, wie z. B. der in US-Managementschulen häufig vertretene situative Ansatz, die in den 1970er Jahren diskutierte arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre (AOEWL) oder der Marketingansatz und informationsorientierte Ansatz der betrieblichen Umweltökonomie, haben nicht oder noch nicht die herrschende BWL geprägt. Damit ist die Managementausbildung (z. B. im Studium) immer noch sehr auf den an den klassischen Produktionsfaktoren ausgerichteten faktortheoretischen Ansatz gerichtet, und es finden sich noch relativ wenig systematisch eingearbeitete sozialwissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden in der Unternehmensführungslehre.
1.1.2 Ökonomische Prinzipien und Unternehmensziele
Jeder Mensch ist vielfältig mit den Begriffen Wirtschaft und wirtschaften verbunden, z. B. als Arbeitnehmer oder Unternehmer, Produzent oder Lieferant, Konsument oder Sparer. Der Begriff Wirtschaft hat in unserer Gesellschaft schon fast eine schicksalhafte Bedeutung bekommen, denn er nimmt Einfluss auf viele Lebensbedingungen und wird oft für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht, er gilt aber auch als Garant für den materiellen Wohlstand in unserer Gesellschaft. Zu diesen Wohlstandsfaktoren zählen in erster Linie:1)