Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. Christiane Benedikte Naubert
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Der Graf von Homburg und Werner Staufacher mit ihren Leuten kamen dem Grafen Venosta sehr erwünscht. Schon verschiedene Erfahrungen hatten ihn belehrt, daß er sich an Graf Waltern mit seinen eigenen Gütern einen fürchterlichen Feind erkauft hatte, den allein zu überwinden er jetzt zu schwach war. Verschiedene Jahre verflossen unter zweifelhaften Erfolg von beiden Seiten, bis die göttliche Rache dazwischen trat, und der Sieg der gerechten Sache zuneigte. Es kam zur Unterhandlung zwischen beiden Gegnern. Graf Walter fragte, welche Genuthuung Zirio wegen der mir angethanen Beleidigungen forderte, und glaubte mit Anerkennung meiner Unschuld und Wiederaufnahme der Verstoßnen durchzukommen, aber die Absichten des Grafen Venosta gingen jetzt weiter, er verlangte die Rückgabe all der Landschaften, welche Graf Walter nur in so fern besitzen konnte, als er mein Gemahl war. Man gab ein und anderer Seits etwas nach, es wurden von beyden Theilen große Summen geboten, die Sache schleunig zu berichtigen, aber wahrscheinlich würde der Vergleich, der von beyden Seiten so viel Schwierigkeiten hatte, dennoch nicht zu Stande gekommen seyn, wenn mir das Schicksal nicht noch einige bittere Hefen in dem Kelch des Leidens aufgehoben hätte, die ich nur in der Wiedervereinigung mit meinem treulosen Gemahl ausleeren konnte. O Vorsicht31! wenn ich je wider deine Schickungen murrte, wenn jetzt noch vielleicht eine Thräne des Unmuths über meine Wangen rollt, so vergieb der schwachen Sterblichen! Zeit, Vergessenheit, Tod oder die hellere Ewigkeit, werden ja endlich das Gefühl meiner Leiden völlig tilgen.
Nie hatte ich gehört, daß es außer Graf Waltern noch einen Grafen von Vatz gebe, jetzt erscholl das Gerücht: Graf Donat von Vatz sey aus Italien herüber gekommen, habe, nachdem er hier und da im Lande von den Angelegenheiten Graf Walters, den er seinen Vater nenne, Erkundigung eingezogen, seinen Sitz auf dem zerstörten Schlosse Uspunnen genommen, und rüste sich daselbst zu einer Fehde, von welcher man noch nicht wisse, wider wen sie abgesehen sey! Wir Frauen zitterten auf unserm einsamen Schlosse vor demjenigen, welchen wir des Namens wegen schon als unsern Feind ansahen, ungeachtet ich nicht begreifen konnte, wie er Walters Sohn seyn könne, der, so viel wir wissend war, nie vor mir eine Gemahlinn gehabt hatte. Hedwig seufzte zu der Ueberzeugung, die ich hievon hatte, und Graf Venosta, der eben von einem der kleinen Scharmützel, die zwischen ihm und seinem Feinde kein Ende nahmen, zurück kam, erklärte mir den Seufzer meiner Freundinn.
Ach, sagte er, ihr fürchtet nicht ohne Grund diesen neuangekommenen Grafen von Vatz. Nur gar zu wahrscheinlich ist es, daß er Walters Sohn seyn und seine Partey verstärken wird. O Noria, schon vor deiner Vermählung ging ein Gerücht, wie Graf Walter mit einer andern vermählt sey, die er auf einem seiner Schlösser gefangen halte, um sich sorglos um dich bewerben zu können. Dieses war der Grund meines Abscheues vor diesem Verräther, und des Widerwillens, mit welchem ich deine wachsende Neigung zu ihm bemerkte. Ich hatte damals einige ernstliche Unterredungen mit ihm über diesen Punkt. Er leugnete hartnäckig, daß noch irgend eine Lebende ein Recht auf ihn habe, ob er gleich eingestand, daß er mit einer edeln Italiänerinn vermählt gewesen sey, die ihn zum Vater eines Sohns gemacht habe, welcher aber in Italien erzogen werde, und den Ansprüchen seiner künftigen Erben auf keine Art Eintrag32 thun solle. Um aber, setzte Walter damals hinzu, euch jeden Verdacht zu benehmen, als habe ich falsche unzurechtfertigende Absichten auf eure Tochter, so schwöre ich hier vor dem Angesicht des Himmels, mich nie um sie zu bewerben, sie nie zu meiner Gemahlinn zu verlangen, es sey denn, daß ihr sie mir freywillig anbieten, und mich dadurch von dem, wessen ihr mich jetzt beschuldigt, freysprechen werdet. Ich lachte damals, so fuhr mein Oheim fort, über die seltsame Erklärung des Grafen von Vatz, ohne zu denken, daß es je einen Fall geben könne, in welchem ich meine Erbinn auch dem größten und edelsten Manne anbieten sollte, aber Walter wußte sich von diesem Augenblick an so tief in mein Herz einzustehlen, die Dienste, die er mir erzeigte, mehrten sich so sehr und wurden so wichtig, sein Gesicht sprach dabey so nachdrücklich von hoffnungsloser Liebe zu dir, daß mich die Dankbarkeit wünschen machte, ihn mit deiner Hand belohnen zu können. Ich begunnte mich näher nach seinen Angelegenheiten zu erkundigen. Beweise über Beweise fielen mir täglich fast blindlings in die Hand, daß er an jenem schrecklichen Verdacht unschuldig, daß er zwar der Vater eines Sohns, aber daß seine Gemahlinn längst gestorben sey. Der letzte wichtigste aller Beweise seiner Großmuth und Anhänglichkeit an unser Haus, den ich damals von ihm zu erhalten meynte, die Befreyung aus den Händen des Abts von Sankt Gallen bestimmte33 mich völlig. Ich trug dich ihm selbst zur Gattin an, aber was half es, daß er an jener harten Beschuldigung, der Mörder, der Kerkermeister einer Person zu seyn, welche nähere Rechte auf seine Hand hatte, schuldlos war, da er sich der Verbindung mit dir in der Folge auf so vielfache andere Art schuldig machte.
Und wißt ihr gewiß, unterbrach ihn die Gräfinn von Rappersweil, daß alle Sagen von der Grausamkeit Walters gegen eine frühere Gemahlinn falsch waren? daß er sich wirklich frey nennen konnte, als er euer Schwiegersohn ward? — O Zirio! o Mann ohne Trug und Falschheit! o daß ihr jeden nach eurem edeln Herzen beurtheilen mußtet! o daß ihr selbst da, wo ihr zu gerechten Argwohn aufgeregt wurdet, nur gar zu schnell von dem, was ihr ungern glaubtet, zurückgebracht wurdet, und die gute Meynung von andern, welche auch natürlich war, von neuem annahmet! Unglückliche Lucretia! deine Gebeine zeugen noch an dem Orte, wo sie liegen, wider deinen Mörder! Der Fluch, den du sterbend über ihn sprachst, komme auf seinen Kopf, aber fern sey seine Erfüllung von derjenigen, die ihn unschuldig theilen mußte: Noria ist rein an jener Missethat! Nur Wahnsinn und Verzweiflung konnten dich gegen meine Betheurungen und die Beweise ihrer Schuldlosigkeit taub machen.
Der Graf Venosta und ich starrten die Rednerinn mit weitgeöffneten Augen an, sie stand da mit gen Himmel gebreiteten Händen, mit strömenden Augen, ohne auf unsere Fragen zu hören, zu welchen die außerordentliche Bewegung, in welcher wir sie sahen, uns reizte.
Laßt mich, rief sie nach einer Weile, indem sie ihre Augen trocknete, mir schweben jene schrecklichen Auftritte zu Schloß Uspunnen zu lebendig vor Augen, ich bedarf Zeit mich zu fassen.
Wir warteten mit angstvoller Unruhe des Augenblicks, in welchem sie deutlicher sprechen würde. Mein Oheim tappte hier gänzlich im Finstern, aber mich umschwebten dunkle Ahndungen, welche durch Hedwigs Erzählung nur gar zu sehr gerechtfertigt wurden. Ach sie, die Unglückliche, die in jenem gräulichen Felsennest ihre vieljährigen Bande durch die Flammen zu brechen strebte, sie, welche durch die Nennung meines Namens in jene mir unerklärbare Verzweiflung in den Wahnsinn gestürzt wurde, in welchem sie zuletzt verschied, jene Lukretia Malatriti, war diejenige, welche ein früheres Recht auf das Herz des Grafen von Vatz hatte, als die beklagenswürdige Noria, sie nannte mich sterbend noch die Urheberinn ihres Elends, fluchte mir sterbend, und — ich war unschuldig!
Hedwigs Freundschaft hatte mir diese schreckensvollen Scenen, von welchen sie damals Zeuge war, verschwiegen. Sie kannte meine Schwäche, sie hielt es diesem weichen gefühlvollen Herzen für zuträglicher mit dem Ganzen des Elends unbekannt zu bleiben, das Graf Walters einst gewünschte Vermählung über mich gebracht hatte. – So war ich also so viel Jahre lang die unrechtmäßige Gattinn eines Mannes gewesen, den ich nur so lang lieben und wünschen konnte, als ich ihn nicht kannte? So war also ich, die gern jeden Wurm beglückt, gern jede Spur des Elends von der Erde vertilgt hätte, die Ursach der vieljährigen Quaal einer vielleicht tugendhaften und liebenswürdigen Person? doch nein, Lukretia war, wie mich Hedwig aus ihrem sterbenden Bekenntnisse versicherte, nie gut und tugendhaft gewesen. Ihre Geschichte, die ihr von Hedwigs Feder gezeichnet, unter dem Titel Lukretia finden werdet, kann euch hiervon überzeugen. Sie hatte Walters Hand durch Unthaten errungen, hatte ihrem Sohn, auf dessen Beystand sie vergeblich harrte, zu frühzeitiger Ruchlosigkeit angelehrt, und ihr verzweiflungsvoller Tod war ganz das Ende, das sich zu so einem Leben schickte. Aber konnte dies mich trösten? Ach mich dünkte, ihr Fluch, so unverdient er auch war, haftete dennoch auf mir, und ich würde früh oder spät seine Folgen erfahren müssen. – Laßt mich hier abbrechen, meine Kinder, bis mehrere Fassung mich geschickt macht fortzufahren!
Hedwig wußte noch mehr von diesen Dingen. Sie