Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz. Christiane Benedikte Naubert
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Wir brachen am Morgen nach dem Schlosse auf, und Adelheit blieb, wie man sagte, krank zurück. Von der Burg kam uns die Post von dem Tode meines unglücklichen Gemahls entgegen. Wiherus, den wir zu seiner Hut zurückgelassen hatte, mochte seiner zu saumselig gehütet, oder sein elendes Leben verwahrloßt, oder (welches mir schier unglaublich dünkt, ungeachtet seine Feinde davon flüstern), selbst Hand angelegt haben ein unnützes Geschöpf von der Erde zu vertilgen. Dieses war das Wort, mit welchem sich der Freche erkühnte, Graf Donaten die Post von dem unglücklichen Ende seines Vaters zu bringen, und ich hatte die Genugthuung, zu sehen, daß der nunmehrige Graf von Vatz ihm auf die Art lohnte, wie er es verdiente.
Obgleich, in meiner langen, ach langen unterirdischen Gefangenschaft, die ich noch am Abend meines Einzugs auf dem Schlosse, das eigentlich mir gehörte, antreten mußte, mir meine Wärter, welche nach und nach mild und gesprächig wurden, oft sagten, der Abt von Churwalde sey wieder völlig mit Graf Donaten ausgesöhnt, und nehme fleißig Antheil an den schwelgerischen Festen, davon ich das Toben oft in meiner Tiefe vernahm.
Ich war nicht ganz verlassen, mein Schutzengel, meine hülfreiche Adelheit, wußte jeden kleinen Umstand zu meinem Besten zu nützen. Am ersten Abend unserer Bekanntschaft, ach das einige, einige mal, da ich die Theure sahe, die mir nachher nie wieder erschien! gab es zufällig die Rede, daß Kaiser Rudolfs Töchter meine Jugendfreundinnen gewesen waren, und die sinnreiche Freundschaft baute auf diesen Umstand meine Rettung. Adelheid wußte durch ihren Boten mein Schicksal, und sie war nicht sobald aus dem Kloster in die große Welt zurückgekehrt, als sie alles anwandte, mich meinem Kerkermeister, dem grausamen Donat, mit harter Hand zu entreissen.
Sie, die fast in einem Augenblicke die festeste Freundschaft für die arme Noria gefaßt hatte, sie, die bey ihren wenigen Kräften so viel für mich that, konnte freylich nicht anders denken, als daß sechs mächtige Fürstinnen gleich thätig seyn würden, eine alte Jugendgespielinn dem Elend zu entreißen. Leider irrte sie: Kaiser Rudolfs Töchter waren die Gemahlinnen großer Fürsten geworden, und dachten nicht mehr an diejenige, welche sie ehemals als ihres gleichen behandelten, und tausendmal schwuren, nie zu vergessen. Nur eine von ihnen, Agnes, die Herzogin von Sachsen, ließ sich durch Adelheits unabläßiges Bitten erweichen, und drang mit ihrer Macht beym Kaiser zu meiner Erlösung durch.
Ich ward dem Grafen von Vatz und Sargans, dem unrechtmäßigen Besitzer meiner Güter entrissen, aber ich mußte mir meine Befreyung durch feyerliche Entsagung aller meiner Rechte erkaufen. Gern that ich dieses; ich kannte seit Jahren kein anderes Gut als die Freyheit, und da ich nun frey war, keinen Wunsch, als Ruhe in einem Kloster. Elisabeth von Rappersweil hatte während der ersten Zeit meines Gefängnisses ein noch traurigeres Schicksal gehabt, als ich in meinem Kerker erfuhr, und ich verweise euch hierinn auf ihre von mir selbst verfaßte Geschichte. Die rhätischen Frauen wußten von jeher die Feder wohl zu führen, und liessen in dieser edeln Kunst manchen der gelehrtesten Mönche zurück. – Beklagenswürdige Elisabeth! was fühlt man, wenn man dich so in deinem eigenen rührenden Ton von deinen Leiden und Versuchungen, welche einem schwachen Fräulein fast zu mächtig waren, reden hört!
Der verliebte Donat ließ keine Kunst der Verführung unversucht, die Edle von der Bahn der Tugend und Treue abzulenken, und Imagina bot ihm dazu treulich die Hand. Es ist erschrecklich, daß ein Weib ihrem Gatten selbst Bahn auf dem Wege der Ausschweifungen machen, selbst Hand anlegen sollte, das Heiligthum der Unschuld in einem weiblichen Herzen zu zerstören, auch glaube ich, daß es, seit die Welt steht, nur eine Imagina gab, die solcher Unthat fähig war.
Grausamkeit und Gewalt folgten den schmeichelnden Kunstgriffen der Verführung, und Ludwig von Homburg fand, als er nach einigen Monaten, die er in Ungewißheit wegen des Schicksals seiner Braut zugebracht hatte, nach der Donatsburg kam, seine Erwählte zu retten, sie in einem unterirdischen Kerker, der dem Meinigen fast gleich gewesen seyn soll. Ich hörte das Geräusch ihrer Rettung, und hoffte auf die Meinige, aber – ich hoffte vergebens. – Mein schwaches Geschrey ward nicht gehört, man vermuthete hier keine Gefangene. Man hatte meine junge Freundinn und ihren Verlobten von meinem Tode zu überführen43 gewußt; sie weinten unnütze Thränen auf mein Grab, das man ihnen betrügerisch zeigte, indessen ich lebendig in einer Todenhöle schmachtete, und nach der vereitelten Hoffnung auf Erlösung in die tiefste Verzweiflung hinab sank, bis mich Zeit und Glaube an Gott wieder empor huben.
Die ganze Folge von Elisabeths Entführung für mich bestand in engerer Einkerkerung. Diese rasche That des Grafen von Homburg hatte nur in Donats Abwesenheit glücken können, und dieser verließ nunmehr sein Schloß wenig, um nicht ähnliche Unfälle erfahren zu müssen. Man sagt, die Wohnungen der Verworfenen glühen mit doppeltem Feuer, wenn der Fürst der Hölle von seinen Wanderungen in dieselben zurückkehrt, so auch auf der Donatsburg; jedes Geschöpf athmete schwerer, wenn er zugegen war; wie mußten sich nicht die Quaalen einer armen Gefangenen zu solchen Zeiten vermehren!
Doch ward ihm seine Hand gehalten, mich nicht zu tödten; weil ich gerettet werden sollte. Meine Erlösung erschien so, wie ich vorhin erwähnt hatte, und Donat ließ sich herab, mich selbst aus meinem Kerker zu führen, mich vor den Abgesandten des Kaysers und der Herzoginn von Sachsen hoch zu ehren und Mutter zu nennen. Der Elende! Wie hätte dieser heilige Name und die Zeichen seiner Tyrannei die ich an mir trug, gegen einander vor unpartheiischen Zeugen abstechen, welche Strafen hätten sie ihm bereiten müssen! aber die Männer, denen ich ausgeliefert wurde, begnügten sich, mir meine Freiheit verschafft zu haben, dies war das einzige, was ihre Instruction wörtlich enthielt. Die Entsagung aller meiner Rechte war wohl nicht die Absicht meiner Retter gewesen, aber ich war bereit zu derselben, war zu schwach das, was mir zukam, gegen einen mächtigen Tyrannen zu behaupten. Auch waren die, welche für mich hätten handeln können, Hedwig von Rappersweil und Elisabeth von Homburg, fern, und mit meinem Schicksal unbekannt.
Ich eilte unter dem Schutze der kayserlichen Abgeschickten, denen zu trauen ich so wenig Ursach hatte, an den Ort der Sicherheit, den ich mir gewählt hatte, aber ich ließ in Donats Schlosse etwas zurück, wobey ich gern noch länger verweilt, oder noch lieber, es mit mir genommen hätte. Der Graf von Vatz, welcher sich Gewalt anthat, mir binnen den Tagen, in welchen ich Kräfte zu meiner Abreise sammeln mußte, alle Ehre zu erzeigen, stellte mir seine Töchter, oder meine Enkelinnen, wie er sie zu nennen beliebte, vor. Himmlische liebenswürdige Geschöpfe, in den ersten Jahren der lächelnden Unschuld, zur Zeit meiner Einkerkerung geboren. Imagina war bey der Geburt dieser Zwillingsschwestern gestorben, und der Verlust ihrer unwürdigen Mutter würde Gewinn für sie gewesen seyn, wenn ihnen der Himmel nicht einen Vater gelassen hätte, bey welchem sie frühzeitig an Leib und Seele verwahrlost werden mußten. O Ursula! o Kunigunde! Wie lieb wurdet ihr mir in den kurzen Tagen unserer Bekanntschaft! Ihr hingt euch an meinen Arm bey meiner Abreise und weintet mir nach! O hättet ihr das Herz sehen können, das sich so ungern von euch trennte! Ich sah Graf Donaten mit wehmüthigem Blick an, und wagte eine kühne Bitte, aber seine Stirn umwölkte sich, und er fragte mit spottendem Ton, ob ich seiner Redlichkeit nicht ohne Geisseln trauen wollte?
Gott lob, ich habe hinfort nichts mit seiner Redlichkeit oder Unredlichkeit zu thun gehabt, die Mauern dieses guten Klosters und die Macht der Aebtißinn von Zürich schützen mich! Auch hat es mir hier nicht an überraschenden Freuden gefehlt. Die jüngste von Kayser Rudolfs Töchtern, die stille fromme Euphemia, sie, die wegen ihres weisen Ernsts von ihren muntern Schwestern, und von der feurigen Noria in jenen Zeiten muthwilliger Jugend immer verlacht, und niemals in unsern Zirkel gezogen wurde, empfing mich mit offenen Armen an dem Orte meiner Sicherheit, und bot mir eine Freundschaft, an, die ich jetzt erst zu schätzen wußte, da Unglück und Jahre mich weise gemacht hatten.
Von ihrer Schwester, der Herzoginn von Sachsen, hatte sie mein Schicksal erfahren, und war aus ihrem Kloster zu Tull, wo sie das Leben einer Heiligen lebte, herübergekommen,