Karpfenkrieg. Werner Rosenzweig

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Karpfenkrieg - Werner Rosenzweig

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und Alkoholsünder um keinen Unbekannten im Landkreis. Erst Anfang der Woche feierte er mit hoher, lokaler Politprominenz einen spektakulären Erfolg seiner Genossenschaft Aischgründer Spiegelkarpfen, welche aufgrund seiner Initiative mit einem wertvollen Qualitätszertifikat für den Aischgründer Spiegelkarpfen ausgezeichnet wurde. Nun stellt sich natürlich die Frage, welche Konsequenzen die Alkoholfahrt für Josef H. haben wird. Wäre es verträglich, wenn er seine Aufgabe als Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft beibehalten würde, oder ist er auf dieser Position nicht länger tragbar? Wir haben versucht, vom stellvertretenden Vorsitzenden, Waldemar Keller, hierzu eine Aussage zu erhalten, die uns aber leider versagt wurde. Der Alkoholfahrer wurde am Donnerstagmorgen aus der Ausnüchterungszelle nach Hause entlassen. Sein Führerschein wurde eingezogen. Er muss mit einer Strafanzeige rechnen. Wer den anonymen telefonischen Hinweis gegeben hat, ist nicht nachvollziehbar. „Der Anruf kam aus einer öffentlichen Telefonzelle in Uehlfeld“, klärte uns Polizeihauptwachtmeister Max Wunderlich auf. Dass der Verkehrssünder aufgrund seiner Position in der Genossenschaft nicht nur Freunde hat, ist allgemein bekannt. Schadenfrohe Stimmen behaupten, dass er mit dem kürzlich erhaltenen Qualitätszertifikat hauptsächlich Eigeninteressen verfolge.

      *

      „Super, Horst“, wieherte Hanni der Hammer, „des hast du eins a gmacht.“ Die Fotos, die Knöllchen-Horst zwei Nächte zuvor in Gremsdorf gemacht hatte und die zeigten, wie der Vorsitzende der Genossenschaft Aischgründer Spiegelkarpfen in das Polizeifahrzeug verfrachtet wurde, lagen ausgedruckt auf dem Tisch herum. Es waren die gleichen Fotos, wie sie auch in den lokalen Medien abgedruckt waren.

      „Des kost dem Hornauer sein Job als Genossenschafts-Boss“, gab sich auch Bertl Holzmichl zuversichtlich. Kennt ihr den Waldemar Keller?“

      „Des is der gleiche Depp“, meinte Horst Jäschke, „a su a Bio-Freak. Wohnt und hat seine Weiher in Dachsbach. Da kummt nix Bessers nach. Des kannst vergessen.“

      „Schad“, gab sich der Bertl enttäuscht.

      Die drei Teichwirte saßen in Johann Hammers Gartenlaube und tranken ihr erstes Bier. Draußen im Garten, am Hang, der zum Brünnleinsgraben abfiel, glühten die Holzkohle-Eierbricketts in einem gusseisernen Grill und warteten auf die ersten Fleischstücke. „Trinkt aus“, ordnete der Hausherr in der Laube an, „ich glab, mir kenna des erschte Fleisch auflegn. Bertl, machst nu drei Fläschli auf, des Bier is im Kühlschrank. Und nachm Essen sollt mer mal drüber redn, was wir etz machen.“

      „Geh mer zum Essn naus“, schlug Knöllchen-Horst vor, „Bertl, bringst die Seidli mit?“

      „Geht ner zu, ich bring des Bier scho mit naus.“

      Johann Hammer schmiss die von seiner Frau vorbereiteten, marinierten Fleischstücke auf den Grillrost. Nach wenigen Sekunden fielen die ersten Fetttropfen auf die glühende Holzkohle. Es zischte und sprutzelte. Qualmwölkchen stiegen auf, und hie und da zuckte eine Flamme nach oben und versuchte sich des Grillgutes zu bemächtigen. Johann Hammer passte auf. Sofort schüttete er etwas Bier auf den Brandherd. Erneut zischte und sprutzelte es, bis an anderer Stelle eine neue Flamme hochschlug.

      „Was is Horst“, wollte er von dem Neuhauser Teichwirt wissen, „hast du dir etz scho mal überlecht, ob du den Angerweiher, den Großen Torweiher und den Großen Neuweiher an den Bertl und an mich verkafst? Schau, etz wirst bald dreiasechzig. Mit dem Kormoran ärgerst du dich sowieso ständig rum, hast gsacht. Könnst doch deim Hobby nachgehn und Autos aufschreibn, die falsch geparkt sen, wennst dich nimmer um dei Fisch kümmern müssest. Also dei Fra hätt nix dagegen, hats gsacht …“

      „Mei Fra, seit wann redsnt du darüber mit meiner Fra?“, brauste Knöllchen-Horst auf. „Ich habs eich scho a poar mal gsacht: Ich verkaf nix. Basta. Und wenn ihr meine Weiher wollt, dann red gefälligst mit mir da drüber und net mit meiner Fra. Verstanden?“

      „Is ja scho gut, Horst. Etz reg dich halt net su auf. Habs ja bloß gut gmant.“

      Nebenan, unten im Brünnleinsgraben, quakten die Frösche, und auf dem kleinen Weiher, drüben in den Feuchtwiesen, zogen zwei Kanadagänse ihre Bahnen. „Sche habt ihrs da“, kommentierte der Bertl, „bloß die Hauptstraß is a weng zu nah dran.“

      „Da hast recht“, bestätigte der Hausherr und goss erneut etwas Bier auf den Grill. „Die Lkw machen an gscheitn Lärm, aber mier ham uns scho dran gwöhnt. Horst, wo hastn dei Auto parkt?“

      „Auto? Des steht dahamm in der Garage.“

      „Sach bloß, du bist zu Fuß kumma?“

      „No frali, des sen ja bloß knapp drei Kilometer durchn Wald. A Spaziergang sozusagn.“

      „Und hamwärts?“, wollte der Bertl wissen.

      „Hamwärts sens a bloß drei Kilometer”, antwortete Horst Jäschke feixend. Er hatte sich zwischenzeitlich wieder beruhigt.

      „Doldi“, ging ihn Bertl Holzmichl an, „des waß ich a. Ich man, wennst bsuffen bist, dann läfst du a durch den dunkln Wald? Do siehgst doch nix.“

      „Deswegn hab ich ja a mei Taschnlampn dabei, und bis ich daham bin, bin ich a widder nüchtern.“

      „Mir kenna essn“, verkündete Hanni der Hammer, „hockt eich hie. Bertl, hulst du noch den Bodaggnsalat ausm Kühlschrank in der Gartnlaube? Ich geh schnell ins Haus und hol den grüna Salat.“

      Es wurde ein geselliger, feucht-fröhlicher Abend. Um zweiundzwanzig Uhr dreißig waren der erste Kasten Bier und die erste Flasche Williams leer. Die drei schimpften über die Genossenschaft Aischgründer Spiegelkarpfen, und dass sie nicht nachgeben, geschweige denn dieser Raubritter-Organisation beitreten wollten. Sie würden es dieser Genossenschaft schon zeigen. Von wegen artgerechte Fischhaltung. Von wegen Besatzdichte. Und den Kormoran, schworen sie sich, den würden sie abknallen, egal wo und wann sie auf so einen Fischräuber stoßen würden. Zwischenzeitlich war die Sonne über den Waldgipfeln hinter dem Fritzenweiher verschwunden. Eine Säule Schnaken tanzte im letzten Dämmerlicht über dem Brünnleinsgraben, und drüben, auf der anderen Seite Röttenbachs, schlich sich die Nacht langsam von den Hügeln in das Dorf hinunter, geisterte durch die menschenleeren Straßen, kroch über die Hauptstraße und hielt auch in der Jahnstraße Einhalt. Die Wärme des Tages war mit der untergegangenen Sonne weitergezogen und die Luft kühlte deutlich ab. „Gemmer in die Gartnlaubn nei“, schlug Johann Hammer vor, „es wird kühl da außn. Ich hol uns nu an Kastn Bier und a Flaschn Schlehengeist. Des is was Feins.“

      Es ging auf halb zwei zu. Die drei hatten kräftig weiter gebechert. Nüchtern war keiner mehr. Lautstark trällerte Helene Fischer ihr Atemlos-Lied aus dem Lautsprecher des CD-Players. Doch gegen die drei Teichwirte hatte sie nicht die geringste Chance, und auch nicht gegen deren eigene Interpretation.

      ♫ Wir pfeifen auf die Regeln dieser Scheiß-Genossenschaft,

      all die Paragraphen, die sind nicht für uns gemacht, oh, oh“, schrie Hanni der Hammer wie ein brunftiger Hirsch in den Raum.

       Da lachn wir nur drüber, lasst uns damit in Ruh‘,

       Karpfen artgerecht, warum, weshalb, wozu? Oh, oh.

       Ja, wir sind recht angepisst, falls niemand unsre Fische isst.

       Euer Tun hat uns gezeigt: Jetzt gibt’s großen Streit.

       Atemlos durch den Gau,

      

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