Aufbruch im Miriquidi - Chemnitzer Annalen. Gerd vom Steinbach
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Aufbruch im Miriquidi - Chemnitzer Annalen - Gerd vom Steinbach страница 11
„Hejo ist also dein merkwürdiger Name. Es freut mich zu hören, dass wir gleich da sind. Doch erkenne ich noch nicht, wo wir hin sollen.“
„Nur nicht so fade, Bruder Ochsenkutscher! Ich bin der Meldereiter vom Heerlager am Flusse Kamenitza. Ihr seid spät dran und bei eurem Tempo werdet ihr wohl erst in der Nacht euer Lager erreicht haben.“ Der Bursche schiebt sich keck seine Kappe über den Schopf und zwinkert mit dem Auge. „Aber so schlimm wird es nicht werden. Dort oben läuft eine Straße, die euch bis ans Ziel bringt.“ Überrascht schaut Reinhold den Hang hinauf.
„Eine richtige Straße hier in der Wildnis? Wer hat die denn angelegt?“ Prompt äfft der Meldereiter sein Staunen nach:
„‚Wer hat die denn angelegt?‘! Meinst du vielleicht, dass die Sorben fliegen können? Hier gibt es fast in jedem Tal ein Anwesen, meist von einem Jäger. Im Laufe der Zeit haben sich zwischen den Hütten Wege gebildet, gerade breit genug, dass ein Wagen darauf fahren kann.“
„Das ist ja großartig. Jetzt bürge noch dafür, dass uns keine Gefahr mehr droht und uns bei euch ein Festmahl erwartet“, geht Reinhold auf die Tonlage des Burschen ein, der sich jedoch in keiner Weise verspottet fühlt.
„Welche Gefahr meinst du? Für die Ungarn ist es zu spät im Jahr und die Sorben bereiten uns keinen Verdruss, sie sind friedlich. Aber Weiber haben die, Weiber …!“, mit glänzenden Augen zeichnet er übergroße Rundungen in die Luft.
Inzwischen ist die Neuigkeit von Wagen zu Wagen geflogen und die Gespanne verkürzen die Abstände untereinander. Von der Mitte der Kolonne schiebt sich Hildebrands Fuhrwerk an die Spitze und sogleich schließen sich ihm die anderen Gespanne an.
Als sie den Hang erklommen haben, öffnet sich tatsächlich ein Fahrweg, dessen staubige Spur sich zwischen den Baumriesen nach Osten windet.
Auf dem Kastellberg
Schwer hat sich die Nacht über den endlosen Wald gesenkt, zwischen den kahlen Baumkronen glänzen und funkeln die Sterne in reinstem Silber. Nur vereinzelt übertönt der Ruf eines Nachtvogels das Schnaufen der Zugtiere und das Poltern der Räder über Wurzeln und Gestein. Die Fackeln der Wagen malen Schatten, die flirrend zwischen den Stämmen auf und nieder tanzen.
Die Gespräche sind längst erstorben, mit angestrengtem Blick suchen die Fahrensleute die unheimliche Finsternis zu durchdringen. Milchige Nebel steigen von ihren Mündern auf und vereinzelt klingt der Ruf eines Fuhrmanns an seine Tiere, hie und da pfeift eine Peitsche durch die Luft.
Selbst Harras, der unaufhörlich auf den Kolonnenführer eingeschwatzt hat, schweigt nunmehr. Doch ist er keineswegs furchtsam in der Dunkelheit wie viele andere, sondern er genießt die Tageszeit. Als Melder und Bote des königlichen Heeres hat er schon so manche Nacht allein im Wald verbracht und so ist ihm das Dunkel vertraut und flößt ihm keine Angst mehr ein. Nicht, dass ihm die Nacht lieber wäre als der Tag, aber unheimlich ist sie ihm auch wieder nicht. Jedes Geräusch und jeden Schatten sucht er zu deuten, ohne böse Geister und Elfen zu bemühen, was ihm schon oft den Ruf einbrachte, wenn schon nicht leichtsinnig, so doch recht unerschrocken zu sein. Als er die Kolonne um eine nächste Erhebung führt, scheinen zwischen den Bäumen plötzlich Lichter zu flackern.
„Wir sind da, wir haben es geschafft!“, ertönt beschwingt der Jubelruf Mathildes und wird von den Reisenden erleichtert aufgenommen.
Tatsächlich eröffnet sich vor ihnen eine weite Lichtung, in deren Mitte sich eine Burg erhebt. In der Dunkelheit wirken die Palisaden wuchtig und respekteinflößend. Die Flügel des Tores sind indes weit geöffnet und auf beiden Seiten stecken in eisernen Ringen armlange Fackeln und erhellen die Gesichter der Krieger, die die Gäste freudig erwarten. Auf dem Burghof brennt ein Feuer und strahlt verlockende Wärme aus. Um das Tor hat sich ein Spalier gebildet, das die Ankömmlinge jubelnd begrüßt. Die johlenden Rufe und anerkennenden Pfiffe der rauen Burschen gelten jedoch weniger den wagemutigen Männern auf den Böcken als vielmehr den scheuen Mädchen und äugelnden Weibern, deren Anmut durch das flackernde Licht noch reizvoller scheint. Wagen auf Wagen schiebt sich in den Hof, bis alle unter den Wehrgängen ihren Platz gefunden haben. Die Krieger übernehmen die abgeschirrten Zugtiere und führen sie aus der Burg.
Nach kurzer Zeit finden sich alle am Feuer ein, das von langen Tischen umfasst ist. Hier endlich sollen die Angekommenen ihre feierliche Begrüßung im Sorbengau erfahren. Als sie an den Tischen Platz genommen haben, tritt aus dem zentralen Gebäude der Festung ein mittelgroßer Mann, dem der offensichtliche Respekt der Krieger nicht nur zukommt, sondern auch bewusst ist. Unter seinem Pelzumhang zeichnen sich breite Schultern ab, die geröteten Hände sind sehr viel breiter, als seine Körpergröße es vermuten lässt. Ein gewaltiger Bart umwuchert sein Gesicht, aus dem eine riesige Nase hervorsticht. Streng blicken seine Augen unter den buschigen Brauen seiner hohen Stirn hervor und schauen klar und aufrecht auf sein Gegenüber. Als er den Arm hebt, verstummen die Gespräche, selbst das aufgekratzte Geplapper der Jüngsten erstirbt. Seine helle Stimme klingt kraftvoll in das weite Rund:
„Willkommen auf Kastell Kamenitza, Freunde aus der Heimat. Auf Befehl unseres Königs Heinrich besetzen wir seit einigen Wochen diese altehrwürdigen Mauern, die nunmehr zu einer unverwüstlichen Feste ausgeweitet wird. Wenn auch unser König gegen die Sorben im Norden einen harten Kampf führte, finden wir doch hier in der Wildnis ein gutes Verhältnis zu ihnen. Sie wissen, dass wir ihnen bei einem ungarischen Angriff starke Verbündete sind und sie jederzeit zu uns flüchten können. Sie haben unsere bedingungslose Herrschaft anerkannt.“ Begeistert trommeln schwielige Fäuste auf die Tische, bis der Redner erneut den Arm hebt und fortfährt:
„Wir sind Kommandant dieser Burg mit zweihundert erfahrenen Soldaten. Wir sichern den Norden vor den Ungarn. Sollte ihr Heer im Frühjahr hier eindringen, werden wir sie am Fuße der Berge schlagen.“ Wieder unterbricht ihn das Trommeln, zustimmende Schreie aus rauen Männerkehlen künden vom Siegeswillen.
„Euch aber“, setzt der Kommandant fort, „brauchen wir als Bauern und für den Transport. Ihr sollt uns versorgen und den Ausbau der Verteidigungsanlagen unterstützen. Wenn die Ungarn einfallen, werden eure Männer an unserer Seite kämpfen, sie werden dem Heerbann folgen müssen.“ Den letzten Satz hat er eindringlich an die Frauen gerichtet, die darob ein wenig nachdenklich und auch bedrückt dreinschauen. Der Kommandant räuspert sich und beschließt seine Ansprache:
„Liebe Freunde, wir, Hauptmann Siegmund, stehen im Dienste unseres Königs. Morgen werdet ihr sehen, wo ihr eure Höfe errichten sollt. Heute wollen wir eure lang ersehnte Ankunft gebührend feiern. Da es schon spät ist, müsst ihr diese Nacht noch einmal auf euren Wagen schlafen.“ Wie auf ein Zeichen schleppen nun ein paar Männer schwere Kübel mit Suppe herbei, stellen Körbe voll Brot dazu und holen Wein und Wasser. Hauptmann Siegmund hebt seinen Becher und gibt mit einer Geste seinen Gästen Bescheid:
„Auf euer und unser Wohl, auf die neue Heimat und auf das Gelingen all dessen, was wir uns vorgenommen haben.“ Der Spruch findet lautstark Beifall und gleich darauf ist nur noch das genüssliche Schmatzen und Schlürfen der Hungrigen zu vernehmen.
Als die Schüsseln geleert sind, erhebt sich Hildebrand von der Bank.
„Habt Dank für die herzliche Begrüßung und das wunderbare Essen, Hauptmann